Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880.

Bild:
<< vorherige Seite

Werner
namentlich mit Geschützen neuen Modelles, eine unerläßliche Vor-
bedingung sei, davon hatte unser Kapitän keine Ahnung; der
Commodore hatte sie wol vorausgesetzt und wir jüngeren Offi-
ciere waren artilleristisch noch zu unerfahren, und glaubten,
gutes Exercitium und Richtübungen seien genügend.

Es war ein herrlicher Sommertag und die Sonne schien
warm vom wolkenlosen Himmel herab, als wir unter dem Hurrah
Tausender von Zuschauern, welche die Ufer der Weser besäum-
ten, die Rhede von Bremerhafen verließen, um seewärts zu
dampfen. Der "Barbarossa," das Flaggschiff, mit dem Com-
modore-Stander an der Spitze des Großmastes, führte,
"Hamburg" und "Lübeck" folgten zu beiden Seiten, mit ersterem
ein gleichseitiges Dreieck bildend. Mit schneller Fahrt ging es
den Strom hinab, aus den Schornsteinen quollen dunkle Rauch-
säulen, die Radschaufeln peitschten die Fluthen und die Schiffe
zogen ein breites schäumendes Kielwasser.

Um dem Feinde ein etwaiges Einlaufen in die Weser zu
wehren, waren alle Seezeichen entfernt, aber unsere tüchtigen
Lootsen kannten trotzdem an ihren Landmarken das Fahrwasser
so genau, daß wir mit ungehemmter Fahrt zwischen den Un-
tiefen dahinflogen und bald die an der veränderten Wasser-
färbung kenntliche Mündung erreichten.

Die Nordsee -- das deutsche Meer, wie es die Eng-
länder richtig bezeichnen, lag vor uns. Es herrschte fast völlige
Windstille; nur ein leiser südlicher Hauch kräuselte hier und
dort ganz leicht die sonst wie ein Spiegel sich dehnende Meeres-
fläche, in deren Smaragdgrün die Sonnenstrahlen sich badeten.
Ein eigenthümlich erhebendes Gefühl schwellte unsere Brust.
Das schwarzrothgoldene Banner mit dem Reichsadler, das
Symbol neuerstandener deutscher Seemächtigkeit, flatterte zum ersten
Male auf dem Meere und patriotischer Stolz schwellte unsere
Herzen in dem Gedanken, daß wir uns möglicher Weise noch

Werner
namentlich mit Geſchützen neuen Modelles, eine unerläßliche Vor-
bedingung ſei, davon hatte unſer Kapitän keine Ahnung; der
Commodore hatte ſie wol vorausgeſetzt und wir jüngeren Offi-
ciere waren artilleriſtiſch noch zu unerfahren, und glaubten,
gutes Exercitium und Richtübungen ſeien genügend.

Es war ein herrlicher Sommertag und die Sonne ſchien
warm vom wolkenloſen Himmel herab, als wir unter dem Hurrah
Tauſender von Zuſchauern, welche die Ufer der Weſer beſäum-
ten, die Rhede von Bremerhafen verließen, um ſeewärts zu
dampfen. Der „Barbaroſſa,“ das Flaggſchiff, mit dem Com-
modore-Stander an der Spitze des Großmaſtes, führte,
„Hamburg“ und „Lübeck“ folgten zu beiden Seiten, mit erſterem
ein gleichſeitiges Dreieck bildend. Mit ſchneller Fahrt ging es
den Strom hinab, aus den Schornſteinen quollen dunkle Rauch-
ſäulen, die Radſchaufeln peitſchten die Fluthen und die Schiffe
zogen ein breites ſchäumendes Kielwaſſer.

Um dem Feinde ein etwaiges Einlaufen in die Weſer zu
wehren, waren alle Seezeichen entfernt, aber unſere tüchtigen
Lootſen kannten trotzdem an ihren Landmarken das Fahrwaſſer
ſo genau, daß wir mit ungehemmter Fahrt zwiſchen den Un-
tiefen dahinflogen und bald die an der veränderten Waſſer-
färbung kenntliche Mündung erreichten.

Die Nordſee — das deutſche Meer, wie es die Eng-
länder richtig bezeichnen, lag vor uns. Es herrſchte faſt völlige
Windſtille; nur ein leiſer ſüdlicher Hauch kräuſelte hier und
dort ganz leicht die ſonſt wie ein Spiegel ſich dehnende Meeres-
fläche, in deren Smaragdgrün die Sonnenſtrahlen ſich badeten.
Ein eigenthümlich erhebendes Gefühl ſchwellte unſere Bruſt.
Das ſchwarzrothgoldene Banner mit dem Reichsadler, das
Symbol neuerſtandener deutſcher Seemächtigkeit, flatterte zum erſten
Male auf dem Meere und patriotiſcher Stolz ſchwellte unſere
Herzen in dem Gedanken, daß wir uns möglicher Weiſe noch

