gegen internationale Gesetze zu handeln und keinen Deutschen zu schädigen. Dennoch sei zwei Tage danach die offene Stadt Al- meria von ihm bombardirt worden und Malaga dasselbe Schick- sal zugedacht gewesen. Nach diesen Erfahrungen könne ich meine Landsleute nur dadurch gegen Wiederkehr solcher völker- rechtswidrigen Maßregeln schützen, daß ich ihn bis auf weiteres als Geißel zurückbehielte.
Contreras protestirte sehr heftig gegen meine Anordnungen, nannte sich das Oberhaupt und den Repräsentanten Spaniens und zeigte sich ungemein hochfahrend. Ich nahm jedoch weiter keine Notiz von seinem Verhalten, das sich übrigens sehr bald von selbst änderte. Gegen sieben Uhr kam nämlich die "Vic- toria" in Sicht, und wenn ich auch nach den gemachten Er- fahrungen keine Gegenwehr erwartete, ließ ich doch aus Vorsicht den "Friedrich Karl" wieder klar zum Gefecht machen. Als nun der Generalmarsch ertönte, die Mannschaften auf ihre Stationen eilten, die schweren Granaten in unmittelbarer Nähe des Generals auf den Geschoßkarren zu den Geschützen ge- fahren wurden, schwand auf einmal seine bis dahin zur Schau getragene sittliche Entrüstung. Trotz seiner Unbehülflichkeit, sprang er sehr lebhaft von dem Stuhle auf und bat mich sehr dringend, an Bord der "Almansa" fahren zu dürfen, um der "Victoria" Signal zu geben, daß sie nicht feuere. Obwol ich nun diese Besorgniß keineswegs theilte und den Intransigenten nicht den Muth zutraute, den ihr Vorgesetzter dämpfen zu müssen glaubte, so gestattete ich dennoch das Ansuchen des Generals, nachdem er mir -- und zwar ohne von mir dazu veranlaßt zu sein -- freiwillig sein Ehrenwort gegeben hatte, nach Aus- führung des Signals sofort wieder zurückzukehren. Das Signal wurde gemacht, nach vieler Mühe auf der "Victoria" ver- standen und diese heißte eine weiße Flagge, d. h. sie sprach die Bitte aus, keine Feindseligkeiten gegen sie zu eröffnen. Um
R. Werner, Erinnerungen. 26
Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
gegen internationale Geſetze zu handeln und keinen Deutſchen zu ſchädigen. Dennoch ſei zwei Tage danach die offene Stadt Al- meria von ihm bombardirt worden und Malaga daſſelbe Schick- ſal zugedacht geweſen. Nach dieſen Erfahrungen könne ich meine Landsleute nur dadurch gegen Wiederkehr ſolcher völker- rechtswidrigen Maßregeln ſchützen, daß ich ihn bis auf weiteres als Geißel zurückbehielte.
Contreras proteſtirte ſehr heftig gegen meine Anordnungen, nannte ſich das Oberhaupt und den Repräſentanten Spaniens und zeigte ſich ungemein hochfahrend. Ich nahm jedoch weiter keine Notiz von ſeinem Verhalten, das ſich übrigens ſehr bald von ſelbſt änderte. Gegen ſieben Uhr kam nämlich die „Vic- toria“ in Sicht, und wenn ich auch nach den gemachten Er- fahrungen keine Gegenwehr erwartete, ließ ich doch aus Vorſicht den „Friedrich Karl“ wieder klar zum Gefecht machen. Als nun der Generalmarſch ertönte, die Mannſchaften auf ihre Stationen eilten, die ſchweren Granaten in unmittelbarer Nähe des Generals auf den Geſchoßkarren zu den Geſchützen ge- fahren wurden, ſchwand auf einmal ſeine bis dahin zur Schau getragene ſittliche Entrüſtung. Trotz ſeiner Unbehülflichkeit, ſprang er ſehr lebhaft von dem Stuhle auf und bat mich ſehr dringend, an Bord der „Almanſa“ fahren zu dürfen, um der „Victoria“ Signal zu geben, daß ſie nicht feuere. Obwol ich nun dieſe Beſorgniß keineswegs theilte und den Intranſigenten nicht den Muth zutraute, den ihr Vorgeſetzter dämpfen zu müſſen glaubte, ſo geſtattete ich dennoch das Anſuchen des Generals, nachdem er mir — und zwar ohne von mir dazu veranlaßt zu ſein — freiwillig ſein Ehrenwort gegeben hatte, nach Aus- führung des Signals ſofort wieder zurückzukehren. Das Signal wurde gemacht, nach vieler Mühe auf der „Victoria“ ver- ſtanden und dieſe heißte eine weiße Flagge, d. h. ſie ſprach die Bitte aus, keine Feindſeligkeiten gegen ſie zu eröffnen. Um
R. Werner, Erinnerungen. 26
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[401/0413]
Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
gegen internationale Geſetze zu handeln und keinen Deutſchen zu
ſchädigen. Dennoch ſei zwei Tage danach die offene Stadt Al-
meria von ihm bombardirt worden und Malaga daſſelbe Schick-
ſal zugedacht geweſen. Nach dieſen Erfahrungen könne ich
meine Landsleute nur dadurch gegen Wiederkehr ſolcher völker-
rechtswidrigen Maßregeln ſchützen, daß ich ihn bis auf weiteres
als Geißel zurückbehielte.
Contreras proteſtirte ſehr heftig gegen meine Anordnungen,
nannte ſich das Oberhaupt und den Repräſentanten Spaniens
und zeigte ſich ungemein hochfahrend. Ich nahm jedoch weiter
keine Notiz von ſeinem Verhalten, das ſich übrigens ſehr bald
von ſelbſt änderte. Gegen ſieben Uhr kam nämlich die „Vic-
toria“ in Sicht, und wenn ich auch nach den gemachten Er-
fahrungen keine Gegenwehr erwartete, ließ ich doch aus Vorſicht
den „Friedrich Karl“ wieder klar zum Gefecht machen. Als
nun der Generalmarſch ertönte, die Mannſchaften auf ihre
Stationen eilten, die ſchweren Granaten in unmittelbarer Nähe
des Generals auf den Geſchoßkarren zu den Geſchützen ge-
fahren wurden, ſchwand auf einmal ſeine bis dahin zur Schau
getragene ſittliche Entrüſtung. Trotz ſeiner Unbehülflichkeit,
ſprang er ſehr lebhaft von dem Stuhle auf und bat mich ſehr
dringend, an Bord der „Almanſa“ fahren zu dürfen, um der
„Victoria“ Signal zu geben, daß ſie nicht feuere. Obwol ich
nun dieſe Beſorgniß keineswegs theilte und den Intranſigenten
nicht den Muth zutraute, den ihr Vorgeſetzter dämpfen zu müſſen
glaubte, ſo geſtattete ich dennoch das Anſuchen des Generals,
nachdem er mir — und zwar ohne von mir dazu veranlaßt
zu ſein — freiwillig ſein Ehrenwort gegeben hatte, nach Aus-
führung des Signals ſofort wieder zurückzukehren. Das Signal
wurde gemacht, nach vieler Mühe auf der „Victoria“ ver-
ſtanden und dieſe heißte eine weiße Flagge, d. h. ſie ſprach
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 401. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/413>, abgerufen am 16.02.2025.
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