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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Werner

Fahrenholz hatte nun dieser Ansicht bildlichen Ausdruck
gegeben, wenn auch in etwas ausgeschmückter Weise. Seine
Zeichnung stellte die "Deutschland" dar, wie sie bemüht war,
unter einem Winkel von 45 Grad die Insel Helgoland zu er-
klettern. Die Besatzung des gestrandeten Schiffes schien sich
schon salvirt zu haben, denn man sah nur noch zwei Menschen
an Bord, den Kapitän und seinen Schatten, den Profoß. Letz-
terer war beschäftigt, die Fregatte mit einem Bootshaken von
den Klippen, zwischen denen sie festgeklemmt saß, abzuschieben
und stand vorn auf der Back, der Commandant aber befand
sich auf dem Hinterdeck, hatte die Kapuze seines Mantels über
den Kopf gezogen, hielt die Arme gen Himmel ausgebreitet und
dem Munde entfloß sein Lieblingsausruf: "Jesus Maria!"
Sämmtliche Seejunker waren am Lande aufmarschirt und machten
der kletternden Fregatte höchst despectirlich eine lange Nase.

"Nehmen Sie sich in Acht, Fahrenholz," sagt Rosenstock
zu diesem, der sich als Respectsperson "Sie" nennen läßt,
während er dagegen alle Kameraden duzt. "Wenn der Alte
das sieht, könnte ihm doch die Galle überlaufen und Sie kommen
unter acht Tagen Kabelgat* nicht fort."

"Ah bah!" äußert der Zeichner nachlässig, "hat nichts
auf sich, obgleich ich mir ganz gern einmal wieder vom alten
Fölsch eins seiner langen Salzwassergarne vorspinnen ließe. Ich
weiß, daß meine "Fliegenden Blätter" dem Commandanten
Spaß machen und sein Bursche hat mir gesagt, daß er ein be-
sonderes Album für sie angelegt hat."

"Fahrenholz, wollen Sie nicht auch nächstens Meyers be-
rühmte Nachtwache verewigen?" fragt Koppen.


* Kabelgat war der zur Aufbewahrung von Tauwerk bestimmte
Raum und diente gleichzeitig als Arrestlocal für die Seejunker. Der
alte Fölsch war der mit Beaufsichtigung des Kabelgats betraute Unter-
officier.
Werner

Fahrenholz hatte nun dieſer Anſicht bildlichen Ausdruck
gegeben, wenn auch in etwas ausgeſchmückter Weiſe. Seine
Zeichnung ſtellte die „Deutſchland“ dar, wie ſie bemüht war,
unter einem Winkel von 45 Grad die Inſel Helgoland zu er-
klettern. Die Beſatzung des geſtrandeten Schiffes ſchien ſich
ſchon ſalvirt zu haben, denn man ſah nur noch zwei Menſchen
an Bord, den Kapitän und ſeinen Schatten, den Profoß. Letz-
terer war beſchäftigt, die Fregatte mit einem Bootshaken von
den Klippen, zwiſchen denen ſie feſtgeklemmt ſaß, abzuſchieben
und ſtand vorn auf der Back, der Commandant aber befand
ſich auf dem Hinterdeck, hatte die Kapuze ſeines Mantels über
den Kopf gezogen, hielt die Arme gen Himmel ausgebreitet und
dem Munde entfloß ſein Lieblingsausruf: „Jeſus Maria!“
Sämmtliche Seejunker waren am Lande aufmarſchirt und machten
der kletternden Fregatte höchſt deſpectirlich eine lange Naſe.

„Nehmen Sie ſich in Acht, Fahrenholz,“ ſagt Roſenſtock
zu dieſem, der ſich als Reſpectsperſon „Sie“ nennen läßt,
während er dagegen alle Kameraden duzt. „Wenn der Alte
das ſieht, könnte ihm doch die Galle überlaufen und Sie kommen
unter acht Tagen Kabelgat* nicht fort.“

„Ah bah!“ äußert der Zeichner nachläſſig, „hat nichts
auf ſich, obgleich ich mir ganz gern einmal wieder vom alten
Fölſch eins ſeiner langen Salzwaſſergarne vorſpinnen ließe. Ich
weiß, daß meine „Fliegenden Blätter“ dem Commandanten
Spaß machen und ſein Burſche hat mir geſagt, daß er ein be-
ſonderes Album für ſie angelegt hat.“

„Fahrenholz, wollen Sie nicht auch nächſtens Meyers be-
rühmte Nachtwache verewigen?“ fragt Koppen.


* Kabelgat war der zur Aufbewahrung von Tauwerk beſtimmte
Raum und diente gleichzeitig als Arreſtlocal für die Seejunker. Der
alte Fölſch war der mit Beaufſichtigung des Kabelgats betraute Unter-
officier.
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[294/0306] Werner Fahrenholz hatte nun dieſer Anſicht bildlichen Ausdruck gegeben, wenn auch in etwas ausgeſchmückter Weiſe. Seine Zeichnung ſtellte die „Deutſchland“ dar, wie ſie bemüht war, unter einem Winkel von 45 Grad die Inſel Helgoland zu er- klettern. Die Beſatzung des geſtrandeten Schiffes ſchien ſich ſchon ſalvirt zu haben, denn man ſah nur noch zwei Menſchen an Bord, den Kapitän und ſeinen Schatten, den Profoß. Letz- terer war beſchäftigt, die Fregatte mit einem Bootshaken von den Klippen, zwiſchen denen ſie feſtgeklemmt ſaß, abzuſchieben und ſtand vorn auf der Back, der Commandant aber befand ſich auf dem Hinterdeck, hatte die Kapuze ſeines Mantels über den Kopf gezogen, hielt die Arme gen Himmel ausgebreitet und dem Munde entfloß ſein Lieblingsausruf: „Jeſus Maria!“ Sämmtliche Seejunker waren am Lande aufmarſchirt und machten der kletternden Fregatte höchſt deſpectirlich eine lange Naſe. „Nehmen Sie ſich in Acht, Fahrenholz,“ ſagt Roſenſtock zu dieſem, der ſich als Reſpectsperſon „Sie“ nennen läßt, während er dagegen alle Kameraden duzt. „Wenn der Alte das ſieht, könnte ihm doch die Galle überlaufen und Sie kommen unter acht Tagen Kabelgat * nicht fort.“ „Ah bah!“ äußert der Zeichner nachläſſig, „hat nichts auf ſich, obgleich ich mir ganz gern einmal wieder vom alten Fölſch eins ſeiner langen Salzwaſſergarne vorſpinnen ließe. Ich weiß, daß meine „Fliegenden Blätter“ dem Commandanten Spaß machen und ſein Burſche hat mir geſagt, daß er ein be- ſonderes Album für ſie angelegt hat.“ „Fahrenholz, wollen Sie nicht auch nächſtens Meyers be- rühmte Nachtwache verewigen?“ fragt Koppen. * Kabelgat war der zur Aufbewahrung von Tauwerk beſtimmte Raum und diente gleichzeitig als Arreſtlocal für die Seejunker. Der alte Fölſch war der mit Beaufſichtigung des Kabelgats betraute Unter- officier.

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 294. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/306>, abgerufen am 22.11.2024.