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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Eine erste Seereise

Als wir die Cap Verdischen Inseln passirt hatten, fanden
wir eines Morgens merkwürdiger Weise unsere Segel sämmtlich
blaßroth gefärbt und bei näherer Untersuchung auch das ganze
Schiff mit einer feinen Schicht röthlichen Sandstaubes belegt.
Am andern Tage war die ganze Wasseroberfläche, so wie auch
die Takelage und das Deck mit Heuschrecken bedeckt, so daß wir
die völlig ermatteten Thiere haufenweis zusammenfegen und
unsern Schweinen zu einem leckeren Mahle verhelfen konnten.
Auf meine wißbegierigen Fragen belehrte mich der Kapitän, daß
sowohl Sand, wie Heuschrecken von der afrikanischen Küste
stammten, wahrscheinlich durch einen der dort heimischen gewalt-
samen Stürme (Tornado) vom Lande auf das Meer geführt
und dann von dem Passatwinde weiter getragen würden.

Auch eine Menge kleiner Landvögel ließ sich erschöpft auf
dem Schiffe nieder und wir griffen verschiedene von ihnen, die
wir jedoch leider nicht erhalten konnten, da uns das Futter für
sie fehlte, und so gingen die armen Thierchen, die ohne Nahrung
bereits eine Reise von 150 Meilen gemacht hatten, zu Grunde.

In dieser Gegend sahen wir nach längerer Zeit auch wieder
ein Schiff. Es kam von der afrikanischen Küste herüber, steuerte
westwärts und passirte uns ziemlich nahe. Wenn man sonst
auf langen Reisen einem Schiff begegnet, so ist das immer
ein freudiges Ereigniß, an dem Jeder an Bord den lebhaftesten
Antheil nimmt. Man zeigt die Flagge und sendet sich gegen-
seitig durch Auf- und Niederziehen derselben einen stummen
Gruß. Wenn es die Witterung erlaubt, fährt man ganz nahe
an einander vorbei, um mündlich einige Worte mit einander
zu wechseln, wenn sich die gegenseitigen Fragen auch meistens
nur auf das "Woher" und "Wohin", auf die Dauer der Reise
und die geographische Länge beziehen. Fast immer aber ist ein
solches Begegnen auf dem weiten Ocean eine Abwechselung, die
das einförmige Leben an Bord angenehm unterbricht.

Hier war es jedoch nicht der Fall, im Gegentheil

Eine erſte Seereiſe

Als wir die Cap Verdiſchen Inſeln paſſirt hatten, fanden
wir eines Morgens merkwürdiger Weiſe unſere Segel ſämmtlich
blaßroth gefärbt und bei näherer Unterſuchung auch das ganze
Schiff mit einer feinen Schicht röthlichen Sandſtaubes belegt.
Am andern Tage war die ganze Waſſeroberfläche, ſo wie auch
die Takelage und das Deck mit Heuſchrecken bedeckt, ſo daß wir
die völlig ermatteten Thiere haufenweis zuſammenfegen und
unſern Schweinen zu einem leckeren Mahle verhelfen konnten.
Auf meine wißbegierigen Fragen belehrte mich der Kapitän, daß
ſowohl Sand, wie Heuſchrecken von der afrikaniſchen Küſte
ſtammten, wahrſcheinlich durch einen der dort heimiſchen gewalt-
ſamen Stürme (Tornado) vom Lande auf das Meer geführt
und dann von dem Paſſatwinde weiter getragen würden.

Auch eine Menge kleiner Landvögel ließ ſich erſchöpft auf
dem Schiffe nieder und wir griffen verſchiedene von ihnen, die
wir jedoch leider nicht erhalten konnten, da uns das Futter für
ſie fehlte, und ſo gingen die armen Thierchen, die ohne Nahrung
bereits eine Reiſe von 150 Meilen gemacht hatten, zu Grunde.

In dieſer Gegend ſahen wir nach längerer Zeit auch wieder
ein Schiff. Es kam von der afrikaniſchen Küſte herüber, ſteuerte
weſtwärts und paſſirte uns ziemlich nahe. Wenn man ſonſt
auf langen Reiſen einem Schiff begegnet, ſo iſt das immer
ein freudiges Ereigniß, an dem Jeder an Bord den lebhafteſten
Antheil nimmt. Man zeigt die Flagge und ſendet ſich gegen-
ſeitig durch Auf- und Niederziehen derſelben einen ſtummen
Gruß. Wenn es die Witterung erlaubt, fährt man ganz nahe
an einander vorbei, um mündlich einige Worte mit einander
zu wechſeln, wenn ſich die gegenſeitigen Fragen auch meiſtens
nur auf das „Woher“ und „Wohin“, auf die Dauer der Reiſe
und die geographiſche Länge beziehen. Faſt immer aber iſt ein
ſolches Begegnen auf dem weiten Ocean eine Abwechſelung, die
das einförmige Leben an Bord angenehm unterbricht.

Hier war es jedoch nicht der Fall, im Gegentheil

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[71/0083] Eine erſte Seereiſe Als wir die Cap Verdiſchen Inſeln paſſirt hatten, fanden wir eines Morgens merkwürdiger Weiſe unſere Segel ſämmtlich blaßroth gefärbt und bei näherer Unterſuchung auch das ganze Schiff mit einer feinen Schicht röthlichen Sandſtaubes belegt. Am andern Tage war die ganze Waſſeroberfläche, ſo wie auch die Takelage und das Deck mit Heuſchrecken bedeckt, ſo daß wir die völlig ermatteten Thiere haufenweis zuſammenfegen und unſern Schweinen zu einem leckeren Mahle verhelfen konnten. Auf meine wißbegierigen Fragen belehrte mich der Kapitän, daß ſowohl Sand, wie Heuſchrecken von der afrikaniſchen Küſte ſtammten, wahrſcheinlich durch einen der dort heimiſchen gewalt- ſamen Stürme (Tornado) vom Lande auf das Meer geführt und dann von dem Paſſatwinde weiter getragen würden. Auch eine Menge kleiner Landvögel ließ ſich erſchöpft auf dem Schiffe nieder und wir griffen verſchiedene von ihnen, die wir jedoch leider nicht erhalten konnten, da uns das Futter für ſie fehlte, und ſo gingen die armen Thierchen, die ohne Nahrung bereits eine Reiſe von 150 Meilen gemacht hatten, zu Grunde. In dieſer Gegend ſahen wir nach längerer Zeit auch wieder ein Schiff. Es kam von der afrikaniſchen Küſte herüber, ſteuerte weſtwärts und paſſirte uns ziemlich nahe. Wenn man ſonſt auf langen Reiſen einem Schiff begegnet, ſo iſt das immer ein freudiges Ereigniß, an dem Jeder an Bord den lebhafteſten Antheil nimmt. Man zeigt die Flagge und ſendet ſich gegen- ſeitig durch Auf- und Niederziehen derſelben einen ſtummen Gruß. Wenn es die Witterung erlaubt, fährt man ganz nahe an einander vorbei, um mündlich einige Worte mit einander zu wechſeln, wenn ſich die gegenſeitigen Fragen auch meiſtens nur auf das „Woher“ und „Wohin“, auf die Dauer der Reiſe und die geographiſche Länge beziehen. Faſt immer aber iſt ein ſolches Begegnen auf dem weiten Ocean eine Abwechſelung, die das einförmige Leben an Bord angenehm unterbricht. Hier war es jedoch nicht der Fall, im Gegentheil

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 71. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/83>, abgerufen am 03.05.2024.