Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

Werner
Wellen hatten nachgrade unsern ganzen Kleidervorrath durchnäßt,
ohne daß sich Gelegenheit bot, denselben wieder zu trocknen und
auch unser Bettzeug war klamm und feucht. Da empfanden
wir denn die warme Sonne und den trockenen Wind außer-
ordentlich wohlthuend und suchten von beiden nach Kräften zu
profitiren. In jeder Luke wurden Windsäcke aufgeheißt, um
die schöne frische Luft durch das ganze Schiff streichen zu lassen,
und das Oberdeck war in einen Trockenboden verwandelt. Man
sah nur vergnügte Gesichter, und Scherze, wenngleich oft derber
Art, flogen hin und her, denn auch auf das Gemüth übte das
so lang entbehrte schöne Wetter günstigen Einfluß. Am Nach-
mittage wurde es ziemlich still, doch erwuchs uns dadurch eine
angenehme Abwechselung, daß wir zwei Schildkröten fingen.
In dieser Gegend, vor dem Eingange zum Mittelmeer, begegnet
man ihnen häufig und wenn Windstille eintritt, kann man bei
einiger Geschicklichkeit ihrer leicht habhaft werden. In allem,
was Fischerei anbetraf, zeigte sich unser alter Bootsmann als
Meister; Harpunen, Elger*, Angeln und Netze jeder Art waren
in bester Ordnung und zu sofortigem Gebrauche bereit. Seine
langen Erfahrungen auf diesem Gebiete setzten ihn in den Stand,
Alles auf's zweckmäßigste einzurichten und seiner großen Geschick-
lichkeit entging selten ein Fang auf den er Jagd machte. Bei
Instandsetzung der Fischereigeräthschaften mußte ich ihm meistens
helfen; er zeigte mir dann die Handgriffe und belehrte mich,
wie dieser oder jener Fisch am besten zu erlegen sei, was mir
später sehr zu statten kam.

Als wir die erste Schildkröte in Sicht bekommen hatten,
wurde scharf nach anderen ausgesehen und alles bereit gehalten.
Es dauerte auch nicht lange, da kamen eine zweite und dritte
angetrieben und zwar Beide von ziemlicher Größe. Durch

* Harpunen zum Fang kleinerer Fische. Sie sind mit 6--9 Wider-
haken versehen.

Werner
Wellen hatten nachgrade unſern ganzen Kleidervorrath durchnäßt,
ohne daß ſich Gelegenheit bot, denſelben wieder zu trocknen und
auch unſer Bettzeug war klamm und feucht. Da empfanden
wir denn die warme Sonne und den trockenen Wind außer-
ordentlich wohlthuend und ſuchten von beiden nach Kräften zu
profitiren. In jeder Luke wurden Windſäcke aufgeheißt, um
die ſchöne friſche Luft durch das ganze Schiff ſtreichen zu laſſen,
und das Oberdeck war in einen Trockenboden verwandelt. Man
ſah nur vergnügte Geſichter, und Scherze, wenngleich oft derber
Art, flogen hin und her, denn auch auf das Gemüth übte das
ſo lang entbehrte ſchöne Wetter günſtigen Einfluß. Am Nach-
mittage wurde es ziemlich ſtill, doch erwuchs uns dadurch eine
angenehme Abwechſelung, daß wir zwei Schildkröten fingen.
In dieſer Gegend, vor dem Eingange zum Mittelmeer, begegnet
man ihnen häufig und wenn Windſtille eintritt, kann man bei
einiger Geſchicklichkeit ihrer leicht habhaft werden. In allem,
was Fiſcherei anbetraf, zeigte ſich unſer alter Bootsmann als
Meiſter; Harpunen, Elger*, Angeln und Netze jeder Art waren
in beſter Ordnung und zu ſofortigem Gebrauche bereit. Seine
langen Erfahrungen auf dieſem Gebiete ſetzten ihn in den Stand,
Alles auf’s zweckmäßigſte einzurichten und ſeiner großen Geſchick-
lichkeit entging ſelten ein Fang auf den er Jagd machte. Bei
Inſtandſetzung der Fiſchereigeräthſchaften mußte ich ihm meiſtens
helfen; er zeigte mir dann die Handgriffe und belehrte mich,
wie dieſer oder jener Fiſch am beſten zu erlegen ſei, was mir
ſpäter ſehr zu ſtatten kam.

Als wir die erſte Schildkröte in Sicht bekommen hatten,
wurde ſcharf nach anderen ausgeſehen und alles bereit gehalten.
Es dauerte auch nicht lange, da kamen eine zweite und dritte
angetrieben und zwar Beide von ziemlicher Größe. Durch

