im ganzen Lande; man erkannte, was Energie und fester Wille vermochten. Die Beschaffungskosten wurden aus den eingegangenen freiwilligen Beiträgen bestritten, die wenigstens in den ersten Wochen der Sammlungen ziemlich reichlich geflossen waren. Der Enthusiasmus erhöhte sich noch, als der Rheder Sloman in ehrenvoll patriotischer Weise sein dreimastiges Segelschiff "Frank- lin" dem Comite unentgeltlich zur Disposition stellte, und die Vorstadt St. Pauli auf ihre Kosten ein Ruderkanonenboot bauen ließ.
Die "Deutschland" hatte für ein Schiff zwar schon ein ehrwürdiges Alter und durfte von sich sagen: "Schier dreißig Jahre bin ich alt," da sie 1819 in Bombay das Licht der Welt erblickte, aber jedenfalls war sie sehr gut und vom besten Ostindischen Teakholz gebaut, größer als irgend eins der deut- schen Kauffarteischiffe und deshalb der Gedanke, sie in ein Kriegs- schiff umzuwandeln, an und für sich nicht so verkehrt. Nur beging man den großen Fehler, sie "Fregatte" zu taufen und da- durch die in Marineangelegenheiten so unkundigen Binnenländern glauben zu machen, es sei ein den dänischen Fregatten eben- bürtiges Schiff aus dem Boden gestampft. "Leichte Corvette" wäre eine anspruchlosere aber passendere Bezeichnung dafür ge- wesen. Eine Fregatte, wie z. B. die "Gefion", war, abgesehen von allen sonstigen Unterschieden, damals noch einmal so groß, noch einmal so stark, wie die "Deutschland" und kostete die zehn- fache Summe.
Ohne Zeitverlust wurde seitens des Comite an die Um- wandlung der beiden Schiffe zu Kriegsfahrzeugen gegangen, allein schon jetzt kam ein empfindlicher Rückschlag. Man sah, daß das eigene Können überschätzt war. Trotz des besten Willens begegnete man bei der Arbeit den größten Schwierigkeiten, weil es gänzlich an Sachverständigen fehlte und in der Eile auch keine aus dem Auslande herangezogen werden konnten. Das alte Sprüchwort "Viel Köpfe, viel Sinne" brachte sich nach-
Die deutſche Marine 1848—1852
im ganzen Lande; man erkannte, was Energie und feſter Wille vermochten. Die Beſchaffungskoſten wurden aus den eingegangenen freiwilligen Beiträgen beſtritten, die wenigſtens in den erſten Wochen der Sammlungen ziemlich reichlich gefloſſen waren. Der Enthuſiasmus erhöhte ſich noch, als der Rheder Sloman in ehrenvoll patriotiſcher Weiſe ſein dreimaſtiges Segelſchiff „Frank- lin“ dem Comité unentgeltlich zur Dispoſition ſtellte, und die Vorſtadt St. Pauli auf ihre Koſten ein Ruderkanonenboot bauen ließ.
Die „Deutſchland“ hatte für ein Schiff zwar ſchon ein ehrwürdiges Alter und durfte von ſich ſagen: „Schier dreißig Jahre bin ich alt,“ da ſie 1819 in Bombay das Licht der Welt erblickte, aber jedenfalls war ſie ſehr gut und vom beſten Oſtindiſchen Teakholz gebaut, größer als irgend eins der deut- ſchen Kauffarteiſchiffe und deshalb der Gedanke, ſie in ein Kriegs- ſchiff umzuwandeln, an und für ſich nicht ſo verkehrt. Nur beging man den großen Fehler, ſie „Fregatte“ zu taufen und da- durch die in Marineangelegenheiten ſo unkundigen Binnenländern glauben zu machen, es ſei ein den däniſchen Fregatten eben- bürtiges Schiff aus dem Boden geſtampft. „Leichte Corvette“ wäre eine anſpruchloſere aber paſſendere Bezeichnung dafür ge- weſen. Eine Fregatte, wie z. B. die „Gefion“, war, abgeſehen von allen ſonſtigen Unterſchieden, damals noch einmal ſo groß, noch einmal ſo ſtark, wie die „Deutſchland“ und koſtete die zehn- fache Summe.
