Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

Nach Westindien und dem Mittelmeer
Pflanzer, Fesselung mit schweren Ketten, Einschließen des Nachts
und Aufspürung mit Bluthunden, wenn sie zu entfliehen suchen,
das ist das Loos dieser Unglücklichen während der acht Jahre
Plantagenarbeit, zu der sie sich bei ihrer Ankunft für die Ab-
zahlung des Passagepreises verpflichten müssen.

Die Lösung der Sclavenfrage ist sowol für die Insel wie
für das Mutterland eine Sache von schwerwiegender Bedeutung.
Auf der einen Seite bedroht wirthschaftlicher Ruin die erste und
schwere Schädigung das letztere, wenn die Sclaverei plötzlich
abgeschafft wird, auf der andern ist das jetzt gehandhabte System,
wo Neger und Kulis wissen, daß man ihnen entgegen den Gesetzen
ihre Freiheit vorenthält, auch nicht auf die Dauer haltbar. Es
führt zu massenhaften Desertionen, Aufruhr, Niederbrennen der
Zuckerfelder und Fabriken, zur Bildung von Räuberbanden und
Ermordung von Weißen. Nur die genaue Ausführung der be-
stehenden Gesetze unter scharfer Controle der Regierung, sowie
wirklich freie Arbeit der Kulis, wie in den englischen Colo-
nien, vermag einen Uebergang zu besseren Verhältnissen herbei-
zuführen, wenngleich derselbe voraussichtlich nicht ohne Convul-
sionen sich vollziehen wird.

Wie ich schon bemerkt habe, empfing man uns in Ha-
vannah sehr entgegenkommend, auch von Seiten der Behörden,
und wie überall, wo wir gewesen, fühlten wir auch hier, welches
hohe Prestige das Jahr 1870 und seine Folgen dem deutschen
Namen auch jenseits des Oceans verschafft hatte.

Auf dem spanischen Flaggschiffe, der Dampffregatte
"Gerona", wurde uns ein glänzender Ball gegeben, zu dem sich
der ganze Damenflor der vornehmen Havannah versammelte,
und bei der Dansa, jenem langsamen wiegenden Walzer, der
eigends für liebeathmende Creolinnen erfunden zu sein scheint,
trug mancher junge Nordländer eine Herzenswunde davon, die
ihm die gluthvollen Augen seiner lieblichen Tänzerin schlugen.
In den spanischen Seeofficieren fanden wir sehr sympathische

Nach Weſtindien und dem Mittelmeer
Pflanzer, Feſſelung mit ſchweren Ketten, Einſchließen des Nachts
und Aufſpürung mit Bluthunden, wenn ſie zu entfliehen ſuchen,
das iſt das Loos dieſer Unglücklichen während der acht Jahre
Plantagenarbeit, zu der ſie ſich bei ihrer Ankunft für die Ab-
zahlung des Paſſagepreiſes verpflichten müſſen.

Die Löſung der Sclavenfrage iſt ſowol für die Inſel wie
für das Mutterland eine Sache von ſchwerwiegender Bedeutung.
Auf der einen Seite bedroht wirthſchaftlicher Ruin die erſte und
ſchwere Schädigung das letztere, wenn die Sclaverei plötzlich
abgeſchafft wird, auf der andern iſt das jetzt gehandhabte Syſtem,
wo Neger und Kulis wiſſen, daß man ihnen entgegen den Geſetzen
ihre Freiheit vorenthält, auch nicht auf die Dauer haltbar. Es
führt zu maſſenhaften Deſertionen, Aufruhr, Niederbrennen der
Zuckerfelder und Fabriken, zur Bildung von Räuberbanden und
Ermordung von Weißen. Nur die genaue Ausführung der be-
ſtehenden Geſetze unter ſcharfer Controle der Regierung, ſowie
wirklich freie Arbeit der Kulis, wie in den engliſchen Colo-
nien, vermag einen Uebergang zu beſſeren Verhältniſſen herbei-
zuführen, wenngleich derſelbe vorausſichtlich nicht ohne Convul-
ſionen ſich vollziehen wird.

