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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

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Werner
borski und dem Befehlshaber der dänischen Artillerie die Ver-
einbarung getroffen, daß die Neutralität der "Eckernförde" re-
spectirt, das Schiff nebst Besatzung aber als blockirt angesehen
und vom Lande aus streng bewacht werden solle. Am 15. Oc-
tober 1850 wurde endlich über das fernere Geschick des Schiffes
Entscheidung getroffen. An diesem Tage traf an Bord ein von
König Friedrich Wilhelm IV. entsandter preußischer Officier mit
der für Officiere und Mannschaft des Schiffes hoch erfreulichen
Nachricht ein, daß laut eines zwischen Kopenhagen und Frank-
furt abgeschlossenen Separatvertrages die "Eckernförde" deutsches
Eigenthum bleiben solle.

Kurze Zeit darauf wurde das Schiff von Eckernförde nach
der Lübecker Bucht übergeführt. In Lübeck schiffte sich das
preußische Detachement aus, aber die preußische Flagge blieb auf
dem Schiffe zu seinem Schutze wehen. Gegen Ende November
ging es nach der Nordsee ab und wurde am 30. d. M. unter
Helgoland von der deutschen Dampfcorvette "Ernst August",
unter Commando des Lieutenants I. Classe Reichardt, in Em-
pfang genommen, der zugleich den Befehl überbrachte, die
deutsche Flagge statt der preußischen zu heißen. Am 1. Decem-
ber traf die "Eckernförde" in Bremerhafen ein und kündete mit
einundzwanzig Kanonenschüssen seine Ankunft.

Wir Officiere empfanden eine gewisse Freude, daß die
Fregatte nach so vielen Fährlichkeiten endlich sicher in einem
deutschen Hafen war, aber diese Freude war stark von Wehmuth
und Bitterkeit durchsetzt. Niemand von uns verhehlte sich, daß
die Tage der deutschen Flotte gezählt seien, von dem frühe-
ren Enthustasmus war keine Spur mehr vorhanden. Wir alle
fühlten, daß der schöne Traum deutscher Einheit und deutscher
Seemächtigkeit bald ausgeträumt sei.

Die Schiffsfähnriche Thaulow und Neynaber wurden wegen
Gehorsamsverweigerung vor ein Kriegsgericht gestellt, aber glän-
zend freigesprochen, was einer moralischen Verurtheilung ihres

Werner
borski und dem Befehlshaber der däniſchen Artillerie die Ver-
einbarung getroffen, daß die Neutralität der „Eckernförde“ re-
ſpectirt, das Schiff nebſt Beſatzung aber als blockirt angeſehen
und vom Lande aus ſtreng bewacht werden ſolle. Am 15. Oc-
tober 1850 wurde endlich über das fernere Geſchick des Schiffes
Entſcheidung getroffen. An dieſem Tage traf an Bord ein von
König Friedrich Wilhelm IV. entſandter preußiſcher Officier mit
der für Officiere und Mannſchaft des Schiffes hoch erfreulichen
Nachricht ein, daß laut eines zwiſchen Kopenhagen und Frank-
furt abgeſchloſſenen Separatvertrages die „Eckernförde“ deutſches
Eigenthum bleiben ſolle.

Kurze Zeit darauf wurde das Schiff von Eckernförde nach
der Lübecker Bucht übergeführt. In Lübeck ſchiffte ſich das
preußiſche Detachement aus, aber die preußiſche Flagge blieb auf
dem Schiffe zu ſeinem Schutze wehen. Gegen Ende November
ging es nach der Nordſee ab und wurde am 30. d. M. unter
Helgoland von der deutſchen Dampfcorvette „Ernſt Auguſt“,
unter Commando des Lieutenants I. Claſſe Reichardt, in Em-
pfang genommen, der zugleich den Befehl überbrachte, die
deutſche Flagge ſtatt der preußiſchen zu heißen. Am 1. Decem-
ber traf die „Eckernförde“ in Bremerhafen ein und kündete mit
einundzwanzig Kanonenſchüſſen ſeine Ankunft.

Wir Officiere empfanden eine gewiſſe Freude, daß die
Fregatte nach ſo vielen Fährlichkeiten endlich ſicher in einem
deutſchen Hafen war, aber dieſe Freude war ſtark von Wehmuth
und Bitterkeit durchſetzt. Niemand von uns verhehlte ſich, daß
die Tage der deutſchen Flotte gezählt ſeien, von dem frühe-
ren Enthuſtasmus war keine Spur mehr vorhanden. Wir alle
fühlten, daß der ſchöne Traum deutſcher Einheit und deutſcher
Seemächtigkeit bald ausgeträumt ſei.

Die Schiffsfähnriche Thaulow und Neynaber wurden wegen
Gehorſamsverweigerung vor ein Kriegsgericht geſtellt, aber glän-
zend freigeſprochen, was einer moraliſchen Verurtheilung ihres

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[210/0222] Werner borski und dem Befehlshaber der däniſchen Artillerie die Ver- einbarung getroffen, daß die Neutralität der „Eckernförde“ re- ſpectirt, das Schiff nebſt Beſatzung aber als blockirt angeſehen und vom Lande aus ſtreng bewacht werden ſolle. Am 15. Oc- tober 1850 wurde endlich über das fernere Geſchick des Schiffes Entſcheidung getroffen. An dieſem Tage traf an Bord ein von König Friedrich Wilhelm IV. entſandter preußiſcher Officier mit der für Officiere und Mannſchaft des Schiffes hoch erfreulichen Nachricht ein, daß laut eines zwiſchen Kopenhagen und Frank- furt abgeſchloſſenen Separatvertrages die „Eckernförde“ deutſches Eigenthum bleiben ſolle. Kurze Zeit darauf wurde das Schiff von Eckernförde nach der Lübecker Bucht übergeführt. In Lübeck ſchiffte ſich das preußiſche Detachement aus, aber die preußiſche Flagge blieb auf dem Schiffe zu ſeinem Schutze wehen. Gegen Ende November ging es nach der Nordſee ab und wurde am 30. d. M. unter Helgoland von der deutſchen Dampfcorvette „Ernſt Auguſt“, unter Commando des Lieutenants I. Claſſe Reichardt, in Em- pfang genommen, der zugleich den Befehl überbrachte, die deutſche Flagge ſtatt der preußiſchen zu heißen. Am 1. Decem- ber traf die „Eckernförde“ in Bremerhafen ein und kündete mit einundzwanzig Kanonenſchüſſen ſeine Ankunft. Wir Officiere empfanden eine gewiſſe Freude, daß die Fregatte nach ſo vielen Fährlichkeiten endlich ſicher in einem deutſchen Hafen war, aber dieſe Freude war ſtark von Wehmuth und Bitterkeit durchſetzt. Niemand von uns verhehlte ſich, daß die Tage der deutſchen Flotte gezählt ſeien, von dem frühe- ren Enthuſtasmus war keine Spur mehr vorhanden. Wir alle fühlten, daß der ſchöne Traum deutſcher Einheit und deutſcher Seemächtigkeit bald ausgeträumt ſei. Die Schiffsfähnriche Thaulow und Neynaber wurden wegen Gehorſamsverweigerung vor ein Kriegsgericht geſtellt, aber glän- zend freigeſprochen, was einer moraliſchen Verurtheilung ihres

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Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 210. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/222>, abgerufen am 23.11.2024.