Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

Werner
wachen und nicht zu dulden, daß sie Gewaltacte gegen spanische
Küstenstädte begingen, wodurch deutsche Interessen gefährdet
werden könnten.

Abends am 28. verließen die beiden Schiffe Cartagena.
Contreras hatte sich mit seinem Stabe und einem Deputirten
der föderalistischen Minorität der Cortes, dem Advocaten Torre,
auf der "Almansa" eingeschifft und auf ihr die Admiralsflagge
geheißt. Der Canton Murcia oder vielmehr alle föderalistischen
Parteien copirten nämlich auch in allen Aeußerlichkeiten die
französische Revolution von 1789. So wurde z. B. in den
Städten, wo sie die Herrschaft erhielten oder zu erhalten glaub-
ten, sofort ein Wohlfahrtsausschuß gebildet und den Militärbe-
fehlshabern ein Mitglied desselben als ad latus, d. h. zur
Ueberwachung beigegeben. Bei Contreras versah der genannte
Torre diesen Vertrauensposten.

Bei dem Auslaufen der Schiffe besäumten Tausende und
aber Tausende von Zuschauern das Ufer und gaben ihnen unter
donnernden Hurrahrufen und Musik das Geleit.

Um ihre Herrschaft zu festigen, bedurften die Intransigenten
vor allen Dingen einer Ausbreitung ihrer Machtsphäre und
materieller Mittel, deren Mangel sich bereits sehr fühlbar machte.
Die reichen Seestädte waren nach beiden Richtungen hin sehr
begehrenswerthe Objecte. Mit Hülfe der großen Kriegsschiffe,
denen die Regierung von Madrid zur Zeit nichts entgegenzu-
stellen hatte, ließen sich diese Städte, in denen sich überall mehr
oder minder zahlreiche Communistenparteien befanden, nach An-
sicht der Cantonalisten leicht bewältigen, während der Mangel
einer Militärmacht zu Lande eine solche Offensive ausschloß.
Das lebhafte Interesse, welches die Cartagener an dem Aus-
laufen der Schiffe nahmen, war deshalb sehr erklärlich. Letztere
bildeten die Hauptstärke der Revolution und konnten allein die
Mittel schaffen, um diese zu nähren; ohne die Schiffe mußte
sie bald zusammenbrechen.


Werner
wachen und nicht zu dulden, daß ſie Gewaltacte gegen ſpaniſche
Küſtenſtädte begingen, wodurch deutſche Intereſſen gefährdet
werden könnten.

Abends am 28. verließen die beiden Schiffe Cartagena.
Contreras hatte ſich mit ſeinem Stabe und einem Deputirten
der föderaliſtiſchen Minorität der Cortes, dem Advocaten Torre,
auf der „Almanſa“ eingeſchifft und auf ihr die Admiralsflagge
geheißt. Der Canton Murcia oder vielmehr alle föderaliſtiſchen
Parteien copirten nämlich auch in allen Aeußerlichkeiten die
franzöſiſche Revolution von 1789. So wurde z. B. in den
Städten, wo ſie die Herrſchaft erhielten oder zu erhalten glaub-
ten, ſofort ein Wohlfahrtsausſchuß gebildet und den Militärbe-
fehlshabern ein Mitglied deſſelben als ad latus, d. h. zur
Ueberwachung beigegeben. Bei Contreras verſah der genannte
Torre dieſen Vertrauenspoſten.

Bei dem Auslaufen der Schiffe beſäumten Tauſende und
aber Tauſende von Zuſchauern das Ufer und gaben ihnen unter
donnernden Hurrahrufen und Muſik das Geleit.

