Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.Werner Worte; es ist die Schiller'sche Ballade: "Ritter Toggenburg",und wir kommen noch gerade zur rechten Zeit, um den Schluß- vers zu hören: Und so saß er eine Leiche, eine Leiche Eines Morgens da, Juchhe! Eines Morgens da. Nach dem Fenster noch das bleiche, noch das bleiche, Stille Antlitz sah, Juchhe! Stille Antlitz sah. Allgemeine Heiterkeit! Die Melodie scheint angesprochen "Famos, brillant, ausgezeichnet!" ertönen die Lobsprüche Werner Worte; es iſt die Schiller’ſche Ballade: „Ritter Toggenburg“,und wir kommen noch gerade zur rechten Zeit, um den Schluß- vers zu hören: Und ſo ſaß er eine Leiche, eine Leiche Eines Morgens da, Juchhe! Eines Morgens da. Nach dem Fenſter noch das bleiche, noch das bleiche, Stille Antlitz ſah, Juchhe! Stille Antlitz ſah. Allgemeine Heiterkeit! Die Melodie ſcheint angeſprochen „Famos, brillant, ausgezeichnet!“ ertönen die Lobſprüche <TEI> <text> <body> <div n="1"> <p><pb facs="#f0304" n="292"/><fw place="top" type="header">Werner</fw><lb/> Worte; es iſt die Schiller’ſche Ballade: „Ritter Toggenburg“,<lb/> und wir kommen noch gerade zur rechten Zeit, um den Schluß-<lb/> vers zu hören:</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Und ſo ſaß er eine Leiche, eine Leiche</l><lb/> <l>Eines Morgens da, Juchhe!</l><lb/> <l>Eines Morgens da.</l><lb/> <l>Nach dem Fenſter noch das bleiche, noch das bleiche,</l><lb/> <l>Stille Antlitz ſah, Juchhe!</l><lb/> <l>Stille Antlitz ſah.</l> </lg><lb/> <p>Allgemeine Heiterkeit! Die Melodie ſcheint angeſprochen<lb/> zu haben und man ſchickt ſich an, das Lied zu wiederholen,<lb/> als ein mit Stentorſtimme gerufenes <hi rendition="#aq">„Silentium!“</hi> den Ge-<lb/> ſang unterbricht und lautloſe Stille hervorzaubert. Es iſt<lb/> der Senior Fahrenholz, der Schweigen gebietet, und Niemand<lb/> wagt ſeiner Autorität Widerſtand zu leiſten. Er hält ein<lb/> „Fliegendes Blatt“ hoch, das er ſoeben mit den letzten Blei-<lb/> federſtrichen vollendet hat, und alle Köpfe drängen ſich um den<lb/> Künſtler, um ſein neueſtes Werk zu bewundern.</p><lb/> <p>„Famos, brillant, ausgezeichnet!“ ertönen die Lobſprüche<lb/> von allen Seiten. Die Ausrufe ſind gerechtfertigt; das Bild<lb/> verherrlicht in trefflichſter Ausführung eine Epiſode aus <hi rendition="#g">der</hi><lb/> Seereiſe der ſtolzen Fregatte „Deutſchland“. Auf Helgoland<lb/> giebt es eine Kuh, die als einzige Vertreterin ihres Geſchlechtes<lb/> auf der Inſel, „<hi rendition="#g">die</hi> Kuh“ genannt wird. Nach dieſer Ana-<lb/> logie ſprechen die Seejunker auch nur von <hi rendition="#g">der</hi> Seereiſe, denn<lb/> es iſt die einzige, welche das Kadettſchiff als Fregatte und<lb/> unter ſchwarzrothgoldener Flagge gemacht hat. Die Reiſe er-<lb/> ſtreckte ſich zwar nur von der Elbe bis zur Weſer, war aber<lb/> reich an intereſſanten nautiſchen Erlebniſſen, bildete in dem bis-<lb/> herigen Stillleben ein Ereigniß, haftete deshalb mit den kleinſten<lb/> Einzelnheiten im Gedächtniſſe der Seejunker und gab immer<lb/> wieder neuen Stoff zu Unterhaltungen und techniſchen Disputen.<lb/> Seitdem trugen die jungen Leute ja ihren Namen erſt mit einer<lb/></p> </div> </body> </text> </TEI> [292/0304]
Werner
Worte; es iſt die Schiller’ſche Ballade: „Ritter Toggenburg“,
und wir kommen noch gerade zur rechten Zeit, um den Schluß-
vers zu hören:
Und ſo ſaß er eine Leiche, eine Leiche
Eines Morgens da, Juchhe!
Eines Morgens da.
Nach dem Fenſter noch das bleiche, noch das bleiche,
Stille Antlitz ſah, Juchhe!
Stille Antlitz ſah.
Allgemeine Heiterkeit! Die Melodie ſcheint angeſprochen
zu haben und man ſchickt ſich an, das Lied zu wiederholen,
als ein mit Stentorſtimme gerufenes „Silentium!“ den Ge-
ſang unterbricht und lautloſe Stille hervorzaubert. Es iſt
der Senior Fahrenholz, der Schweigen gebietet, und Niemand
wagt ſeiner Autorität Widerſtand zu leiſten. Er hält ein
„Fliegendes Blatt“ hoch, das er ſoeben mit den letzten Blei-
federſtrichen vollendet hat, und alle Köpfe drängen ſich um den
Künſtler, um ſein neueſtes Werk zu bewundern.
„Famos, brillant, ausgezeichnet!“ ertönen die Lobſprüche
von allen Seiten. Die Ausrufe ſind gerechtfertigt; das Bild
verherrlicht in trefflichſter Ausführung eine Epiſode aus der
Seereiſe der ſtolzen Fregatte „Deutſchland“. Auf Helgoland
giebt es eine Kuh, die als einzige Vertreterin ihres Geſchlechtes
auf der Inſel, „die Kuh“ genannt wird. Nach dieſer Ana-
logie ſprechen die Seejunker auch nur von der Seereiſe, denn
es iſt die einzige, welche das Kadettſchiff als Fregatte und
unter ſchwarzrothgoldener Flagge gemacht hat. Die Reiſe er-
ſtreckte ſich zwar nur von der Elbe bis zur Weſer, war aber
reich an intereſſanten nautiſchen Erlebniſſen, bildete in dem bis-
herigen Stillleben ein Ereigniß, haftete deshalb mit den kleinſten
Einzelnheiten im Gedächtniſſe der Seejunker und gab immer
wieder neuen Stoff zu Unterhaltungen und techniſchen Disputen.
Seitdem trugen die jungen Leute ja ihren Namen erſt mit einer
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