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Wernicke, Carl: Der aphasische Symptomencomplex. Breslau, 1874.

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wandelt, in welchen kleinere ebensolche Fäden einmünden. Vom
Lamen des Gefässes ist keine Spur mehr aufzufinden.

Die Erweichung ist nach vorn von der Centralspalte auf die
I. Stirnwindung beschränkt, nur das vordere Drittheil derselben
ist verschont geblieben. Das Stück der I. Urwindung, welches
die Centralspalte von unten schliesst, ist mit betroffen, ebenso das
untere Verlaufsstück beider Centralwindungen. Nach hinten von
denselben dehnt sich der Process in die Breite aus und nimmt
hier das ganze Läppchen ein, welches durch die Anastomose des
I. und II. Schläfezuges gebildet wird. Die Hinterhauptspitze und
die mehr medial gelegenen Theile des Hinterhauptslappens haben
ihre normale Consistenz bewahrt, der Schläfelappen ist dagegen
grösstentheils erweicht, und nur der Gyrus hippocampi zeigt nor-
male Consistenz.

Der Stammlappen ist in allen Dimensionen verkleinert und
grösstentheils ödematös erweicht.



Vergleichen wir diesen Befund mit dem der Rother (Fall 2),
so zeigt sich darin eine Uebereinstimmung, dass bei beiden die
I. Schläfewindung und deren Anastomose mit der zweiten ergriffen
ist. Beide litten an sensorischer Aphasie. Sollte diese Ueberein-
stimmung durch einen Zufall bedingt sein?



Endlich mag noch auf Eigentümlichkeiten des Verlaufes hin-
gewiesen werden, welche sich bei den verschiedenen Fällen heraus-
gestellt haben. Bei der Adam (Fall 1) ist jetzt die Agraphie fast
das einzige zurückgebliebene Symptom. Beckmann hingegen
(Fall 3) kann jetzt fliessend schreiben, nur besteht noch hoch-
gradige Alexie. Macht bei beiden, wie zu erwarten steht, die
Besserung noch weitere Fortschritte, so werden sie isolirte Agraphie
und Alexie darbieten, Zustände, die sich sonach als normale Sta-
dien im Verlaufe der sensorischen und der Leitungsaphasie heraus-
stellen würden.



Buchdruckerei von Karl Prochaska in Teschen.

wandelt, in welchen kleinere ebensolche Fäden einmünden. Vom
Lamen des Gefässes ist keine Spur mehr aufzufinden.

Die Erweichung ist nach vorn von der Centralspalte auf die
I. Stirnwindung beschränkt, nur das vordere Drittheil derselben
ist verschont geblieben. Das Stück der I. Urwindung, welches
die Centralspalte von unten schliesst, ist mit betroffen, ebenso das
untere Verlaufsstück beider Centralwindungen. Nach hinten von
denselben dehnt sich der Process in die Breite aus und nimmt
hier das ganze Läppchen ein, welches durch die Anastomose des
I. und II. Schläfezuges gebildet wird. Die Hinterhauptspitze und
die mehr medial gelegenen Theile des Hinterhauptslappens haben
ihre normale Consistenz bewahrt, der Schläfelappen ist dagegen
grösstentheils erweicht, und nur der Gyrus hippocampi zeigt nor-
male Consistenz.

Der Stammlappen ist in allen Dimensionen verkleinert und
grösstentheils ödematös erweicht.



Vergleichen wir diesen Befund mit dem der Rother (Fall 2),
so zeigt sich darin eine Uebereinstimmung, dass bei beiden die
I. Schläfewindung und deren Anastomose mit der zweiten ergriffen
ist. Beide litten an sensorischer Aphasie. Sollte diese Ueberein-
stimmung durch einen Zufall bedingt sein?



Endlich mag noch auf Eigentümlichkeiten des Verlaufes hin-
gewiesen werden, welche sich bei den verschiedenen Fällen heraus-
gestellt haben. Bei der Adam (Fall 1) ist jetzt die Agraphie fast
das einzige zurückgebliebene Symptom. Beckmann hingegen
(Fall 3) kann jetzt fliessend schreiben, nur besteht noch hoch-
gradige Alexie. Macht bei beiden, wie zu erwarten steht, die
Besserung noch weitere Fortschritte, so werden sie isolirte Agraphie
und Alexie darbieten, Zustände, die sich sonach als normale Sta-
dien im Verlaufe der sensorischen und der Leitungsaphasie heraus-
stellen würden.



Buchdruckerei von Karl Prochaska in Teschen.

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[72/0076] wandelt, in welchen kleinere ebensolche Fäden einmünden. Vom Lamen des Gefässes ist keine Spur mehr aufzufinden. Die Erweichung ist nach vorn von der Centralspalte auf die I. Stirnwindung beschränkt, nur das vordere Drittheil derselben ist verschont geblieben. Das Stück der I. Urwindung, welches die Centralspalte von unten schliesst, ist mit betroffen, ebenso das untere Verlaufsstück beider Centralwindungen. Nach hinten von denselben dehnt sich der Process in die Breite aus und nimmt hier das ganze Läppchen ein, welches durch die Anastomose des I. und II. Schläfezuges gebildet wird. Die Hinterhauptspitze und die mehr medial gelegenen Theile des Hinterhauptslappens haben ihre normale Consistenz bewahrt, der Schläfelappen ist dagegen grösstentheils erweicht, und nur der Gyrus hippocampi zeigt nor- male Consistenz. Der Stammlappen ist in allen Dimensionen verkleinert und grösstentheils ödematös erweicht. Vergleichen wir diesen Befund mit dem der Rother (Fall 2), so zeigt sich darin eine Uebereinstimmung, dass bei beiden die I. Schläfewindung und deren Anastomose mit der zweiten ergriffen ist. Beide litten an sensorischer Aphasie. Sollte diese Ueberein- stimmung durch einen Zufall bedingt sein? Endlich mag noch auf Eigentümlichkeiten des Verlaufes hin- gewiesen werden, welche sich bei den verschiedenen Fällen heraus- gestellt haben. Bei der Adam (Fall 1) ist jetzt die Agraphie fast das einzige zurückgebliebene Symptom. Beckmann hingegen (Fall 3) kann jetzt fliessend schreiben, nur besteht noch hoch- gradige Alexie. Macht bei beiden, wie zu erwarten steht, die Besserung noch weitere Fortschritte, so werden sie isolirte Agraphie und Alexie darbieten, Zustände, die sich sonach als normale Sta- dien im Verlaufe der sensorischen und der Leitungsaphasie heraus- stellen würden. Buchdruckerei von Karl Prochaska in Teschen.

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Zitationshilfe: Wernicke, Carl: Der aphasische Symptomencomplex. Breslau, 1874, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wernicke_symptomencomplex_1874/76>, abgerufen am 27.04.2024.