Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

Eine erste Seereise
hydrographischen Bestrebungen des berühmten Amerikaners Maury
verdanken, geschah es oft, daß Schiffe drei bis vier Wochen
gebrauchten, ehe sie auf ihrer östlichen Route diesen Gürtel
überwanden, während man gegenwärtig weiter westlich die Sache
in ein paar Tagen abmacht, ja, wie ich es später einmal ge-
habt, fast direct aus einem Passat in den andern segeln kann.

Wir verloren den Nordostpassat damals auf 1 Grad
Nordbreite und fanden den Südost auf 21/2 Grad Süd, aber
diese 50 Meilen wurden uns erschrecklich sauer gemacht. Wir
gebrauchten, um sie zu durchsegeln, nicht weniger als 23 Tage
und zwar fast unter beständigen Gewittern und furchtbaren
Regengüssen, von denen man sich in unserm Klima kaum einen
Begriff machen kann. Es ist dies die Folge der aufeinander
stoßenden Passate. Die mit Wasserdünsten gesättigten beiden
Luftströmungen steigen beim Zusammentreffen in die Höhe, ihr
Wasserdampf verdichtet sich in den oberen kalten Regionen und
schlägt, meistens von electrischen Entladungen begleitet, als Regen
nieder und zwar fast ohne Unterbrechung, da auch der Verdich-
tungsprozeß beständig vor sich geht.

Nach den drei Wochen bequemen, ruhigen Lebens, das
uns der Nordostpassat gebracht, empfanden wir den Contrast
höchst unbehaglich. Bis dahin waren Raaen und Segel fast
nicht gerührt, jetzt nahm das Brassen, Segelbergen und Segel-
setzen weder Tag noch Nacht ein Ende. Absolute Windstille
hatten wir nur wenige Stunden in der ganzen Zeit, bald
sprang von dieser, bald von jener Seite ein leiser Hauch auf,
der als "Katzenpfote" das Wasser kräuselte. Bisweilen dauerte
er keine Viertelstunde, aber er durfte nicht unbenutzt vorüber-
gehen und die Segel mußten nach ihm gestellt werden, wenn
er uns auch nur ein paar Schritte vorwärts brachte. Dann
wieder zog eine Gewitterbö herauf, und da man nie wissen
konnte, was darin steckte, so mußten die vielleicht eben gesetzten
Segel wieder fortgenommen werden. Da das bei einer so

R. Werner, Erinnerungen. 6

Eine erſte Seereiſe
hydrographiſchen Beſtrebungen des berühmten Amerikaners Maury
verdanken, geſchah es oft, daß Schiffe drei bis vier Wochen
gebrauchten, ehe ſie auf ihrer öſtlichen Route dieſen Gürtel
überwanden, während man gegenwärtig weiter weſtlich die Sache
in ein paar Tagen abmacht, ja, wie ich es ſpäter einmal ge-
habt, faſt direct aus einem Paſſat in den andern ſegeln kann.

Wir verloren den Nordoſtpaſſat damals auf 1 Grad
Nordbreite und fanden den Südoſt auf 2½ Grad Süd, aber
dieſe 50 Meilen wurden uns erſchrecklich ſauer gemacht. Wir
gebrauchten, um ſie zu durchſegeln, nicht weniger als 23 Tage
und zwar faſt unter beſtändigen Gewittern und furchtbaren
Regengüſſen, von denen man ſich in unſerm Klima kaum einen
Begriff machen kann. Es iſt dies die Folge der aufeinander
ſtoßenden Paſſate. Die mit Waſſerdünſten geſättigten beiden
Luftſtrömungen ſteigen beim Zuſammentreffen in die Höhe, ihr
Waſſerdampf verdichtet ſich in den oberen kalten Regionen und
ſchlägt, meiſtens von electriſchen Entladungen begleitet, als Regen
nieder und zwar faſt ohne Unterbrechung, da auch der Verdich-
tungsprozeß beſtändig vor ſich geht.

