Spitze bieten, sondern aus dem Wege gehn. Komm, Brüderchen! nicht eine Minute län- ger wollen wir die Luft hier athmen, sie möchte in seiner Lunge gewesen seyn.
Belphegorn fiel der Gehorsam schwer; aber er erinnerte sich seines Entschlusses und der Verwünschungen, die er auf die Brechung desselben gesezt hatte: er nahm also seinen Abschied und begnügte sich, seinem Zorne un- terwegs durch Ergießungen gegen seinen Be- gleiter Luft zu machen.
Da die Tage heiß waren, so nüzten sie den kühlen Morgen, um sich mit ihrer Reise desto weniger zu ermüden. Eines Morgens langten sie bey einem Truppe nicht allzu ho- her Erlensträuche an, die ein natürliches Ka- binet bildeten, so einladend, daß man ohne Undankbarkeit nicht vorbeygehen zu können schien: sie sezten sich nieder. Kurz nach ih- rer Niederlassung zeigte sich ihnen ein Frauen- zimmmer, das bey ihrer Annäherung einige Verlegenheit in der Mine verrieth, doch sich bald wieder faßte und unerschrocken auf sie zukam. Ohne die geringste Eingangsrede rief sie sogleich: Belphegor, ich komme nur,
Spitze bieten, ſondern aus dem Wege gehn. Komm, Bruͤderchen! nicht eine Minute laͤn- ger wollen wir die Luft hier athmen, ſie moͤchte in ſeiner Lunge geweſen ſeyn.
Belphegorn fiel der Gehorſam ſchwer; aber er erinnerte ſich ſeines Entſchluſſes und der Verwuͤnſchungen, die er auf die Brechung deſſelben geſezt hatte: er nahm alſo ſeinen Abſchied und begnuͤgte ſich, ſeinem Zorne un- terwegs durch Ergießungen gegen ſeinen Be- gleiter Luft zu machen.
Da die Tage heiß waren, ſo nuͤzten ſie den kuͤhlen Morgen, um ſich mit ihrer Reiſe deſto weniger zu ermuͤden. Eines Morgens langten ſie bey einem Truppe nicht allzu ho- her Erlenſtraͤuche an, die ein natuͤrliches Ka- binet bildeten, ſo einladend, daß man ohne Undankbarkeit nicht vorbeygehen zu koͤnnen ſchien: ſie ſezten ſich nieder. Kurz nach ih- rer Niederlaſſung zeigte ſich ihnen ein Frauen- zimmmer, das bey ihrer Annaͤherung einige Verlegenheit in der Mine verrieth, doch ſich bald wieder faßte und unerſchrocken auf ſie zukam. Ohne die geringſte Eingangsrede rief ſie ſogleich: Belphegor, ich komme nur,
<TEI><text><body><divn="1"><p><pbfacs="#f0104"n="84"/>
Spitze bieten, ſondern aus dem Wege gehn.<lb/>
Komm, Bruͤderchen! nicht eine Minute laͤn-<lb/>
ger wollen wir die Luft hier athmen, ſie<lb/>
moͤchte in ſeiner Lunge geweſen ſeyn.</p><lb/><p>Belphegorn fiel der Gehorſam ſchwer;<lb/>
aber er erinnerte ſich ſeines Entſchluſſes und<lb/>
der Verwuͤnſchungen, die er auf die Brechung<lb/>
deſſelben geſezt hatte: er nahm alſo ſeinen<lb/>
Abſchied und begnuͤgte ſich, ſeinem Zorne un-<lb/>
terwegs durch Ergießungen gegen ſeinen Be-<lb/>
gleiter Luft zu machen.</p><lb/><p>Da die Tage heiß waren, ſo nuͤzten ſie<lb/>
den kuͤhlen Morgen, um ſich mit ihrer Reiſe<lb/>
deſto weniger zu ermuͤden. Eines Morgens<lb/>
langten ſie bey einem Truppe nicht allzu ho-<lb/>
her Erlenſtraͤuche an, die ein natuͤrliches Ka-<lb/>
binet bildeten, ſo einladend, daß man ohne<lb/>
Undankbarkeit nicht vorbeygehen zu koͤnnen<lb/>ſchien: ſie ſezten ſich nieder. Kurz nach ih-<lb/>
rer Niederlaſſung zeigte ſich ihnen ein Frauen-<lb/>
zimmmer, das bey ihrer Annaͤherung einige<lb/>
Verlegenheit in der Mine verrieth, doch ſich<lb/>
bald wieder faßte und unerſchrocken auf ſie<lb/>
zukam. Ohne die geringſte Eingangsrede<lb/>
rief ſie ſogleich: Belphegor, ich komme nur,<lb/></p></div></body></text></TEI>
[84/0104]
Spitze bieten, ſondern aus dem Wege gehn.
Komm, Bruͤderchen! nicht eine Minute laͤn-
ger wollen wir die Luft hier athmen, ſie
moͤchte in ſeiner Lunge geweſen ſeyn.
Belphegorn fiel der Gehorſam ſchwer;
aber er erinnerte ſich ſeines Entſchluſſes und
der Verwuͤnſchungen, die er auf die Brechung
deſſelben geſezt hatte: er nahm alſo ſeinen
Abſchied und begnuͤgte ſich, ſeinem Zorne un-
terwegs durch Ergießungen gegen ſeinen Be-
gleiter Luft zu machen.
Da die Tage heiß waren, ſo nuͤzten ſie
den kuͤhlen Morgen, um ſich mit ihrer Reiſe
deſto weniger zu ermuͤden. Eines Morgens
langten ſie bey einem Truppe nicht allzu ho-
her Erlenſtraͤuche an, die ein natuͤrliches Ka-
binet bildeten, ſo einladend, daß man ohne
Undankbarkeit nicht vorbeygehen zu koͤnnen
ſchien: ſie ſezten ſich nieder. Kurz nach ih-
rer Niederlaſſung zeigte ſich ihnen ein Frauen-
zimmmer, das bey ihrer Annaͤherung einige
Verlegenheit in der Mine verrieth, doch ſich
bald wieder faßte und unerſchrocken auf ſie
zukam. Ohne die geringſte Eingangsrede
rief ſie ſogleich: Belphegor, ich komme nur,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Wezel, Johann Carl: Belphegor, oder die wahrscheinlichste Geschichte unter der Sonne. Bd. 1. Leipzig, 1776, S. 84. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wezel_belphegor01_1776/104>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.