des Mordes hatte, sprang mit seinem ge- wöhnlichen Feuer auf sie los, um ihr -- was weis ich? -- die Kehle zuzudrücken, wenig- stens den vermeinten Mord empfindlich zu rächen: doch Medardus schüzte sie wider den Eifer seiner strafenden Gerechtigkeit. Brü- derchen, sprach er und hielt ihn von ihr zu- rück, erst wollen wir hören, was sie zu sagen hat. -- Darauf fieng er das Verhör an, und sie versprach ihm, jede seiner Fragen zu beantworten, so bald ihre Ruhe wiederherge- stellt seyn würde.
Ach, fieng sie darauf an, der Unglückliche, den Sie hier im seinem Blute erblicken, woll- te dem unseligsten Tode entfliehen, und muß- te sich ihn mit eigner Hand anthun. Es ist der jüngste Bruder des itzigen Sultans, Prinz Amurat. -- Jhre Zuhörer erstaunten. -- Sie wissen, daß der Despotismus eine grau- same Vorsicht erfodert, die jeden Thronbe- steiger nöthigt, allen Empfindungen der Bru- derliebe, des Blutes zu entsagen, und un- barmherzig jeden Verwandten niederzumetzeln, den ein unglücklicher Einfall verleiten könnte, dem Despoten seine Macht streitig zu machen. Kaum hatte der gegenwärtige Tirann den
des Mordes hatte, ſprang mit ſeinem ge- woͤhnlichen Feuer auf ſie los, um ihr — was weis ich? — die Kehle zuzudruͤcken, wenig- ſtens den vermeinten Mord empfindlich zu raͤchen: doch Medardus ſchuͤzte ſie wider den Eifer ſeiner ſtrafenden Gerechtigkeit. Bruͤ- derchen, ſprach er und hielt ihn von ihr zu- ruͤck, erſt wollen wir hoͤren, was ſie zu ſagen hat. — Darauf fieng er das Verhoͤr an, und ſie verſprach ihm, jede ſeiner Fragen zu beantworten, ſo bald ihre Ruhe wiederherge- ſtellt ſeyn wuͤrde.
Ach, fieng ſie darauf an, der Ungluͤckliche, den Sie hier im ſeinem Blute erblicken, woll- te dem unſeligſten Tode entfliehen, und muß- te ſich ihn mit eigner Hand anthun. Es iſt der juͤngſte Bruder des itzigen Sultans, Prinz Amurat. — Jhre Zuhoͤrer erſtaunten. — Sie wiſſen, daß der Deſpotiſmus eine grau- ſame Vorſicht erfodert, die jeden Thronbe- ſteiger noͤthigt, allen Empfindungen der Bru- derliebe, des Blutes zu entſagen, und un- barmherzig jeden Verwandten niederzumetzeln, den ein ungluͤcklicher Einfall verleiten koͤnnte, dem Deſpoten ſeine Macht ſtreitig zu machen. Kaum hatte der gegenwaͤrtige Tirann den
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0144"n="124"/>
des Mordes hatte, ſprang mit ſeinem ge-<lb/>
woͤhnlichen Feuer auf ſie los, um ihr — was<lb/>
weis ich? — die Kehle zuzudruͤcken, wenig-<lb/>ſtens den vermeinten Mord empfindlich zu<lb/>
raͤchen: doch Medardus ſchuͤzte ſie wider den<lb/>
Eifer ſeiner ſtrafenden Gerechtigkeit. Bruͤ-<lb/>
derchen, ſprach er und hielt ihn von ihr zu-<lb/>
ruͤck, erſt wollen wir hoͤren, was ſie zu ſagen<lb/>
hat. — Darauf fieng er das Verhoͤr an,<lb/>
und ſie verſprach ihm, jede ſeiner Fragen zu<lb/>
beantworten, ſo bald ihre Ruhe wiederherge-<lb/>ſtellt ſeyn wuͤrde.</p><lb/><p>Ach, fieng ſie darauf an, der Ungluͤckliche,<lb/>
den Sie hier im ſeinem Blute erblicken, woll-<lb/>
te dem unſeligſten Tode entfliehen, und muß-<lb/>
te ſich ihn mit eigner Hand anthun. Es iſt<lb/>
der juͤngſte Bruder des itzigen Sultans, Prinz<lb/>
Amurat. — Jhre Zuhoͤrer erſtaunten. —<lb/>
Sie wiſſen, daß der Deſpotiſmus eine grau-<lb/>ſame Vorſicht erfodert, die jeden Thronbe-<lb/>ſteiger noͤthigt, allen Empfindungen der Bru-<lb/>
derliebe, des Blutes zu entſagen, und un-<lb/>
barmherzig jeden Verwandten niederzumetzeln,<lb/>
den ein ungluͤcklicher Einfall verleiten koͤnnte,<lb/>
dem Deſpoten ſeine Macht ſtreitig zu machen.<lb/>
Kaum hatte der gegenwaͤrtige Tirann den<lb/></p></div></body></text></TEI>
[124/0144]
des Mordes hatte, ſprang mit ſeinem ge-
woͤhnlichen Feuer auf ſie los, um ihr — was
weis ich? — die Kehle zuzudruͤcken, wenig-
ſtens den vermeinten Mord empfindlich zu
raͤchen: doch Medardus ſchuͤzte ſie wider den
Eifer ſeiner ſtrafenden Gerechtigkeit. Bruͤ-
derchen, ſprach er und hielt ihn von ihr zu-
ruͤck, erſt wollen wir hoͤren, was ſie zu ſagen
hat. — Darauf fieng er das Verhoͤr an,
und ſie verſprach ihm, jede ſeiner Fragen zu
beantworten, ſo bald ihre Ruhe wiederherge-
ſtellt ſeyn wuͤrde.
Ach, fieng ſie darauf an, der Ungluͤckliche,
den Sie hier im ſeinem Blute erblicken, woll-
te dem unſeligſten Tode entfliehen, und muß-
te ſich ihn mit eigner Hand anthun. Es iſt
der juͤngſte Bruder des itzigen Sultans, Prinz
Amurat. — Jhre Zuhoͤrer erſtaunten. —
Sie wiſſen, daß der Deſpotiſmus eine grau-
ſame Vorſicht erfodert, die jeden Thronbe-
ſteiger noͤthigt, allen Empfindungen der Bru-
derliebe, des Blutes zu entſagen, und un-
barmherzig jeden Verwandten niederzumetzeln,
den ein ungluͤcklicher Einfall verleiten koͤnnte,
dem Deſpoten ſeine Macht ſtreitig zu machen.
Kaum hatte der gegenwaͤrtige Tirann den
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 124. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/144>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.