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0202" n="190"/><fw place="top" type="header">Werner</fw><lb/>
namentlich mit Ge&#x017F;chützen neuen Modelles, eine unerläßliche Vor-<lb/>
bedingung &#x017F;ei, davon hatte un&#x017F;er Kapitän keine Ahnung; der<lb/>
Commodore hatte &#x017F;ie wol vorausge&#x017F;etzt und wir jüngeren Offi-<lb/>
ciere waren artilleri&#x017F;ti&#x017F;ch noch zu unerfahren, und glaubten,<lb/>
gutes Exercitium und Richtübungen &#x017F;eien genügend.</p><lb/>
          <p>Es war ein herrlicher Sommertag und die Sonne &#x017F;chien<lb/>
warm vom wolkenlo&#x017F;en Himmel herab, als wir unter dem Hurrah<lb/>
Tau&#x017F;ender von Zu&#x017F;chauern, welche die Ufer der We&#x017F;er be&#x017F;äum-<lb/>
ten, die Rhede von Bremerhafen verließen, um &#x017F;eewärts zu<lb/>
dampfen. Der &#x201E;Barbaro&#x017F;&#x017F;a,&#x201C; das Flagg&#x017F;chiff, mit dem Com-<lb/>
modore-Stander an der Spitze des Großma&#x017F;tes, führte,<lb/>
&#x201E;Hamburg&#x201C; und &#x201E;Lübeck&#x201C; folgten zu beiden Seiten, mit er&#x017F;terem<lb/>
ein gleich&#x017F;eitiges Dreieck bildend. Mit &#x017F;chneller Fahrt ging es<lb/>
den Strom hinab, aus den Schorn&#x017F;teinen quollen dunkle Rauch-<lb/>
&#x017F;äulen, die Rad&#x017F;chaufeln peit&#x017F;chten die Fluthen und die Schiffe<lb/>
zogen ein breites &#x017F;chäumendes Kielwa&#x017F;&#x017F;er.</p><lb/>
          <p>Um dem Feinde ein etwaiges Einlaufen in die We&#x017F;er zu<lb/>
wehren, waren alle Seezeichen entfernt, aber un&#x017F;ere tüchtigen<lb/>
Loot&#x017F;en kannten trotzdem an ihren Landmarken das Fahrwa&#x017F;&#x017F;er<lb/>
&#x017F;o genau, daß wir mit ungehemmter Fahrt zwi&#x017F;chen den Un-<lb/>
tiefen dahinflogen und bald die an der veränderten Wa&#x017F;&#x017F;er-<lb/>
färbung kenntliche Mündung erreichten.</p><lb/>
          <p>Die Nord&#x017F;ee &#x2014; das <hi rendition="#g">deut&#x017F;che</hi> Meer, wie es die Eng-<lb/>
länder richtig bezeichnen, lag vor uns. Es herr&#x017F;chte fa&#x017F;t völlige<lb/>
Wind&#x017F;tille; nur ein lei&#x017F;er &#x017F;üdlicher Hauch kräu&#x017F;elte hier und<lb/>
dort ganz leicht die &#x017F;on&#x017F;t wie ein Spiegel &#x017F;ich dehnende Meeres-<lb/>
fläche, in deren Smaragdgrün die Sonnen&#x017F;trahlen &#x017F;ich badeten.<lb/>
Ein eigenthümlich erhebendes Gefühl &#x017F;chwellte un&#x017F;ere Bru&#x017F;t.<lb/>
Das &#x017F;chwarzrothgoldene Banner mit dem Reichsadler, das<lb/>
Symbol neuer&#x017F;tandener deut&#x017F;cher Seemächtigkeit, flatterte zum er&#x017F;ten<lb/>
Male auf dem Meere und patrioti&#x017F;cher Stolz &#x017F;chwellte un&#x017F;ere<lb/>
Herzen in dem Gedanken, daß wir uns möglicher Wei&#x017F;e noch<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[190/0202] Werner namentlich mit Geſchützen neuen Modelles, eine unerläßliche Vor- bedingung ſei, davon hatte unſer Kapitän keine Ahnung; der Commodore hatte ſie wol vorausgeſetzt und wir jüngeren Offi- ciere waren artilleriſtiſch noch zu unerfahren, und glaubten, gutes Exercitium und Richtübungen ſeien genügend. Es war ein herrlicher Sommertag und die Sonne ſchien warm vom wolkenloſen Himmel herab, als wir unter dem Hurrah Tauſender von Zuſchauern, welche die Ufer der Weſer beſäum- ten, die Rhede von Bremerhafen verließen, um ſeewärts zu dampfen. Der „Barbaroſſa,“ das Flaggſchiff, mit dem Com- modore-Stander an der Spitze des Großmaſtes, führte, „Hamburg“ und „Lübeck“ folgten zu beiden Seiten, mit erſterem ein gleichſeitiges Dreieck bildend. Mit ſchneller Fahrt ging es den Strom hinab, aus den Schornſteinen quollen dunkle Rauch- ſäulen, die Radſchaufeln peitſchten die Fluthen und die Schiffe zogen ein breites ſchäumendes Kielwaſſer. Um dem Feinde ein etwaiges Einlaufen in die Weſer zu wehren, waren alle Seezeichen entfernt, aber unſere tüchtigen Lootſen kannten trotzdem an ihren Landmarken das Fahrwaſſer ſo genau, daß wir mit ungehemmter Fahrt zwiſchen den Un- tiefen dahinflogen und bald die an der veränderten Waſſer- färbung kenntliche Mündung erreichten. Die Nordſee — das deutſche Meer, wie es die Eng- länder richtig bezeichnen, lag vor uns. Es herrſchte faſt völlige Windſtille; nur ein leiſer ſüdlicher Hauch kräuſelte hier und dort ganz leicht die ſonſt wie ein Spiegel ſich dehnende Meeres- fläche, in deren Smaragdgrün die Sonnenſtrahlen ſich badeten. Ein eigenthümlich erhebendes Gefühl ſchwellte unſere Bruſt. Das ſchwarzrothgoldene Banner mit dem Reichsadler, das Symbol neuerſtandener deutſcher Seemächtigkeit, flatterte zum erſten Male auf dem Meere und patriotiſcher Stolz ſchwellte unſere Herzen in dem Gedanken, daß wir uns möglicher Weiſe noch

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/202
Zitationshilfe: Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 190. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/202>, abgerufen am 22.11.2024.