wusch, die jetzt als ehrwürdige Admirale umherwandern! Ihre einstigen Reize sind freilich inzwischen verloren gegangen, aber ihre Vorliebe für die Cadetten, ihre ersten Kunden und Ver- ehrer, hat sie bewahrt, und Vogel stand bei ihr besonders gut angeschrieben.
Die Abfahrt des Schiffes war auf den Nachmittag festge- setzt, aber am Abend sollte in Funchal ein großer Ball sein. Das harte Herz des Kapitäns war nicht zu erweichen, der "blaue Peter", das Zeichen der bevorstehenden Abfahrt, wehte bereits im Vortop, die Ankerwinde war bemannt und das Schiff seefertig -- nur eins fehlte noch: die Wäsche. Unbegreiflich! Fräulein Rosa war sonst die Pünktlichkeit selbst; drei Uhr war ihr vom ersten Officier als der letzte Termin bezeichnet und jetzt war es schon vier. Doch da kam sie endlich am Strande mit den Körben angeschleppt und ließ sie in ein Boot verladen, das auf das Land geholt war. Madeira hat keinen Hafen, sondern nur offenen Strand und bei der steten Brandung macht das Landen und Abkommen Schwierigkeiten, wenn es die heimi- schen Bootführer auch meisterhaft verstehen, sie zu überwinden und ihre eigens dazu gebauten Fahrzeuge trocken zu halten.
Mit dem üblichen Geschrei wurde das Boot abgeschoben -- aber o weh! Plötzlich schlug es quer in die Brandung hinein und füllte sich bis an den Rand. Nur mit Mühe konnten es seine Insassen wieder auf den Strand ziehen und die schwimmenden Körbe retten. Arme Rosa, arme Wäsche! Die des Kapitäns war auch dabei. Er machte ein finsteres Gesicht, aber ohne Wäsche konnte man doch nicht segeln. Rosa kam an Bord und klagte verzweifelt ihre Noth über das unverschuldete Unglück; aber andern Morgens Schlag neun Uhr sollte bestimmt alles wieder in Ordnung sein. Der Kapitän fügte sich in das Unver- meidliche und das Schiff blieb. Rosa wechselte mit Vogel beim Fortgehen einen verständnißvollen Blick und dieser war im Be- wußtsein des gelungenen Streiches der flotteste Tänzer auf dem
Werner
wuſch, die jetzt als ehrwürdige Admirale umherwandern! Ihre einſtigen Reize ſind freilich inzwiſchen verloren gegangen, aber ihre Vorliebe für die Cadetten, ihre erſten Kunden und Ver- ehrer, hat ſie bewahrt, und Vogel ſtand bei ihr beſonders gut angeſchrieben.
Die Abfahrt des Schiffes war auf den Nachmittag feſtge- ſetzt, aber am Abend ſollte in Funchal ein großer Ball ſein. Das harte Herz des Kapitäns war nicht zu erweichen, der „blaue Peter“, das Zeichen der bevorſtehenden Abfahrt, wehte bereits im Vortop, die Ankerwinde war bemannt und das Schiff ſeefertig — nur eins fehlte noch: die Wäſche. Unbegreiflich! Fräulein Roſa war ſonſt die Pünktlichkeit ſelbſt; drei Uhr war ihr vom erſten Officier als der letzte Termin bezeichnet und jetzt war es ſchon vier. Doch da kam ſie endlich am Strande mit den Körben angeſchleppt und ließ ſie in ein Boot verladen, das auf das Land geholt war. Madeira hat keinen Hafen, ſondern nur offenen Strand und bei der ſteten Brandung macht das Landen und Abkommen Schwierigkeiten, wenn es die heimi- ſchen Bootführer auch meiſterhaft verſtehen, ſie zu überwinden und ihre eigens dazu gebauten Fahrzeuge trocken zu halten.
Mit dem üblichen Geſchrei wurde das Boot abgeſchoben — aber o weh! Plötzlich ſchlug es quer in die Brandung hinein und füllte ſich bis an den Rand. Nur mit Mühe konnten es ſeine Inſaſſen wieder auf den Strand ziehen und die ſchwimmenden Körbe retten. Arme Roſa, arme Wäſche! Die des Kapitäns war auch dabei. Er machte ein finſteres Geſicht, aber ohne Wäſche konnte man doch nicht ſegeln. Roſa kam an Bord und klagte verzweifelt ihre Noth über das unverſchuldete Unglück; aber andern Morgens Schlag neun Uhr ſollte beſtimmt alles wieder in Ordnung ſein. Der Kapitän fügte ſich in das Unver- meidliche und das Schiff blieb. Roſa wechſelte mit Vogel beim Fortgehen einen verſtändnißvollen Blick und dieſer war im Be- wußtſein des gelungenen Streiches der flotteſte Tänzer auf dem
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Werner
wuſch, die jetzt als ehrwürdige Admirale umherwandern! Ihre
einſtigen Reize ſind freilich inzwiſchen verloren gegangen, aber
ihre Vorliebe für die Cadetten, ihre erſten Kunden und Ver-
ehrer, hat ſie bewahrt, und Vogel ſtand bei ihr beſonders gut
angeſchrieben.
Die Abfahrt des Schiffes war auf den Nachmittag feſtge-
ſetzt, aber am Abend ſollte in Funchal ein großer Ball ſein.
Das harte Herz des Kapitäns war nicht zu erweichen, der
„blaue Peter“, das Zeichen der bevorſtehenden Abfahrt, wehte
bereits im Vortop, die Ankerwinde war bemannt und das Schiff
ſeefertig — nur eins fehlte noch: die Wäſche. Unbegreiflich!
Fräulein Roſa war ſonſt die Pünktlichkeit ſelbſt; drei Uhr war
ihr vom erſten Officier als der letzte Termin bezeichnet und
jetzt war es ſchon vier. Doch da kam ſie endlich am Strande
mit den Körben angeſchleppt und ließ ſie in ein Boot verladen,
das auf das Land geholt war. Madeira hat keinen Hafen,
ſondern nur offenen Strand und bei der ſteten Brandung macht
das Landen und Abkommen Schwierigkeiten, wenn es die heimi-
ſchen Bootführer auch meiſterhaft verſtehen, ſie zu überwinden
und ihre eigens dazu gebauten Fahrzeuge trocken zu halten.
Mit dem üblichen Geſchrei wurde das Boot abgeſchoben —
aber o weh! Plötzlich ſchlug es quer in die Brandung hinein und
füllte ſich bis an den Rand. Nur mit Mühe konnten es ſeine
Inſaſſen wieder auf den Strand ziehen und die ſchwimmenden
Körbe retten. Arme Roſa, arme Wäſche! Die des Kapitäns
war auch dabei. Er machte ein finſteres Geſicht, aber ohne
Wäſche konnte man doch nicht ſegeln. Roſa kam an Bord und
klagte verzweifelt ihre Noth über das unverſchuldete Unglück;
aber andern Morgens Schlag neun Uhr ſollte beſtimmt alles
wieder in Ordnung ſein. Der Kapitän fügte ſich in das Unver-
meidliche und das Schiff blieb. Roſa wechſelte mit Vogel beim
Fortgehen einen verſtändnißvollen Blick und dieſer war im Be-
wußtſein des gelungenen Streiches der flotteſte Tänzer auf dem
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/328>, abgerufen am 22.11.2024.
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