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Wernicke, Carl: Der aphasische Symptomencomplex. Breslau, 1874.

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[sich] beide Papillen grau verfärbt, mit ganz verwaschenen Rändern
[ohne] auffallende Stauungserscheinungen, jedoch deutlich als Stadien
[der]Stauungspapillen erkennbar.

Er versteht das Meiste, was zu ihm gesprochen wird, ver-
fügt selbst über einen unbeschränkten Wortvorrath, verwechselt
aber die Wörter, ohne sich dessen bewusst zu werden. Dabei
[ist] das Sprechen vollständig articulirt, ohne mechanische Behin-
derung. Vorgehaltene Gegenstände benennt er bald richtig, bald
falsch; so nennt er die Uhr richtig Uhr, ein Messer aber auch
[Uhr]; das Messer wird nun aufgemacht und ihm wieder gezeigt,
[er] nennt es eine aufgemachte Uhr.

Das laute Lesen ist sehr characteristisch, es zeigt dieselbe
Sprachstörung, wie sie beim spontanen Sprechen hervortritt. Er
[liest] die Zeilen glatt herunter, aber setzt beliebig andere Wörter
[ein], während er doch richtig zu lesen glaubt; dadurch entsteht
[ein] unsinniges Gemisch von richtig gelesenen und falschen Wörtern.

Wie er sich zum Schreiben verhält, wurde nicht untersucht.

Auf Grund des beschriebenen Symptomencomplexes wurde
von Herrn Dr. Friedländer, dem ich die Benützung dieses Falles
verdanke, die Diagnose auf Hirnabscess in der linken Hemisphäre
gestellt. Dieselbe stützte sich ausserdem noch auf unregelmässige,
[nicht] sehr hohe, Fieberschwankungen.

Am 18. Mai liess sich eine linksseitige Pneumonie nach-
weisen, Pat. wurde soporös und starb am 21. Mai 1874.

Die Section ergab folgendes Resultat: Dura bietet nichts
Auffallendes, keine Schädelverletzung. Pia trocken, anämisch,
leicht getrübt. Die Sulci verstrichen, die Windungen an einander
gedrückt, besonders hochgradig an der linken Hemisphäre. Bei
der Herausnahme des Gehirnes Fluctuation im linken Schläfe-
lappen zu fühlen, an der basalen Fläche des Gyrus hippocampi
[zeigt] sich eine etwa groschengrosse Stelle der Gehirnsubstanz
[grün]gelb verfärbt, die Pia jedoch nicht wesentlich betheiligt. Die
linke Fossa Sylvii wird vorsichtig durch Abziehen der Pia und
der Gefässe blossgelegt. Es zeigt sich dabei, dass die einander
[zug]ekehrten Flächen der I. Schläfewindung und des Klappdeckels
sich gegenseitig in einander abgedrückt haben, so dass der Schläfe-
lappen nach aussen, der Klappdeckel nach innen mit scharfen
[Ka]nten vorspringen. Zwischen Schläfelappen und Klappdeckel
[sin]d die Inselwindungen eingeklemmt, indem die Insel mit einem
[sch]arfen Riff nach aussen vorspringt. Das ganze Stammhirn links

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[sich] beide Papillen grau verfärbt, mit ganz verwaschenen Rändern
[ohne] auffallende Stauungserscheinungen, jedoch deutlich als Stadien
[der]Stauungspapillen erkennbar.

Er versteht das Meiste, was zu ihm gesprochen wird, ver-
fügt selbst über einen unbeschränkten Wortvorrath, verwechselt
aber die Wörter, ohne sich dessen bewusst zu werden. Dabei
[ist] das Sprechen vollständig articulirt, ohne mechanische Behin-
derung. Vorgehaltene Gegenstände benennt er bald richtig, bald
falsch; so nennt er die Uhr richtig Uhr, ein Messer aber auch
[Uhr]; das Messer wird nun aufgemacht und ihm wieder gezeigt,
[er] nennt es eine aufgemachte Uhr.

Das laute Lesen ist sehr characteristisch, es zeigt dieselbe
Sprachstörung, wie sie beim spontanen Sprechen hervortritt. Er
[liest] die Zeilen glatt herunter, aber setzt beliebig andere Wörter
[ein], während er doch richtig zu lesen glaubt; dadurch entsteht
[ein] unsinniges Gemisch von richtig gelesenen und falschen Wörtern.

Wie er sich zum Schreiben verhält, wurde nicht untersucht.

Auf Grund des beschriebenen Symptomencomplexes wurde
von Herrn Dr. Friedländer, dem ich die Benützung dieses Falles
verdanke, die Diagnose auf Hirnabscess in der linken Hemisphäre
gestellt. Dieselbe stützte sich ausserdem noch auf unregelmässige,
[nicht] sehr hohe, Fieberschwankungen.

