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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Dienstleistungen. Wie oft biß ich die Zähne aufeinander, um
meinen erregten Empfindungen nicht laut Luft zu machen, doch
auch das hatte sein Gutes, denn ich lernte mich selbst zu über-
winden und die meinem Character innewohnende Heftigkeit zu
unterdrücken. Nur des Bootsmanns Benehmen änderte sich
allmälig günstig für mich. Meine Willigkeit, allen mir ge-
wordenen Befehlen so schnell und gut wie möglich nachzukommen,
mochte dazu beitragen, ihn wohlwollender gegen mich zu stim-
men, wahrscheinlich aber auch der Einfluß des Lootsen. Ich
wurde seiner Wache zugetheilt, zwar keineswegs geschont, aber
wenn er jetzt "Schweizer" rief, dann klang es nicht mehr so
hart wie früher. Ich hörte öfter ein ermunterndes Wort und
begann durchzufühlen, daß in der Brust des alten Seebären
trotz der rauhen Schale doch ein warmes Herz schlug.

Endlich war der Wind müde geworden, stets aus derselben
Ecke zu wehen. Er ging in der Nacht südlich, freilich links
herum, durch Süden statt durch Norden und der Lootse meinte
deshalb, er würde keinen Bestand haben, aber der Kapitän wollte
sich die günstige Briese nicht über den Kopf wehen lassen und
mit Tagesanbruch wurden die Anker gelichtet. In unserer Nähe
hatten sich in den letzten Tagen wohl einige vierzig Schiffe
angesammelt, die ebenfalls in See wollten und nun mit uns
die gute Gelegenheit benutzten.

Welches rege Leben herrschte da ringsum auf der Wasser-
fläche und wie interessant war das Schauspiel, eine so große
Flotte sich gleichzeitig in Bewegung setzen zu sehen! Von allen
Seiten ertönten in der hellhörigen Morgenluft die Commandos,
das Klipp klapp der Ankerspille, mit denen die Ketten einge-
wunden, sowie das Hoi ho! und der Gesang der Matrosen, nach
dessen Tacte die Segel geheißt oder andere Arbeiten verrichtet wurden.
Vom Winde gebläht entfaltete sich die weiße Leinwand an den
Raaen und diese wurde in das Kreuz gebraßt, sobald die Anker
grade unter dem Schiffe standen. "Licht Anker!" lautete dann der

Werner
Dienſtleiſtungen. Wie oft biß ich die Zähne aufeinander, um
meinen erregten Empfindungen nicht laut Luft zu machen, doch
auch das hatte ſein Gutes, denn ich lernte mich ſelbſt zu über-
winden und die meinem Character innewohnende Heftigkeit zu
unterdrücken. Nur des Bootsmanns Benehmen änderte ſich
allmälig günſtig für mich. Meine Willigkeit, allen mir ge-
wordenen Befehlen ſo ſchnell und gut wie möglich nachzukommen,
mochte dazu beitragen, ihn wohlwollender gegen mich zu ſtim-
men, wahrſcheinlich aber auch der Einfluß des Lootſen. Ich
wurde ſeiner Wache zugetheilt, zwar keineswegs geſchont, aber
wenn er jetzt „Schweizer“ rief, dann klang es nicht mehr ſo
hart wie früher. Ich hörte öfter ein ermunterndes Wort und
begann durchzufühlen, daß in der Bruſt des alten Seebären
trotz der rauhen Schale doch ein warmes Herz ſchlug.

Endlich war der Wind müde geworden, ſtets aus derſelben
Ecke zu wehen. Er ging in der Nacht ſüdlich, freilich links
herum, durch Süden ſtatt durch Norden und der Lootſe meinte
deshalb, er würde keinen Beſtand haben, aber der Kapitän wollte
ſich die günſtige Brieſe nicht über den Kopf wehen laſſen und
mit Tagesanbruch wurden die Anker gelichtet. In unſerer Nähe
hatten ſich in den letzten Tagen wohl einige vierzig Schiffe
angeſammelt, die ebenfalls in See wollten und nun mit uns
die gute Gelegenheit benutzten.

Welches rege Leben herrſchte da ringsum auf der Waſſer-
fläche und wie intereſſant war das Schauſpiel, eine ſo große
Flotte ſich gleichzeitig in Bewegung ſetzen zu ſehen! Von allen
Seiten ertönten in der hellhörigen Morgenluft die Commandos,
das Klipp klapp der Ankerſpille, mit denen die Ketten einge-
wunden, ſowie das Hoi ho! und der Geſang der Matroſen, nach
deſſen Tacte die Segel geheißt oder andere Arbeiten verrichtet wurden.
Vom Winde gebläht entfaltete ſich die weiße Leinwand an den
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[14/0026] Werner Dienſtleiſtungen. Wie oft biß ich die Zähne aufeinander, um meinen erregten Empfindungen nicht laut Luft zu machen, doch auch das hatte ſein Gutes, denn ich lernte mich ſelbſt zu über- winden und die meinem Character innewohnende Heftigkeit zu unterdrücken. Nur des Bootsmanns Benehmen änderte ſich allmälig günſtig für mich. Meine Willigkeit, allen mir ge- wordenen Befehlen ſo ſchnell und gut wie möglich nachzukommen, mochte dazu beitragen, ihn wohlwollender gegen mich zu ſtim- men, wahrſcheinlich aber auch der Einfluß des Lootſen. Ich wurde ſeiner Wache zugetheilt, zwar keineswegs geſchont, aber wenn er jetzt „Schweizer“ rief, dann klang es nicht mehr ſo hart wie früher. Ich hörte öfter ein ermunterndes Wort und begann durchzufühlen, daß in der Bruſt des alten Seebären trotz der rauhen Schale doch ein warmes Herz ſchlug. Endlich war der Wind müde geworden, ſtets aus derſelben Ecke zu wehen. Er ging in der Nacht ſüdlich, freilich links herum, durch Süden ſtatt durch Norden und der Lootſe meinte deshalb, er würde keinen Beſtand haben, aber der Kapitän wollte ſich die günſtige Brieſe nicht über den Kopf wehen laſſen und mit Tagesanbruch wurden die Anker gelichtet. In unſerer Nähe hatten ſich in den letzten Tagen wohl einige vierzig Schiffe angeſammelt, die ebenfalls in See wollten und nun mit uns die gute Gelegenheit benutzten. Welches rege Leben herrſchte da ringsum auf der Waſſer- fläche und wie intereſſant war das Schauſpiel, eine ſo große Flotte ſich gleichzeitig in Bewegung ſetzen zu ſehen! Von allen Seiten ertönten in der hellhörigen Morgenluft die Commandos, das Klipp klapp der Ankerſpille, mit denen die Ketten einge- wunden, ſowie das Hoi ho! und der Geſang der Matroſen, nach deſſen Tacte die Segel geheißt oder andere Arbeiten verrichtet wurden. Vom Winde gebläht entfaltete ſich die weiße Leinwand an den Raaen und dieſe wurde in das Kreuz gebraßt, ſobald die Anker grade unter dem Schiffe ſtanden. „Licht Anker!“ lautete dann der

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 14. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/26>, abgerufen am 27.04.2024.