Um ihre Herrſchaft zu feſtigen, bedurften die Intranſigenten
vor allen Dingen einer Ausbreitung ihrer Machtſphäre und
materieller Mittel, deren Mangel ſich bereits ſehr fühlbar machte.
Die reichen Seeſtädte waren nach beiden Richtungen hin ſehr
begehrenswerthe Objecte. Mit Hülfe der großen Kriegsſchiffe,
denen die Regierung von Madrid zur Zeit nichts entgegenzu-
ſtellen hatte, ließen ſich dieſe Städte, in denen ſich überall mehr
oder minder zahlreiche Communiſtenparteien befanden, nach An-
ſicht der Cantonaliſten leicht bewältigen, während der Mangel
einer Militärmacht zu Lande eine ſolche Offenſive ausſchloß.
Das lebhafte Intereſſe, welches die Cartagener an dem Aus-
laufen der Schiffe nahmen, war deshalb ſehr erklärlich. Letztere
bildeten die Hauptſtärke der Revolution und konnten allein die
Mittel ſchaffen, um dieſe zu nähren; ohne die Schiffe mußte
ſie bald zuſammenbrechen.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0408" n="396"/><fw place="top" type="header">Werner</fw><lb/>
wachen und nicht zu dulden, daß &#x017F;ie Gewaltacte gegen &#x017F;pani&#x017F;che<lb/>&#x017F;ten&#x017F;tädte begingen, wodurch deut&#x017F;che Intere&#x017F;&#x017F;en gefährdet<lb/>
werden könnten.</p><lb/>
        <p>Abends am 28. verließen die beiden Schiffe Cartagena.<lb/>
Contreras hatte &#x017F;ich mit &#x017F;einem Stabe und einem Deputirten<lb/>
der föderali&#x017F;ti&#x017F;chen Minorität der Cortes, dem Advocaten Torre,<lb/>
auf der &#x201E;Alman&#x017F;a&#x201C; einge&#x017F;chifft und auf ihr die Admiralsflagge<lb/>
geheißt. Der Canton Murcia oder vielmehr alle föderali&#x017F;ti&#x017F;chen<lb/>
Parteien copirten nämlich auch in allen Aeußerlichkeiten die<lb/>
franzö&#x017F;i&#x017F;che Revolution von 1789. So wurde z. B. in den<lb/>
Städten, wo &#x017F;ie die Herr&#x017F;chaft erhielten oder zu erhalten glaub-<lb/>
ten, &#x017F;ofort ein Wohlfahrtsaus&#x017F;chuß gebildet und den Militärbe-<lb/>
fehlshabern ein Mitglied de&#x017F;&#x017F;elben als <hi rendition="#aq">ad latus,</hi> d. h. zur<lb/>
Ueberwachung beigegeben. Bei Contreras ver&#x017F;ah der genannte<lb/>
Torre die&#x017F;en Vertrauenspo&#x017F;ten.</p><lb/>
        <p>Bei dem Auslaufen der Schiffe be&#x017F;äumten Tau&#x017F;ende und<lb/>
aber Tau&#x017F;ende von Zu&#x017F;chauern das Ufer und gaben ihnen unter<lb/>
donnernden Hurrahrufen und Mu&#x017F;ik das Geleit.</p><lb/>
        <p>Um ihre Herr&#x017F;chaft zu fe&#x017F;tigen, bedurften die Intran&#x017F;igenten<lb/>
vor allen Dingen einer Ausbreitung ihrer Macht&#x017F;phäre und<lb/>
materieller Mittel, deren Mangel &#x017F;ich bereits &#x017F;ehr fühlbar machte.<lb/>
Die reichen See&#x017F;tädte waren nach beiden Richtungen hin &#x017F;ehr<lb/>
begehrenswerthe Objecte. Mit Hülfe der großen Kriegs&#x017F;chiffe,<lb/>
denen die Regierung von Madrid zur Zeit nichts entgegenzu-<lb/>
&#x017F;tellen hatte, ließen &#x017F;ich die&#x017F;e Städte, in denen &#x017F;ich überall mehr<lb/>
oder minder zahlreiche Communi&#x017F;tenparteien befanden, nach An-<lb/>
&#x017F;icht der Cantonali&#x017F;ten leicht bewältigen, während der Mangel<lb/>
einer Militärmacht zu Lande eine &#x017F;olche Offen&#x017F;ive aus&#x017F;chloß.<lb/>
Das lebhafte Intere&#x017F;&#x017F;e, welches die Cartagener an dem Aus-<lb/>
laufen der Schiffe nahmen, war deshalb &#x017F;ehr erklärlich. Letztere<lb/>
bildeten die Haupt&#x017F;tärke der Revolution und konnten allein die<lb/>
Mittel &#x017F;chaffen, um die&#x017F;e zu nähren; ohne die Schiffe mußte<lb/>
&#x017F;ie bald zu&#x017F;ammenbrechen.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[396/0408] Werner wachen und nicht zu dulden, daß ſie Gewaltacte gegen ſpaniſche Küſtenſtädte begingen, wodurch deutſche Intereſſen gefährdet werden könnten. Abends am 28. verließen die beiden Schiffe Cartagena. Contreras hatte ſich mit ſeinem Stabe und einem Deputirten der föderaliſtiſchen Minorität der Cortes, dem Advocaten Torre, auf der „Almanſa“ eingeſchifft und auf ihr die Admiralsflagge geheißt. Der Canton Murcia oder vielmehr alle föderaliſtiſchen Parteien copirten nämlich auch in allen Aeußerlichkeiten die franzöſiſche Revolution von 1789. So wurde z. B. in den Städten, wo ſie die Herrſchaft erhielten oder zu erhalten glaub- ten, ſofort ein Wohlfahrtsausſchuß gebildet und den Militärbe- fehlshabern ein Mitglied deſſelben als ad latus, d. h. zur Ueberwachung beigegeben. Bei Contreras verſah der genannte Torre dieſen Vertrauenspoſten. Bei dem Auslaufen der Schiffe beſäumten Tauſende und aber Tauſende von Zuſchauern das Ufer und gaben ihnen unter donnernden Hurrahrufen und Muſik das Geleit. Um ihre Herrſchaft zu feſtigen, bedurften die Intranſigenten vor allen Dingen einer Ausbreitung ihrer Machtſphäre und materieller Mittel, deren Mangel ſich bereits ſehr fühlbar machte. Die reichen Seeſtädte waren nach beiden Richtungen hin ſehr begehrenswerthe Objecte. Mit Hülfe der großen Kriegsſchiffe, denen die Regierung von Madrid zur Zeit nichts entgegenzu- ſtellen hatte, ließen ſich dieſe Städte, in denen ſich überall mehr oder minder zahlreiche Communiſtenparteien befanden, nach An- ſicht der Cantonaliſten leicht bewältigen, während der Mangel einer Militärmacht zu Lande eine ſolche Offenſive ausſchloß. Das lebhafte Intereſſe, welches die Cartagener an dem Aus- laufen der Schiffe nahmen, war deshalb ſehr erklärlich. Letztere bildeten die Hauptſtärke der Revolution und konnten allein die Mittel ſchaffen, um dieſe zu nähren; ohne die Schiffe mußte ſie bald zuſammenbrechen.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/408
Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 396. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/408>, abgerufen am 02.05.2024.