Am 18. Mai liess sich eine linksseitige Pneumonie nach-
weisen, Pat. wurde soporös und starb am 21. Mai 1874.

Die Section ergab folgendes Resultat: Dura bietet nichts
Auffallendes, keine Schädelverletzung. Pia trocken, anämisch,
leicht getrübt. Die Sulci verstrichen, die Windungen an einander
gedrückt, besonders hochgradig an der linken Hemisphäre. Bei
der Herausnahme des Gehirnes Fluctuation im linken Schläfe-
lappen zu fühlen, an der basalen Fläche des Gyrus hippocampi
[zeigt] sich eine etwa groschengrosse Stelle der Gehirnsubstanz
[grün]gelb verfärbt, die Pia jedoch nicht wesentlich betheiligt. Die
linke Fossa Sylvii wird vorsichtig durch Abziehen der Pia und
der Gefässe blossgelegt. Es zeigt sich dabei, dass die einander
[zug]ekehrten Flächen der I. Schläfewindung und des Klappdeckels
sich gegenseitig in einander abgedrückt haben, so dass der Schläfe-
lappen nach aussen, der Klappdeckel nach innen mit scharfen
[Ka]nten vorspringen. Zwischen Schläfelappen und Klappdeckel
[sin]d die Inselwindungen eingeklemmt, indem die Insel mit einem
[sch]arfen Riff nach aussen vorspringt. Das ganze Stammhirn links

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[65/0069] sich beide Papillen grau verfärbt, mit ganz verwaschenen Rändern ohne auffallende Stauungserscheinungen, jedoch deutlich als Stadien derStauungspapillen erkennbar. Er versteht das Meiste, was zu ihm gesprochen wird, ver- fügt selbst über einen unbeschränkten Wortvorrath, verwechselt aber die Wörter, ohne sich dessen bewusst zu werden. Dabei ist das Sprechen vollständig articulirt, ohne mechanische Behin- derung. Vorgehaltene Gegenstände benennt er bald richtig, bald falsch; so nennt er die Uhr richtig Uhr, ein Messer aber auch Uhr; das Messer wird nun aufgemacht und ihm wieder gezeigt, er nennt es eine aufgemachte Uhr. Das laute Lesen ist sehr characteristisch, es zeigt dieselbe Sprachstörung, wie sie beim spontanen Sprechen hervortritt. Er liest die Zeilen glatt herunter, aber setzt beliebig andere Wörter ein, während er doch richtig zu lesen glaubt; dadurch entsteht ein unsinniges Gemisch von richtig gelesenen und falschen Wörtern. Wie er sich zum Schreiben verhält, wurde nicht untersucht. Auf Grund des beschriebenen Symptomencomplexes wurde von Herrn Dr. Friedländer, dem ich die Benützung dieses Falles verdanke, die Diagnose auf Hirnabscess in der linken Hemisphäre gestellt. Dieselbe stützte sich ausserdem noch auf unregelmässige, nicht sehr hohe, Fieberschwankungen. Am 18. Mai liess sich eine linksseitige Pneumonie nach- weisen, Pat. wurde soporös und starb am 21. Mai 1874. Die Section ergab folgendes Resultat: Dura bietet nichts Auffallendes, keine Schädelverletzung. Pia trocken, anämisch, leicht getrübt. Die Sulci verstrichen, die Windungen an einander gedrückt, besonders hochgradig an der linken Hemisphäre. Bei der Herausnahme des Gehirnes Fluctuation im linken Schläfe- lappen zu fühlen, an der basalen Fläche des Gyrus hippocampi zeigt sich eine etwa groschengrosse Stelle der Gehirnsubstanz grüngelb verfärbt, die Pia jedoch nicht wesentlich betheiligt. Die linke Fossa Sylvii wird vorsichtig durch Abziehen der Pia und der Gefässe blossgelegt. Es zeigt sich dabei, dass die einander zugekehrten Flächen der I. Schläfewindung und des Klappdeckels sich gegenseitig in einander abgedrückt haben, so dass der Schläfe- lappen nach aussen, der Klappdeckel nach innen mit scharfen Kanten vorspringen. Zwischen Schläfelappen und Klappdeckel sind die Inselwindungen eingeklemmt, indem die Insel mit einem scharfen Riff nach aussen vorspringt. Das ganze Stammhirn links 5

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Zitationshilfe: Wernicke, Carl: Der aphasische Symptomencomplex. Breslau, 1874, S. 65. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/wernicke_symptomencomplex_1874/69>, abgerufen am 24.11.2024.