Wie ich ſchon bemerkt habe, empfing man uns in Ha-
vannah ſehr entgegenkommend, auch von Seiten der Behörden,
und wie überall, wo wir geweſen, fühlten wir auch hier, welches
hohe Preſtige das Jahr 1870 und ſeine Folgen dem deutſchen
Namen auch jenſeits des Oceans verſchafft hatte.

Auf dem ſpaniſchen Flaggſchiffe, der Dampffregatte
„Gerona“, wurde uns ein glänzender Ball gegeben, zu dem ſich
der ganze Damenflor der vornehmen Havannah verſammelte,
und bei der Danſa, jenem langſamen wiegenden Walzer, der
eigends für liebeathmende Creolinnen erfunden zu ſein ſcheint,
trug mancher junge Nordländer eine Herzenswunde davon, die
ihm die gluthvollen Augen ſeiner lieblichen Tänzerin ſchlugen.
In den ſpaniſchen Seeofficieren fanden wir ſehr ſympathiſche

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0391" n="379"/><fw place="top" type="header">Nach We&#x017F;tindien und dem Mittelmeer</fw><lb/>
Pflanzer, Fe&#x017F;&#x017F;elung mit &#x017F;chweren Ketten, Ein&#x017F;chließen des Nachts<lb/>
und Auf&#x017F;pürung mit Bluthunden, wenn &#x017F;ie zu entfliehen &#x017F;uchen,<lb/>
das i&#x017F;t das Loos die&#x017F;er Unglücklichen während der acht Jahre<lb/>
Plantagenarbeit, zu der &#x017F;ie &#x017F;ich bei ihrer Ankunft für die Ab-<lb/>
zahlung des Pa&#x017F;&#x017F;ageprei&#x017F;es verpflichten mü&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
        <p>Die Lö&#x017F;ung der Sclavenfrage i&#x017F;t &#x017F;owol für die In&#x017F;el wie<lb/>
für das Mutterland eine Sache von &#x017F;chwerwiegender Bedeutung.<lb/>
Auf der einen Seite bedroht wirth&#x017F;chaftlicher Ruin die er&#x017F;te und<lb/>
&#x017F;chwere Schädigung das letztere, wenn die Sclaverei plötzlich<lb/>
abge&#x017F;chafft wird, auf der andern i&#x017F;t das jetzt gehandhabte Sy&#x017F;tem,<lb/>
wo Neger und Kulis wi&#x017F;&#x017F;en, daß man ihnen entgegen den Ge&#x017F;etzen<lb/>
ihre Freiheit vorenthält, auch nicht auf die Dauer haltbar. Es<lb/>
führt zu ma&#x017F;&#x017F;enhaften De&#x017F;ertionen, Aufruhr, Niederbrennen der<lb/>
Zuckerfelder und Fabriken, zur Bildung von Räuberbanden und<lb/>
Ermordung von Weißen. Nur die genaue Ausführung der be-<lb/>
&#x017F;tehenden Ge&#x017F;etze unter &#x017F;charfer Controle der Regierung, &#x017F;owie<lb/>
wirklich <hi rendition="#g">freie</hi> Arbeit der Kulis, wie in den engli&#x017F;chen Colo-<lb/>
nien, vermag einen Uebergang zu be&#x017F;&#x017F;eren Verhältni&#x017F;&#x017F;en herbei-<lb/>
zuführen, wenngleich der&#x017F;elbe voraus&#x017F;ichtlich nicht ohne Convul-<lb/>
&#x017F;ionen &#x017F;ich vollziehen wird.</p><lb/>
        <p>Wie ich &#x017F;chon bemerkt habe, empfing man uns in Ha-<lb/>
vannah &#x017F;ehr entgegenkommend, auch von Seiten der Behörden,<lb/>
und wie überall, wo wir gewe&#x017F;en, fühlten wir auch hier, welches<lb/>
hohe Pre&#x017F;tige das Jahr 1870 und &#x017F;eine Folgen dem deut&#x017F;chen<lb/>
