wird, ist die Feuerrolle. Jeden Freitag Nachmittag, ob im Hafen oder auf See, wird Feuerlärm exercirt; nach zwei bis drei Minuten müssen alle Löschvorrichtungen getroffen sein und alle Schläuche Wasser geben. An jenem Tage wußten die Leute nun zwar sofort, daß es diesmal ein Ernstfeuer war, da sie ohne Noth nie bei ihren Mahlzeiten gestört werden, aber sie erschienen trotzdem so ruhig und geordnet wie zum Exercitium. Nach zwei Minuten richteten sich die Wasserstrahlen von fünf Pumpen, darunter auch die von der Maschine getriebene, auf den Thurm. Außerdem schlugen Hunderte von Menschen mit Eimern Wasser auf und bildeten Ketten, und so ergoß sich eine so gewaltige Fluth auf die Brandstätte, daß in kurzer Zeit das Feuer vollständig gelöscht wurde.
Die Maschinen waren auf allen Schiffen des Geschwaders sofort gestoppt und die meisten Boote zur eventuellen Rettung von Menschenleben bereits zu Wasser gelassen. Die gewaltige Flamme, welche aus dem Thurme hervorlohte, hatte von draußen die Gefahr noch größer erscheinen lassen, als sie wirklich war und in unseren Kameraden der anderen Schiffe die Befürchtung geweckt, daß das ganze Innere des Schiffes in Brand stehe. Glücklicherweise war die Besorgniß unbegründet; aber wie dankbar konnten wir sein, daß ein glücklicher Zufall es veran- laßt hatte, ohne irgend welchen bestimmten Grund das Depo- niren der Hundert Kartuschen noch eine Stunde auszusetzen. Wie sicher wäre das Schicksal des "Friedrich Karl" besiegelt gewesen, wenn fünfzig Kilogramm Pulver im Thurm explodirten. Jetzt beschränkte sich der Schaden auf das Anbrennen der inneren Holzbekleidung, das jedoch Dank den prompten Löscharbeiten nicht bedeutend war. Nur das Officiercorps trug einen empfind- lichen pecuniären Verlust davon; die neuen von ihm beschafften und im Thurm aufbewahrten Instrumente für das Musikcorps des Schiffes waren durch die große den Signallichtern entströ- mende Hitze vollständig geschmolzen resp. verbrannt. Sie hatten
Werner
wird, iſt die Feuerrolle. Jeden Freitag Nachmittag, ob im Hafen oder auf See, wird Feuerlärm exercirt; nach zwei bis drei Minuten müſſen alle Löſchvorrichtungen getroffen ſein und alle Schläuche Waſſer geben. An jenem Tage wußten die Leute nun zwar ſofort, daß es diesmal ein Ernſtfeuer war, da ſie ohne Noth nie bei ihren Mahlzeiten geſtört werden, aber ſie erſchienen trotzdem ſo ruhig und geordnet wie zum Exercitium. Nach zwei Minuten richteten ſich die Waſſerſtrahlen von fünf Pumpen, darunter auch die von der Maſchine getriebene, auf den Thurm. Außerdem ſchlugen Hunderte von Menſchen mit Eimern Waſſer auf und bildeten Ketten, und ſo ergoß ſich eine ſo gewaltige Fluth auf die Brandſtätte, daß in kurzer Zeit das Feuer vollſtändig gelöſcht wurde.
Die Maſchinen waren auf allen Schiffen des Geſchwaders ſofort geſtoppt und die meiſten Boote zur eventuellen Rettung von Menſchenleben bereits zu Waſſer gelaſſen. Die gewaltige Flamme, welche aus dem Thurme hervorlohte, hatte von draußen die Gefahr noch größer erſcheinen laſſen, als ſie wirklich war und in unſeren Kameraden der anderen Schiffe die Befürchtung geweckt, daß das ganze Innere des Schiffes in Brand ſtehe. Glücklicherweiſe war die Beſorgniß unbegründet; aber wie dankbar konnten wir ſein, daß ein glücklicher Zufall es veran- laßt hatte, ohne irgend welchen beſtimmten Grund das Depo- niren der Hundert Kartuſchen noch eine Stunde auszuſetzen. Wie ſicher wäre das Schickſal des „Friedrich Karl“ beſiegelt geweſen, wenn fünfzig Kilogramm Pulver im Thurm explodirten. Jetzt beſchränkte ſich der Schaden auf das Anbrennen der inneren Holzbekleidung, das jedoch Dank den prompten Löſcharbeiten nicht bedeutend war. Nur das Officiercorps trug einen empfind- lichen pecuniären Verluſt davon; die neuen von ihm beſchafften und im Thurm aufbewahrten Inſtrumente für das Muſikcorps des Schiffes waren durch die große den Signallichtern entſtrö- mende Hitze vollſtändig geſchmolzen reſp. verbrannt. Sie hatten
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[370/0382]
Werner
wird, iſt die Feuerrolle. Jeden Freitag Nachmittag, ob im
Hafen oder auf See, wird Feuerlärm exercirt; nach zwei bis
drei Minuten müſſen alle Löſchvorrichtungen getroffen ſein und
alle Schläuche Waſſer geben. An jenem Tage wußten die Leute
nun zwar ſofort, daß es diesmal ein Ernſtfeuer war, da ſie
ohne Noth nie bei ihren Mahlzeiten geſtört werden, aber ſie
erſchienen trotzdem ſo ruhig und geordnet wie zum Exercitium.
Nach zwei Minuten richteten ſich die Waſſerſtrahlen von fünf
Pumpen, darunter auch die von der Maſchine getriebene, auf
den Thurm. Außerdem ſchlugen Hunderte von Menſchen mit
Eimern Waſſer auf und bildeten Ketten, und ſo ergoß ſich eine
ſo gewaltige Fluth auf die Brandſtätte, daß in kurzer Zeit das
Feuer vollſtändig gelöſcht wurde.
Die Maſchinen waren auf allen Schiffen des Geſchwaders
ſofort geſtoppt und die meiſten Boote zur eventuellen Rettung
von Menſchenleben bereits zu Waſſer gelaſſen. Die gewaltige
Flamme, welche aus dem Thurme hervorlohte, hatte von draußen
die Gefahr noch größer erſcheinen laſſen, als ſie wirklich war
und in unſeren Kameraden der anderen Schiffe die Befürchtung
geweckt, daß das ganze Innere des Schiffes in Brand ſtehe.
Glücklicherweiſe war die Beſorgniß unbegründet; aber wie
dankbar konnten wir ſein, daß ein glücklicher Zufall es veran-
laßt hatte, ohne irgend welchen beſtimmten Grund das Depo-
niren der Hundert Kartuſchen noch eine Stunde auszuſetzen.
Wie ſicher wäre das Schickſal des „Friedrich Karl“ beſiegelt
geweſen, wenn fünfzig Kilogramm Pulver im Thurm explodirten.
Jetzt beſchränkte ſich der Schaden auf das Anbrennen der inneren
Holzbekleidung, das jedoch Dank den prompten Löſcharbeiten
nicht bedeutend war. Nur das Officiercorps trug einen empfind-
lichen pecuniären Verluſt davon; die neuen von ihm beſchafften
und im Thurm aufbewahrten Inſtrumente für das Muſikcorps
des Schiffes waren durch die große den Signallichtern entſtrö-
mende Hitze vollſtändig geſchmolzen reſp. verbrannt. Sie hatten
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 370. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/382>, abgerufen am 28.07.2024.
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