Nach den drei Wochen bequemen, ruhigen Lebens, das
uns der Nordoſtpaſſat gebracht, empfanden wir den Contraſt
höchſt unbehaglich. Bis dahin waren Raaen und Segel faſt
nicht gerührt, jetzt nahm das Braſſen, Segelbergen und Segel-
ſetzen weder Tag noch Nacht ein Ende. Abſolute Windſtille
hatten wir nur wenige Stunden in der ganzen Zeit, bald
ſprang von dieſer, bald von jener Seite ein leiſer Hauch auf,
der als „Katzenpfote“ das Waſſer kräuſelte. Bisweilen dauerte
er keine Viertelſtunde, aber er durfte nicht unbenutzt vorüber-
gehen und die Segel mußten nach ihm geſtellt werden, wenn
er uns auch nur ein paar Schritte vorwärts brachte. Dann
wieder zog eine Gewitterbö herauf, und da man nie wiſſen
konnte, was darin ſteckte, ſo mußten die vielleicht eben geſetzten
Segel wieder fortgenommen werden. Da das bei einer ſo

R. Werner, Erinnerungen. 6
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0093" n="81"/><fw place="top" type="header">Eine er&#x017F;te Seerei&#x017F;e</fw><lb/>
hydrographi&#x017F;chen Be&#x017F;trebungen des berühmten Amerikaners Maury<lb/>
verdanken, ge&#x017F;chah es oft, daß Schiffe drei bis vier Wochen<lb/>
gebrauchten, ehe &#x017F;ie auf ihrer ö&#x017F;tlichen Route die&#x017F;en Gürtel<lb/>
überwanden, während man gegenwärtig weiter we&#x017F;tlich die Sache<lb/>
in ein paar Tagen abmacht, ja, wie ich es &#x017F;päter einmal ge-<lb/>
habt, fa&#x017F;t direct aus einem Pa&#x017F;&#x017F;at in den andern &#x017F;egeln kann.</p><lb/>
        <p>Wir verloren den Nordo&#x017F;tpa&#x017F;&#x017F;at damals auf 1 Grad<lb/>
Nordbreite und fanden den Südo&#x017F;t auf 2½ Grad Süd, aber<lb/>
die&#x017F;e 50 Meilen wurden uns er&#x017F;chrecklich &#x017F;auer gemacht. Wir<lb/>
gebrauchten, um &#x017F;ie zu durch&#x017F;egeln, nicht weniger als 23 Tage<lb/>
und zwar fa&#x017F;t unter be&#x017F;tändigen Gewittern und furchtbaren<lb/>
Regengü&#x017F;&#x017F;en, von denen man &#x017F;ich in un&#x017F;erm Klima kaum einen<lb/>
Begriff machen kann. Es i&#x017F;t dies die Folge der aufeinander<lb/>
&#x017F;toßenden Pa&#x017F;&#x017F;ate. Die mit Wa&#x017F;&#x017F;erdün&#x017F;ten ge&#x017F;ättigten beiden<lb/>
Luft&#x017F;trömungen &#x017F;teigen beim Zu&#x017F;ammentreffen in die Höhe, ihr<lb/>
Wa&#x017F;&#x017F;erdampf verdichtet &#x017F;ich in den oberen kalten Regionen und<lb/>
&#x017F;chlägt, mei&#x017F;tens von electri&#x017F;chen Entladungen begleitet, als Regen<lb/>
nieder und zwar fa&#x017F;t ohne Unterbrechung, da auch der Verdich-<lb/>
tungsprozeß be&#x017F;tändig vor &#x017F;ich geht.</p><lb/>
        <p>Nach den drei Wochen bequemen, ruhigen Lebens, das<lb/>
uns der Nordo&#x017F;tpa&#x017F;&#x017F;at gebracht, empfanden wir den Contra&#x017F;t<lb/>
höch&#x017F;t unbehaglich. Bis dahin waren Raaen und Segel fa&#x017F;t<lb/>
nicht gerührt, jetzt nahm das Bra&#x017F;&#x017F;en, Segelbergen und Segel-<lb/>
&#x017F;etzen weder Tag noch Nacht ein Ende. Ab&#x017F;olute Wind&#x017F;tille<lb/>
hatten wir nur wenige Stunden in der ganzen Zeit, bald<lb/>