Namen auch jen&#x017F;eits des Oceans ver&#x017F;chafft hatte.</p><lb/>
        <p>Auf dem &#x017F;pani&#x017F;chen Flagg&#x017F;chiffe, der Dampffregatte<lb/>
&#x201E;Gerona&#x201C;, wurde uns ein glänzender Ball gegeben, zu dem &#x017F;ich<lb/>
der ganze Damenflor der vornehmen Havannah ver&#x017F;ammelte,<lb/>
und bei der Dan&#x017F;a, jenem lang&#x017F;amen wiegenden Walzer, der<lb/>
eigends für liebeathmende Creolinnen erfunden zu &#x017F;ein &#x017F;cheint,<lb/>
trug mancher junge Nordländer eine Herzenswunde davon, die<lb/>
ihm die gluthvollen Augen &#x017F;einer lieblichen Tänzerin &#x017F;chlugen.<lb/>
In den &#x017F;pani&#x017F;chen Seeofficieren fanden wir &#x017F;ehr &#x017F;ympathi&#x017F;che<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[379/0391] Nach Weſtindien und dem Mittelmeer Pflanzer, Feſſelung mit ſchweren Ketten, Einſchließen des Nachts und Aufſpürung mit Bluthunden, wenn ſie zu entfliehen ſuchen, das iſt das Loos dieſer Unglücklichen während der acht Jahre Plantagenarbeit, zu der ſie ſich bei ihrer Ankunft für die Ab- zahlung des Paſſagepreiſes verpflichten müſſen. Die Löſung der Sclavenfrage iſt ſowol für die Inſel wie für das Mutterland eine Sache von ſchwerwiegender Bedeutung. Auf der einen Seite bedroht wirthſchaftlicher Ruin die erſte und ſchwere Schädigung das letztere, wenn die Sclaverei plötzlich abgeſchafft wird, auf der andern iſt das jetzt gehandhabte Syſtem, wo Neger und Kulis wiſſen, daß man ihnen entgegen den Geſetzen ihre Freiheit vorenthält, auch nicht auf die Dauer haltbar. Es führt zu maſſenhaften Deſertionen, Aufruhr, Niederbrennen der Zuckerfelder und Fabriken, zur Bildung von Räuberbanden und Ermordung von Weißen. Nur die genaue Ausführung der be- ſtehenden Geſetze unter ſcharfer Controle der Regierung, ſowie wirklich freie Arbeit der Kulis, wie in den engliſchen Colo- nien, vermag einen Uebergang zu beſſeren Verhältniſſen herbei- zuführen, wenngleich derſelbe vorausſichtlich nicht ohne Convul- ſionen ſich vollziehen wird. Wie ich ſchon bemerkt habe, empfing man uns in Ha- vannah ſehr entgegenkommend, auch von Seiten der Behörden, und wie überall, wo wir geweſen, fühlten wir auch hier, welches hohe Preſtige das Jahr 1870 und ſeine Folgen dem deutſchen Namen auch jenſeits des Oceans verſchafft hatte. Auf dem ſpaniſchen Flaggſchiffe, der Dampffregatte „Gerona“, wurde uns ein glänzender Ball gegeben, zu dem ſich der ganze Damenflor der vornehmen Havannah verſammelte, und bei der Danſa, jenem langſamen wiegenden Walzer, der eigends für liebeathmende Creolinnen erfunden zu ſein ſcheint, trug mancher junge Nordländer eine Herzenswunde davon, die ihm die gluthvollen Augen ſeiner lieblichen Tänzerin ſchlugen. In den ſpaniſchen Seeofficieren fanden wir ſehr ſympathiſche

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/391
Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 379. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/391>, abgerufen am 23.11.2024.