Wenn wir beigedreht lagen, wurde wenig gearbeitet, höch- stens Werg gezupft oder Flechtwerk aus Kabelgarnen gefertigt, eine Beschäftigung, bei der man sich in eine möglichst geschützte Ecke drückte und die Zeit durch Erzählungen kürzte. Der Kapi- tän hatte aber auch nichts dagegen, wenn wir an solchen Tagen Albatrosse und Captauben angelten, die zu Hunderten unser Schiff umschwärmten und mit großem Geschrei um jeden Bissen Abfall kämpften, der aus der Kombüse über Bord ging. Sie bissen wie die Fische auf die mit etwas Speck geköderten Angel- haken und wir fingen sie dutzendweise. Die Captauben sind etwas größer als unsere Tauben, die Albatrosse erreichen jedoch ein Gewicht von 15--20 Pfund; einzelne derselben maßen mit ausgespannten Flügeln 10--12 Fuß. Diese außergewöhn- lich langen Flügel machen es ihnen unmöglich, sich von einer glatten Fläche, wie z. B. von einem Schiffsdeck zu erheben. Wenn sie schwimmen, müssen sie stets abwarten, bis sie sich auf der Spitze einer Welle befinden, ehe sie in die Höhe fliegen können. Sobald wir sie aber auf das Deck setzten, wurden sie sowie auch die Captauben sichtlich seekrank. Als Speise sind beide Vogelarten nicht zu verwerthen; das Fleisch ist so hart und thranig, daß nur der größte Hunger es verzehrbar macht, und man fängt sie nur wegen der Federn. Diese decken in so ungemeiner Fülle namentlich die Brust, daß der Körper von der Größe eines Schwanes erscheint, aber gerupft nicht viel größer als ein Hahn ist. Als sparsamer Hausvater ließ unser Kapitän die gefangenen Thiere sorgsam rupfen, und da wir während der Reise einige zwanzig Albatrosse angelten, so hat er seiner Frau gewiß das nöthige Federmaterial für ein paar vollständige Betten mitgebracht; der Brustpelz gab den schönsten Eiderdunen nichts nach. Sonst bot die Reise auf dieser Strecke wenig Abwechselung und war ungemein eintönig. Schiffe hatten wir seit dem Passiren des Aequators, d. h. seit einigen Mona- ten nicht gesehen; nach Eisbergen hielten wir scharfen Ausguck
Eine erſte Seereiſe
Wenn wir beigedreht lagen, wurde wenig gearbeitet, höch- ſtens Werg gezupft oder Flechtwerk aus Kabelgarnen gefertigt, eine Beſchäftigung, bei der man ſich in eine möglichſt geſchützte Ecke drückte und die Zeit durch Erzählungen kürzte. Der Kapi- tän hatte aber auch nichts dagegen, wenn wir an ſolchen Tagen Albatroſſe und Captauben angelten, die zu Hunderten unſer Schiff umſchwärmten und mit großem Geſchrei um jeden Biſſen Abfall kämpften, der aus der Kombüſe über Bord ging. Sie biſſen wie die Fiſche auf die mit etwas Speck geköderten Angel- haken und wir fingen ſie dutzendweiſe. Die Captauben ſind etwas größer als unſere Tauben, die Albatroſſe erreichen jedoch ein Gewicht von 15—20 Pfund; einzelne derſelben maßen mit ausgeſpannten Flügeln 10—12 Fuß. Dieſe außergewöhn- lich langen Flügel machen es ihnen unmöglich, ſich von einer glatten Fläche, wie z. B. von einem Schiffsdeck zu erheben. Wenn ſie ſchwimmen, müſſen ſie ſtets abwarten, bis ſie ſich auf der Spitze einer Welle befinden, ehe ſie in die Höhe fliegen können. Sobald wir ſie aber auf das Deck ſetzten, wurden ſie ſowie auch die Captauben ſichtlich ſeekrank. Als Speiſe ſind beide Vogelarten nicht zu