* Harpunen zum Fang kleinerer Fiſche. Sie ſind mit 6—9 Wider-
haken verſehen.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0060" n="48"/><fw place="top" type="header">Werner</fw><lb/>
Wellen hatten nachgrade un&#x017F;ern ganzen Kleidervorrath durchnäßt,<lb/>
ohne daß &#x017F;ich Gelegenheit bot, den&#x017F;elben wieder zu trocknen und<lb/>
auch un&#x017F;er Bettzeug war klamm und feucht. Da empfanden<lb/>
wir denn die warme Sonne und den trockenen Wind außer-<lb/>
ordentlich wohlthuend und &#x017F;uchten von beiden nach Kräften zu<lb/>
profitiren. In jeder Luke wurden Wind&#x017F;äcke aufgeheißt, um<lb/>
die &#x017F;chöne fri&#x017F;che Luft durch das ganze Schiff &#x017F;treichen zu la&#x017F;&#x017F;en,<lb/>
und das Oberdeck war in einen Trockenboden verwandelt. Man<lb/>
&#x017F;ah nur vergnügte Ge&#x017F;ichter, und Scherze, wenngleich oft derber<lb/>
Art, flogen hin und her, denn auch auf das Gemüth übte das<lb/>
&#x017F;o lang entbehrte &#x017F;chöne Wetter gün&#x017F;tigen Einfluß. Am Nach-<lb/>
mittage wurde es ziemlich &#x017F;till, doch erwuchs uns dadurch eine<lb/>
angenehme Abwech&#x017F;elung, daß wir zwei Schildkröten fingen.<lb/>
In die&#x017F;er Gegend, vor dem Eingange zum Mittelmeer, begegnet<lb/>
man ihnen häufig und wenn Wind&#x017F;tille eintritt, kann man bei<lb/>
einiger Ge&#x017F;chicklichkeit ihrer leicht habhaft werden. In allem,<lb/>
was Fi&#x017F;cherei anbetraf, zeigte &#x017F;ich un&#x017F;er alter Bootsmann als<lb/>
Mei&#x017F;ter; Harpunen, Elger<note place="foot" n="*">Harpunen zum Fang kleinerer Fi&#x017F;che. Sie &#x017F;ind mit 6&#x2014;9 Wider-<lb/>
haken ver&#x017F;ehen.</note>, Angeln und Netze jeder Art waren<lb/>
in be&#x017F;ter Ordnung und zu &#x017F;ofortigem Gebrauche bereit. Seine<lb/>
langen Erfahrungen auf die&#x017F;em Gebiete &#x017F;etzten ihn in den Stand,<lb/>
Alles auf&#x2019;s zweckmäßig&#x017F;te einzurichten und &#x017F;einer großen Ge&#x017F;chick-<lb/>
lichkeit entging &#x017F;elten ein Fang auf den er Jagd machte. Bei<lb/>
In&#x017F;tand&#x017F;etzung der Fi&#x017F;chereigeräth&#x017F;chaften mußte ich ihm mei&#x017F;tens<lb/>
helfen; er zeigte mir dann die Handgriffe und belehrte mich,<lb/>
wie die&#x017F;er oder jener Fi&#x017F;ch am be&#x017F;ten zu erlegen &#x017F;ei, was mir<lb/>
&#x017F;päter &#x017F;ehr zu &#x017F;tatten kam.</p><lb/>
        <p>Als wir die er&#x017F;te Schildkröte in Sicht bekommen hatten,<lb/>
wurde &#x017F;charf nach anderen ausge&#x017F;ehen und alles bereit gehalten.<lb/>
Es dauerte auch nicht lange, da kamen eine zweite und dritte<lb/>
angetrieben und zwar Beide von ziemlicher Größe. Durch<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[48/0060] Werner Wellen hatten nachgrade unſern ganzen Kleidervorrath durchnäßt, ohne daß ſich Gelegenheit bot, denſelben wieder zu trocknen und auch unſer Bettzeug war klamm und feucht. Da empfanden wir denn die warme Sonne und den trockenen Wind außer- ordentlich wohlthuend und ſuchten von beiden nach Kräften zu profitiren. In jeder Luke wurden Windſäcke aufgeheißt, um die ſchöne friſche Luft durch das ganze Schiff ſtreichen zu laſſen, und das Oberdeck war in einen Trockenboden verwandelt. Man ſah nur vergnügte Geſichter, und Scherze, wenngleich oft derber Art, flogen hin und her, denn auch auf das Gemüth übte das ſo lang entbehrte ſchöne Wetter günſtigen Einfluß. Am Nach- mittage wurde es ziemlich ſtill, doch erwuchs uns dadurch eine angenehme Abwechſelung, daß wir zwei Schildkröten fingen. In dieſer Gegend, vor dem Eingange zum Mittelmeer, begegnet man ihnen häufig und wenn Windſtille eintritt, kann man bei einiger Geſchicklichkeit ihrer leicht habhaft werden. In allem, was Fiſcherei anbetraf, zeigte ſich unſer alter Bootsmann als Meiſter; Harpunen, Elger *, Angeln und Netze jeder Art waren in beſter Ordnung und zu ſofortigem Gebrauche bereit. Seine langen Erfahrungen auf dieſem Gebiete ſetzten ihn in den Stand, Alles auf’s zweckmäßigſte einzurichten und ſeiner großen Geſchick- lichkeit entging ſelten ein Fang auf den er Jagd machte. Bei Inſtandſetzung der Fiſchereigeräthſchaften mußte ich ihm meiſtens helfen; er zeigte mir dann die Handgriffe und belehrte mich, wie dieſer oder jener Fiſch am beſten zu erlegen ſei, was mir ſpäter ſehr zu ſtatten kam. Als wir die erſte Schildkröte in Sicht bekommen hatten, wurde ſcharf nach anderen ausgeſehen und alles bereit gehalten. Es dauerte auch nicht lange, da kamen eine zweite und dritte angetrieben und zwar Beide von ziemlicher Größe. Durch * Harpunen zum Fang kleinerer Fiſche. Sie ſind mit 6—9 Wider- haken verſehen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/60
Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 48. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/60>, abgerufen am 03.05.2024.