sammlung bewilligten sechs Millionen Thaler, wandte es sich sowohl an jene, wie auch an den Bundestag mit dem Antrage, drei kleine Handelsdampfer anzukaufen und zu armiren, um mit ihnen und den beiden Segelschiffen einen Handstreich auf das dänische Blockadegeschwader zu unternehmen.
Man sieht, der alte unternehmende Geist ihrer Vorväter war noch nicht von den Hamburgern gewichen, aber der Marine- ausschuß der Nationalversammlung glaubte vorsichtiger sein zu müssen. Er zweifelte stark an dem Gelingen eines solchen Unter- nehmens, weil, abgesehen von dem mangelhaften Material der Schiffe, er mit Recht auf das Fehlen geeigneter Führer, so wie auf den Umstand hinwies, daß weder Officiere noch Mannschaften mit den Geschützen umzugehen verständen. Der Ausschuß ver- hielt sich deshalb gegen das Project ablehnend. Der Bundes- tag theilte diese Bedenken jedoch nicht. Ganz im Widerspruch mit der ihm sonst eigenen übergroßen Ruhe und Bedachtsamkeit ging er sofort auf die Vorschläge des Hamburger Comites ein und überwies dem letzteren am 6. Juni 1848 und zwar ohne Wissen des Marineausschusses die verlangte Summe von 300,000 Thalern. Dies Verfahren kennzeichnete allerdings schon zur Genüge den Stand der Dinge in Frankfurt und illu- strirte die "Einheit" des deutschen Reichs. Das Geld wurde dem Festungsbaufonds entnommen, denn von den sechs Millio- nen Thalern war noch nichts vorhanden. Die Nationalver- sammlung hatte sie decretirt, aber die Eincassirung machte zu große Schwierigkeiten.
Für jene 300,000 Thaler wurden Ende Juni drei Dampf- schiffe der Hamburg-Huller Dampfschiffahrtgesellschaft angekauft, armirt und ausgerüstet und sie erhielten die Namen "Hamburg", "Bremen" und "Lübeck". Zwei von den früheren Kapitänen dieser Dampfer -- beide Engländer -- wurden mit übernommen, ebenso das Maschinenpersonal. Die Stellen der noch fehlenden Officiere besetzte man mit Kapitänen und Steuerleuten aus der
Die deutſche Marine 1848—1852
ſammlung bewilligten ſechs Millionen Thaler, wandte es ſich ſowohl an jene, wie auch an den Bundestag mit dem Antrage, drei kleine Handelsdampfer anzukaufen und zu armiren, um mit ihnen und den beiden Segelſchiffen einen Handſtreich auf das däniſche Blockadegeſchwader zu unternehmen.
Man ſieht, der alte unternehmende Geiſt ihrer Vorväter war noch nicht von den Hamburgern gewichen, aber der Marine- ausſchuß der Nationalverſammlung glaubte vorſichtiger ſein zu müſſen. Er zweifelte ſtark an dem Gelingen eines ſolchen Unter- nehmens, weil, abgeſehen von dem mangelhaften Material der Schiffe, er mit Recht auf das Fehlen geeigneter Führer, ſo wie auf den Umſtand hinwies, daß weder Officiere noch Mannſchaften mit den Geſchützen umzugehen verſtänden. Der Ausſchuß ver- hielt ſich deshalb gegen das Project ablehnend. Der Bundes- tag theilte dieſe Bedenken jedoch nicht. Ganz im Widerſpruch mit der ihm ſonſt eigenen übergroßen Ruhe und Bedachtſamkeit ging er ſofort auf die Vorſchläge des Hamburger Comités ein und überwies dem letzteren am 6. Juni 1848 und zwar ohne Wiſſen des Marineausſchuſſes die verlangte Summe von 300,000 Thalern. Dies Verfahren kennzeichnete allerdings ſchon zur Genüge den Stand der Dinge in Frankfurt und illu- ſtrirte die „Einheit“ des deutſchen Reichs. Das Geld wurde dem Feſtungsbaufonds entnommen, denn von den ſechs Millio- nen Thalern war noch nichts vorhanden. Die Nationalver- ſammlung hatte ſie decretirt, aber die Eincaſſirung machte zu große Schwierigkeiten.
Für jene 300,000 Thaler wurden Ende Juni drei Dampf- ſchiffe der Hamburg-Huller Dampfſchiffahrtgeſellſchaft angekauft, armirt und ausgerüſtet und ſie erhielten die Namen „Hamburg“, „Bremen“ und „Lübeck“. Zwei von den früheren Kapitänen dieſer Dampfer — beide Engländer — wurden mit übernommen, ebenſo das Maſchinenperſonal. Die Stellen der noch fehlenden Officiere beſetzte man mit Kapitänen und Steuerleuten aus der
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Die deutſche Marine 1848—1852
ſammlung bewilligten ſechs Millionen Thaler, wandte es ſich
ſowohl an jene, wie auch an den Bundestag mit dem Antrage,
drei kleine Handelsdampfer anzukaufen und zu armiren, um mit
ihnen und den beiden Segelſchiffen einen Handſtreich auf das
däniſche Blockadegeſchwader zu unternehmen.
Man ſieht, der alte unternehmende Geiſt ihrer Vorväter
war noch nicht von den Hamburgern gewichen, aber der Marine-
ausſchuß der Nationalverſammlung glaubte vorſichtiger ſein zu
müſſen. Er zweifelte ſtark an dem Gelingen eines ſolchen Unter-
nehmens, weil, abgeſehen von dem mangelhaften Material der
Schiffe, er mit Recht auf das Fehlen geeigneter Führer, ſo wie
auf den Umſtand hinwies, daß weder Officiere noch Mannſchaften
mit den Geſchützen umzugehen verſtänden. Der Ausſchuß ver-
hielt ſich deshalb gegen das Project ablehnend. Der Bundes-
tag theilte dieſe Bedenken jedoch nicht. Ganz im Widerſpruch
mit der ihm ſonſt eigenen übergroßen Ruhe und Bedachtſamkeit
ging er ſofort auf die Vorſchläge des Hamburger Comités ein
und überwies dem letzteren am 6. Juni 1848 und zwar ohne
Wiſſen des Marineausſchuſſes die verlangte Summe
von 300,000 Thalern. Dies Verfahren kennzeichnete allerdings
ſchon zur Genüge den Stand der Dinge in Frankfurt und illu-
ſtrirte die „Einheit“ des deutſchen Reichs. Das Geld wurde
dem Feſtungsbaufonds entnommen, denn von den ſechs Millio-
nen Thalern war noch nichts vorhanden. Die Nationalver-
ſammlung hatte ſie decretirt, aber die Eincaſſirung machte zu
große Schwierigkeiten.
Für jene 300,000 Thaler wurden Ende Juni drei Dampf-
ſchiffe der Hamburg-Huller Dampfſchiffahrtgeſellſchaft angekauft,
armirt und ausgerüſtet und ſie erhielten die Namen „Hamburg“,
„Bremen“ und „Lübeck“. Zwei von den früheren Kapitänen
dieſer Dampfer — beide Engländer — wurden mit übernommen,
ebenſo das Maſchinenperſonal. Die Stellen der noch fehlenden
Officiere beſetzte man mit Kapitänen und Steuerleuten aus der
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 151. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/163>, abgerufen am 28.07.2024.
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