Ohne Zeitverluſt wurde ſeitens des Comité an die Um- wandlung der beiden Schiffe zu Kriegsfahrzeugen gegangen, allein ſchon jetzt kam ein empfindlicher Rückſchlag. Man ſah, daß das eigene Können überſchätzt war. Trotz des beſten Willens begegnete man bei der Arbeit den größten Schwierigkeiten, weil es gänzlich an Sachverſtändigen fehlte und in der Eile auch keine aus dem Auslande herangezogen werden konnten. Das alte Sprüchwort „Viel Köpfe, viel Sinne“ brachte ſich nach-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0161"n="149"/><fwplace="top"type="header">Die deutſche Marine 1848—1852</fw><lb/>
im ganzen Lande; man erkannte, was Energie und feſter Wille<lb/>
vermochten. Die Beſchaffungskoſten wurden aus den eingegangenen<lb/>
freiwilligen Beiträgen beſtritten, die wenigſtens in den erſten<lb/>
Wochen der Sammlungen ziemlich reichlich gefloſſen waren. Der<lb/>
Enthuſiasmus erhöhte ſich noch, als der Rheder Sloman in<lb/>
ehrenvoll patriotiſcher Weiſe ſein dreimaſtiges Segelſchiff „Frank-<lb/>
lin“ dem Comit<hirendition="#aq">é</hi> unentgeltlich zur Dispoſition ſtellte, und die<lb/>
Vorſtadt St. Pauli auf ihre Koſten ein Ruderkanonenboot<lb/>
bauen ließ.</p><lb/><p>Die „Deutſchland“ hatte für ein Schiff zwar ſchon ein<lb/>
ehrwürdiges Alter und durfte von ſich ſagen: „Schier dreißig<lb/>
Jahre bin ich alt,“ da ſie 1819 in Bombay das Licht der<lb/>
Welt erblickte, aber jedenfalls war ſie ſehr gut und vom beſten<lb/>
Oſtindiſchen Teakholz gebaut, größer als irgend eins der deut-<lb/>ſchen Kauffarteiſchiffe und deshalb der Gedanke, ſie in ein Kriegs-<lb/>ſchiff umzuwandeln, an und für ſich nicht ſo verkehrt. Nur<lb/>
beging man den großen Fehler, ſie „Fregatte“ zu taufen und da-<lb/>
durch die in Marineangelegenheiten ſo unkundigen Binnenländern<lb/>
glauben zu machen, es ſei ein den däniſchen Fregatten eben-<lb/>
bürtiges Schiff aus dem Boden geſtampft. „Leichte Corvette“<lb/>
wäre eine anſpruchloſere aber paſſendere Bezeichnung dafür ge-<lb/>
weſen. Eine Fregatte, wie z. B. die „Gefion“, war, abgeſehen<lb/>
von allen ſonſtigen Unterſchieden, damals noch einmal ſo groß,<lb/>
noch einmal ſo ſtark, wie die „Deutſchland“ und koſtete die zehn-<lb/>
fache Summe.</p><lb/><p>Ohne Zeitverluſt wurde ſeitens des Comit<hirendition="#aq">é</hi> an die Um-<lb/>
wandlung der beiden Schiffe zu Kriegsfahrzeugen gegangen,<lb/>
allein ſchon jetzt kam ein empfindlicher Rückſchlag. Man ſah,<lb/>
daß das eigene Können überſchätzt war. Trotz des beſten Willens<lb/>
begegnete man bei der Arbeit den größten Schwierigkeiten, weil<lb/>
es gänzlich an Sachverſtändigen fehlte und in der Eile auch<lb/>
keine aus dem Auslande herangezogen werden konnten. Das<lb/>
alte Sprüchwort „Viel Köpfe, viel Sinne“ brachte ſich nach-<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[149/0161]
Die deutſche Marine 1848—1852
im ganzen Lande; man erkannte, was Energie und feſter Wille
vermochten. Die Beſchaffungskoſten wurden aus den eingegangenen
freiwilligen Beiträgen beſtritten, die wenigſtens in den erſten
Wochen der Sammlungen ziemlich reichlich gefloſſen waren. Der
Enthuſiasmus erhöhte ſich noch, als der Rheder Sloman in
ehrenvoll patriotiſcher Weiſe ſein dreimaſtiges Segelſchiff „Frank-
lin“ dem Comité unentgeltlich zur Dispoſition ſtellte, und die
Vorſtadt St. Pauli auf ihre Koſten ein Ruderkanonenboot
bauen ließ.
Die „Deutſchland“ hatte für ein Schiff zwar ſchon ein
ehrwürdiges Alter und durfte von ſich ſagen: „Schier dreißig
Jahre bin ich alt,“ da ſie 1819 in Bombay das Licht der
Welt erblickte, aber jedenfalls war ſie ſehr gut und vom beſten
Oſtindiſchen Teakholz gebaut, größer als irgend eins der deut-
ſchen Kauffarteiſchiffe und deshalb der Gedanke, ſie in ein Kriegs-
ſchiff umzuwandeln, an und für ſich nicht ſo verkehrt. Nur
beging man den großen Fehler, ſie „Fregatte“ zu taufen und da-
durch die in Marineangelegenheiten ſo unkundigen Binnenländern
glauben zu machen, es ſei ein den däniſchen Fregatten eben-
bürtiges Schiff aus dem Boden geſtampft. „Leichte Corvette“
wäre eine anſpruchloſere aber paſſendere Bezeichnung dafür ge-
weſen. Eine Fregatte, wie z. B. die „Gefion“, war, abgeſehen
von allen ſonſtigen Unterſchieden, damals noch einmal ſo groß,
noch einmal ſo ſtark, wie die „Deutſchland“ und koſtete die zehn-
fache Summe.
Ohne Zeitverluſt wurde ſeitens des Comité an die Um-
wandlung der beiden Schiffe zu Kriegsfahrzeugen gegangen,
allein ſchon jetzt kam ein empfindlicher Rückſchlag. Man ſah,
daß das eigene Können überſchätzt war. Trotz des beſten Willens
begegnete man bei der Arbeit den größten Schwierigkeiten, weil
es gänzlich an Sachverſtändigen fehlte und in der Eile auch
keine aus dem Auslande herangezogen werden konnten. Das
alte Sprüchwort „Viel Köpfe, viel Sinne“ brachte ſich nach-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 149. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/161>, abgerufen am 16.02.2025.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften
(Kontakt).
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2025. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.