&#x017F;prang von die&#x017F;er, bald von jener Seite ein lei&#x017F;er Hauch auf,<lb/>
der als &#x201E;Katzenpfote&#x201C; das Wa&#x017F;&#x017F;er kräu&#x017F;elte. Bisweilen dauerte<lb/>
er keine Viertel&#x017F;tunde, aber er durfte nicht unbenutzt vorüber-<lb/>
gehen und die Segel mußten nach ihm ge&#x017F;tellt werden, wenn<lb/>
er uns auch nur ein paar Schritte vorwärts brachte. Dann<lb/>
wieder zog eine Gewitterbö herauf, und da man nie wi&#x017F;&#x017F;en<lb/>
konnte, was darin &#x017F;teckte, &#x017F;o mußten die vielleicht eben ge&#x017F;etzten<lb/>
Segel wieder fortgenommen werden. Da das bei einer &#x017F;o<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">R. <hi rendition="#g">Werner</hi>, Erinnerungen. 6</fw><lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[81/0093] Eine erſte Seereiſe hydrographiſchen Beſtrebungen des berühmten Amerikaners Maury verdanken, geſchah es oft, daß Schiffe drei bis vier Wochen gebrauchten, ehe ſie auf ihrer öſtlichen Route dieſen Gürtel überwanden, während man gegenwärtig weiter weſtlich die Sache in ein paar Tagen abmacht, ja, wie ich es ſpäter einmal ge- habt, faſt direct aus einem Paſſat in den andern ſegeln kann. Wir verloren den Nordoſtpaſſat damals auf 1 Grad Nordbreite und fanden den Südoſt auf 2½ Grad Süd, aber dieſe 50 Meilen wurden uns erſchrecklich ſauer gemacht. Wir gebrauchten, um ſie zu durchſegeln, nicht weniger als 23 Tage und zwar faſt unter beſtändigen Gewittern und furchtbaren Regengüſſen, von denen man ſich in unſerm Klima kaum einen Begriff machen kann. Es iſt dies die Folge der aufeinander ſtoßenden Paſſate. Die mit Waſſerdünſten geſättigten beiden Luftſtrömungen ſteigen beim Zuſammentreffen in die Höhe, ihr Waſſerdampf verdichtet ſich in den oberen kalten Regionen und ſchlägt, meiſtens von electriſchen Entladungen begleitet, als Regen nieder und zwar faſt ohne Unterbrechung, da auch der Verdich- tungsprozeß beſtändig vor ſich geht. Nach den drei Wochen bequemen, ruhigen Lebens, das uns der Nordoſtpaſſat gebracht, empfanden wir den Contraſt höchſt unbehaglich. Bis dahin waren Raaen und Segel faſt nicht gerührt, jetzt nahm das Braſſen, Segelbergen und Segel- ſetzen weder Tag noch Nacht ein Ende. Abſolute Windſtille hatten wir nur wenige Stunden in der ganzen Zeit, bald ſprang von dieſer, bald von jener Seite ein leiſer Hauch auf, der als „Katzenpfote“ das Waſſer kräuſelte. Bisweilen dauerte er keine Viertelſtunde, aber er durfte nicht unbenutzt vorüber- gehen und die Segel mußten nach ihm geſtellt werden, wenn er uns auch nur ein paar Schritte vorwärts brachte. Dann wieder zog eine Gewitterbö herauf, und da man nie wiſſen konnte, was darin ſteckte, ſo mußten die vielleicht eben geſetzten Segel wieder fortgenommen werden. Da das bei einer ſo R. Werner, Erinnerungen. 6

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/93
Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 81. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/93>, abgerufen am 22.11.2024.