verwerthen; das Fleiſch iſt ſo hart und thranig, daß nur der größte Hunger es verzehrbar macht, und man fängt ſie nur wegen der Federn. Dieſe decken in ſo ungemeiner Fülle namentlich die Bruſt, daß der Körper von der Größe eines Schwanes erſcheint, aber gerupft nicht viel größer als ein Hahn iſt. Als ſparſamer Hausvater ließ unſer Kapitän die gefangenen Thiere ſorgſam rupfen, und da wir während der Reiſe einige zwanzig Albatroſſe angelten, ſo hat er ſeiner Frau gewiß das nöthige Federmaterial für ein paar vollſtändige Betten mitgebracht; der Bruſtpelz gab den ſchönſten Eiderdunen nichts nach. Sonſt bot die Reiſe auf dieſer Strecke wenig Abwechſelung und war ungemein eintönig. Schiffe hatten wir ſeit dem Paſſiren des Aequators, d. h. ſeit einigen Mona- ten nicht geſehen; nach Eisbergen hielten wir ſcharfen Ausguck
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Eine erſte Seereiſe
Wenn wir beigedreht lagen, wurde wenig gearbeitet, höch-
ſtens Werg gezupft oder Flechtwerk aus Kabelgarnen gefertigt,
eine Beſchäftigung, bei der man ſich in eine möglichſt geſchützte
Ecke drückte und die Zeit durch Erzählungen kürzte. Der Kapi-
tän hatte aber auch nichts dagegen, wenn wir an ſolchen Tagen
Albatroſſe und Captauben angelten, die zu Hunderten unſer
Schiff umſchwärmten und mit großem Geſchrei um jeden Biſſen
Abfall kämpften, der aus der Kombüſe über Bord ging. Sie
biſſen wie die Fiſche auf die mit etwas Speck geköderten Angel-
haken und wir fingen ſie dutzendweiſe. Die Captauben ſind
etwas größer als unſere Tauben, die Albatroſſe erreichen jedoch
ein Gewicht von 15—20 Pfund; einzelne derſelben maßen
mit ausgeſpannten Flügeln 10—12 Fuß. Dieſe außergewöhn-
lich langen Flügel machen es ihnen unmöglich, ſich von einer
glatten Fläche, wie z. B. von einem Schiffsdeck zu erheben.
Wenn ſie ſchwimmen, müſſen ſie ſtets abwarten, bis ſie ſich auf
der Spitze einer Welle befinden, ehe ſie in die Höhe fliegen
können. Sobald wir ſie aber auf das Deck ſetzten, wurden ſie
ſowie auch die Captauben ſichtlich ſeekrank. Als Speiſe ſind
beide Vogelarten nicht zu verwerthen; das Fleiſch iſt ſo hart
und thranig, daß nur der größte Hunger es verzehrbar macht,
und man fängt ſie nur wegen der Federn. Dieſe decken in ſo
ungemeiner Fülle namentlich die Bruſt, daß der Körper von
der Größe eines Schwanes erſcheint, aber gerupft nicht viel
größer als ein Hahn iſt. Als ſparſamer Hausvater ließ unſer
Kapitän die gefangenen Thiere ſorgſam rupfen, und da wir
während der Reiſe einige zwanzig Albatroſſe angelten, ſo hat
er ſeiner Frau gewiß das nöthige Federmaterial für ein paar
vollſtändige Betten mitgebracht; der Bruſtpelz gab den ſchönſten
Eiderdunen nichts nach. Sonſt bot die Reiſe auf dieſer Strecke
wenig Abwechſelung und war ungemein eintönig. Schiffe hatten
wir ſeit dem Paſſiren des Aequators, d. h. ſeit einigen Mona-
ten nicht geſehen; nach Eisbergen hielten wir ſcharfen Ausguck
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Werner, Reinhold von: Erinnerungen und Bilder aus dem Seeleben. Berlin, 1880, S. 107. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/werner_seeleben_1880/119>, abgerufen am 28.11.2024.
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