fersucht vertrieben, floh ich in den Kirchen- staat zurück und langte in der illustrislima republica St. Marino gerade zu der Zeit an, als die gesammten Bürger derselben in Furcht und Aengsten waren, daß der päbst- liche Legat, sie unter das Joch seines Herrn zwingen möchte. Alles, Junge und Alte, Weiber, Kinder und Männer waren in tiefer Trauer um ihre Freiheit und baten den lie- ben Gott mit Beten und Fasten inständigst, daß er sie in Gnaden vor der Herrschaft sei- nes Vikars bewahren möge. Doch kurz dar- auf wurde ihr Kummer in die höchste Freude verwandelt, als der Pabst das Unternehmen seines gewissenlosen Legaten misbilligte und der Republik ihre alte Freiheit und also auch ihre Glückseligkeit wiederschenkte -- eine Handlung von Menschenliebe und Uneigen- nützigkeit, die meines Erachtens mehr als eine ganze Ladung Jndulgenzen werth ist. --
Das war ein braver Pabst, rief Belphe- gor.
Dafür wird ihm aber auch sein Apfelwein alle Tage recht herrlich schmecken, und wenn er heirathen dürfte, so wünschte ich ihm oben
ferſucht vertrieben, floh ich in den Kirchen- ſtaat zuruͤck und langte in der illuſtriſlima republica St. Marino gerade zu der Zeit an, als die geſammten Buͤrger derſelben in Furcht und Aengſten waren, daß der paͤbſt- liche Legat, ſie unter das Joch ſeines Herrn zwingen moͤchte. Alles, Junge und Alte, Weiber, Kinder und Maͤnner waren in tiefer Trauer um ihre Freiheit und baten den lie- ben Gott mit Beten und Faſten inſtaͤndigſt, daß er ſie in Gnaden vor der Herrſchaft ſei- nes Vikars bewahren moͤge. Doch kurz dar- auf wurde ihr Kummer in die hoͤchſte Freude verwandelt, als der Pabſt das Unternehmen ſeines gewiſſenloſen Legaten misbilligte und der Republik ihre alte Freiheit und alſo auch ihre Gluͤckſeligkeit wiederſchenkte — eine Handlung von Menſchenliebe und Uneigen- nuͤtzigkeit, die meines Erachtens mehr als eine ganze Ladung Jndulgenzen werth iſt. —
Das war ein braver Pabſt, rief Belphe- gor.
Dafuͤr wird ihm aber auch ſein Apfelwein alle Tage recht herrlich ſchmecken, und wenn er heirathen duͤrfte, ſo wuͤnſchte ich ihm oben
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0131"n="111"/>
ferſucht vertrieben, floh ich in den Kirchen-<lb/>ſtaat zuruͤck und langte in der <hirendition="#fr">illuſtriſlima<lb/>
republica</hi> St. Marino gerade zu <hirendition="#fr">der</hi> Zeit<lb/>
an, als die geſammten Buͤrger derſelben in<lb/>
Furcht und Aengſten waren, daß der paͤbſt-<lb/>
liche Legat, ſie unter das Joch ſeines Herrn<lb/>
zwingen moͤchte. Alles, Junge und Alte,<lb/>
Weiber, Kinder und Maͤnner waren in tiefer<lb/>
Trauer um ihre Freiheit und baten den lie-<lb/>
ben Gott mit Beten und Faſten inſtaͤndigſt,<lb/>
daß er ſie in Gnaden vor der Herrſchaft ſei-<lb/>
nes Vikars bewahren moͤge. Doch kurz dar-<lb/>
auf wurde ihr Kummer in die hoͤchſte Freude<lb/>
verwandelt, als der Pabſt das Unternehmen<lb/>ſeines gewiſſenloſen Legaten misbilligte und<lb/>
der Republik ihre alte Freiheit und alſo auch<lb/>
ihre Gluͤckſeligkeit wiederſchenkte — eine<lb/>
Handlung von Menſchenliebe und Uneigen-<lb/>
nuͤtzigkeit, die meines Erachtens mehr als<lb/>
eine ganze Ladung Jndulgenzen werth iſt. —</p><lb/><p>Das war ein braver Pabſt, rief Belphe-<lb/>
gor.</p><lb/><p>Dafuͤr wird ihm aber auch ſein Apfelwein<lb/>
alle Tage recht herrlich ſchmecken, und wenn<lb/>
er heirathen duͤrfte, ſo wuͤnſchte ich ihm oben<lb/></p></div></body></text></TEI>
[111/0131]
ferſucht vertrieben, floh ich in den Kirchen-
ſtaat zuruͤck und langte in der illuſtriſlima
republica St. Marino gerade zu der Zeit
an, als die geſammten Buͤrger derſelben in
Furcht und Aengſten waren, daß der paͤbſt-
liche Legat, ſie unter das Joch ſeines Herrn
zwingen moͤchte. Alles, Junge und Alte,
Weiber, Kinder und Maͤnner waren in tiefer
Trauer um ihre Freiheit und baten den lie-
ben Gott mit Beten und Faſten inſtaͤndigſt,
daß er ſie in Gnaden vor der Herrſchaft ſei-
nes Vikars bewahren moͤge. Doch kurz dar-
auf wurde ihr Kummer in die hoͤchſte Freude
verwandelt, als der Pabſt das Unternehmen
ſeines gewiſſenloſen Legaten misbilligte und
der Republik ihre alte Freiheit und alſo auch
ihre Gluͤckſeligkeit wiederſchenkte — eine
Handlung von Menſchenliebe und Uneigen-
nuͤtzigkeit, die meines Erachtens mehr als
eine ganze Ladung Jndulgenzen werth iſt. —
Das war ein braver Pabſt, rief Belphe-
gor.
Dafuͤr wird ihm aber auch ſein Apfelwein
alle Tage recht herrlich ſchmecken, und wenn
er heirathen duͤrfte, ſo wuͤnſchte ich ihm oben
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 111. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/131>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.