Seiten durch zwei Batteriepforten erhält. Die Wände sind mit Kalk gestrichen, theils aus sanitären Rücksichten, um die Luft zu verbessern, deren Beschaffenheit wegen des sich im untern Raume sammelnden und oft übelriechenden Wassers manches zu wünschen übrig läßt, theils aus öconomischen, da Kalk so viel billiger als Farbe ist und die abgestoßenen Stellen sich Sonn- abends nach der Generalwäsche des Schiffes leicht wieder repa- riren lassen.
Die Mitte nimmt ein schwerer Tisch ein, um den ebenso massive Bänke laufen. Der Raum ist zu gleicher Zeit Schul-, Eß- und Schlafzimmer; oben an den Decksbalken sind nume- rirte Haken eingeschroben, an denen Abends die Hängematten aufgehängt werden. An den Wänden befinden sich verschiedene Regale, auf denen in genialster Unordnung die heterogensten Gegenstände liegen, Bücher, Spiegel, Rappiere, Guitarren, Ci- garrenkisten und dergleichen. Unendlich oft hat der Profoß dar- über schon Rapport erstattet, unendlich oft sind auf Geheiß des ersten Officiers diese Regale aufgeräumt und ebenso viele Male hat das Chaos den Betheiligten Strafwachen, Urlaubsentziehung oder auch Arrest eingetragen, aber ohne nachhaltigen Erfolg. Nach kurzer Zeit zeigen sich die Regale wieder ebenso und eine gewisse Entschuldigung dafür muß man allerdings gelten lassen.
An Bord eines Kriegsschiffes herrscht bei der großen Be- satzungsstärke und all den Vorräthen, die es mit sich schleppen muß, um stets schlagfertig zu sein, ein großer Raummangel, und der Einzelne muß sich deshalb mit dem nothdürftigsten Platze zu seiner Existenz begnügen. Von Kammern, wie sie die Officiere -- und die jüngern auch nicht immer -- haben, kann aus diesen Gründen für Kadetten nicht die Rede sein. Die Hängematten mit dünner Matratze, noch dünnerem Kopf- kissen und wollener Decke bilden das Bett; für die Unterbrin- gung seines sonstigen Eigenthums war dem Junker nur ein hölzerner Koffer, die sogenannte Seekiste, von 31/2 Fuß Länge
Werner
Seiten durch zwei Batteriepforten erhält. Die Wände ſind mit Kalk geſtrichen, theils aus ſanitären Rückſichten, um die Luft zu verbeſſern, deren Beſchaffenheit wegen des ſich im untern Raume ſammelnden und oft übelriechenden Waſſers manches zu wünſchen übrig läßt, theils aus öconomiſchen, da Kalk ſo viel billiger als Farbe iſt und die abgeſtoßenen Stellen ſich Sonn- abends nach der Generalwäſche des Schiffes leicht wieder repa- riren laſſen.
Die Mitte nimmt ein ſchwerer Tiſch ein, um den ebenſo maſſive Bänke laufen. Der Raum iſt zu gleicher Zeit Schul-, Eß- und Schlafzimmer; oben an den Decksbalken ſind nume- rirte Haken eingeſchroben, an denen Abends die Hängematten aufgehängt werden. An den Wänden befinden ſich verſchiedene Regale, auf denen in genialſter Unordnung die heterogenſten Gegenſtände liegen, Bücher, Spiegel, Rappiere, Guitarren, Ci- garrenkiſten und dergleichen. Unendlich oft hat der Profoß dar- über ſchon Rapport erſtattet, unendlich oft ſind auf Geheiß des erſten Officiers dieſe Regale aufgeräumt und ebenſo viele Male hat das Chaos den Betheiligten Strafwachen, Urlaubsentziehung oder auch Arreſt eingetragen, aber ohne nachhaltigen Erfolg. Nach kurzer Zeit zeigen ſich die Regale wieder ebenſo und eine gewiſſe Entſchuldigung dafür muß man allerdings gelten laſſen.
An Bord eines Kriegsſchiffes herrſcht bei der großen Be- ſatzungsſtärke und all den Vorräthen, die es mit ſich ſchleppen muß, um ſtets ſchlagfertig zu ſein, ein großer Raummangel, und der Einzelne muß ſich deshalb mit dem nothdürftigſten Platze zu ſeiner Exiſtenz begnügen. Von Kammern, wie ſie die Officiere — und die jüngern auch nicht immer — haben, kann aus dieſen Gründen für Kadetten nicht die Rede ſein. Die Hängematten mit dünner Matratze, noch dünnerem Kopf- kiſſen und wollener Decke bilden das Bett; für die Unterbrin- gung ſeines ſonſtigen Eigenthums war dem Junker nur ein hölzerner Koffer, die ſogenannte Seekiſte, von 3½ Fuß Länge
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Werner
Seiten durch zwei Batteriepforten erhält. Die Wände ſind mit
Kalk geſtrichen, theils aus ſanitären Rückſichten, um die Luft
zu verbeſſern, deren Beſchaffenheit wegen des ſich im untern
Raume ſammelnden und oft übelriechenden Waſſers manches zu
wünſchen übrig läßt, theils aus öconomiſchen, da Kalk ſo viel
billiger als Farbe iſt und die abgeſtoßenen Stellen ſich Sonn-
abends nach der Generalwäſche des Schiffes leicht wieder repa-
riren laſſen.
Die Mitte nimmt ein ſchwerer Tiſch ein, um den ebenſo
maſſive Bänke laufen. Der Raum iſt zu gleicher Zeit Schul-,
Eß- und Schlafzimmer; oben an den Decksbalken ſind nume-
rirte Haken eingeſchroben, an denen Abends die Hängematten
aufgehängt werden. An den Wänden befinden ſich verſchiedene
Regale, auf denen in genialſter Unordnung die heterogenſten
Gegenſtände liegen, Bücher, Spiegel, Rappiere, Guitarren, Ci-
garrenkiſten und dergleichen. Unendlich oft hat der Profoß dar-
über ſchon Rapport erſtattet, unendlich oft ſind auf Geheiß des
erſten Officiers dieſe Regale aufgeräumt und ebenſo viele Male
hat das Chaos den Betheiligten Strafwachen, Urlaubsentziehung
oder auch Arreſt eingetragen, aber ohne nachhaltigen Erfolg.
Nach kurzer Zeit zeigen ſich die Regale wieder ebenſo und eine
gewiſſe Entſchuldigung dafür muß man allerdings gelten laſſen.
An Bord eines Kriegsſchiffes herrſcht bei der großen Be-
ſatzungsſtärke und all den Vorräthen, die es mit ſich ſchleppen
muß, um ſtets ſchlagfertig zu ſein, ein großer Raummangel,
und der Einzelne muß ſich deshalb mit dem nothdürftigſten
Platze zu ſeiner Exiſtenz begnügen. Von Kammern, wie ſie
die Officiere — und die jüngern auch nicht immer — haben,
kann aus dieſen Gründen für Kadetten nicht die Rede ſein.
Die Hängematten mit dünner Matratze, noch dünnerem Kopf-
kiſſen und wollener Decke bilden das Bett; für die Unterbrin-
gung ſeines ſonſtigen Eigenthums war dem Junker nur ein
hölzerner Koffer, die ſogenannte Seekiſte, von 3½ Fuß Länge
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 290. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/302>, abgerufen am 28.07.2024.
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