Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weiss, Philipp Friedrich: Ueber den Starrkrampf. Stuttgart, 1824.

Bild:
<< vorherige Seite


sammenziehung der Muskeln im Krampf für
einen Lebens-Akt hält.

Mit dieser Hypothese kommt die von Stütz
in so fern überein, als nach ihr ein Stoff in den
Muskelzellchen abnorm angehäuft wird und
diese ausdehnt. Dieser Stoff ist der vom un-
verletzten Blutumlauf immer neu zugeführte
Sauerstoff, während der Zufluss der andern
Stoffe, durch deren beständige Verbindung mit
dem Sauerstoff in den Muskelzellchen die un-
merkliche Muskelbewegung (Oscillation in der
Expansion) und bey grösserer Lebhaftigkeit des
chemischen Processes, die sichtbare Muskel-
Bewegung (Oscillation in der Contraction) vor
sich geht, vermindert wird; theils, und vor-
züglich, durch die gestörte Leitungs-Fähigkeit
der Nerven, die Stickstoff aus dem Gehirn in
die Muskelzellchen führen sollen, theils durch
Schwächung des chemisch-organischen Pro-
cesses in der Muskelzelle, wodurch Wasser-
stoff und Kohlenstoff aus dieser entwickelt
werden sollte. Diese Hypothese ist mit so
vielem Scharfsinn ausgeführt, dass man ihr
nicht widersprechen könnte, wenn scharfsin-
nige Folgerungen einen ganz hypothetischen
oder falschen Vordersatz wahr machen könn-
ten. Die Existenz eigentlicher Muskelzellchen
ist sehr unwahrscheinlich; wiewohl Stütz den
Process in denselben chemisch-organisch nennt,


sammenziehung der Muskeln im Krampf für
einen Lebens-Akt hält.

Mit dieser Hypothese kommt die von Stütz
in so fern überein, als nach ihr ein Stoff in den
Muskelzellchen abnorm angehäuft wird und
diese ausdehnt. Dieser Stoff ist der vom un-
verletzten Blutumlauf immer neu zugeführte
Sauerstoff, während der Zufluss der andern
Stoffe, durch deren beständige Verbindung mit
dem Sauerstoff in den Muskelzellchen die un-
merkliche Muskelbewegung (Oscillation in der
Expansion) und bey grösserer Lebhaftigkeit des
chemischen Processes, die sichtbare Muskel-
Bewegung (Oscillation in der Contraction) vor
sich geht, vermindert wird; theils, und vor-
züglich, durch die gestörte Leitungs-Fähigkeit
der Nerven, die Stickstoff aus dem Gehirn in
die Muskelzellchen führen sollen, theils durch
Schwächung des chemisch-organischen Pro-
cesses in der Muskelzelle, wodurch Wasser-
stoff und Kohlenstoff aus dieser entwickelt
werden sollte. Diese Hypothese ist mit so
vielem Scharfsinn ausgeführt, dass man ihr
nicht widersprechen könnte, wenn scharfsin-
nige Folgerungen einen ganz hypothetischen
oder falschen Vordersatz wahr machen könn-
ten. Die Existenz eigentlicher Muskelzellchen
ist sehr unwahrscheinlich; wiewohl Stütz den
Process in denselben chemisch-organisch nennt,

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0063" n="53"/><lb/>
sammenziehung der Muskeln im Krampf für<lb/>
einen Lebens-Akt hält. </p><lb/>
        <p>Mit dieser Hypothese kommt die von <hi rendition="#i">Stütz</hi><lb/>
in so fern überein, als nach ihr ein Stoff in den<lb/>
Muskelzellchen abnorm
                angehäuft wird und<lb/>
diese ausdehnt. Dieser Stoff ist der vom un-<lb/>
verletzten
                Blutumlauf immer neu zugeführte<lb/>
Sauerstoff, während der Zufluss der
                andern<lb/>
Stoffe, durch deren beständige Verbindung mit<lb/>
dem Sauerstoff in den
                Muskelzellchen die un-<lb/>
merkliche Muskelbewegung (Oscillation in
                der<lb/>
Expansion) und bey grösserer Lebhaftigkeit des<lb/>
chemischen Processes, die
                sichtbare Muskel-<lb/>
Bewegung (Oscillation in der Contraction) vor<lb/>
sich geht,
                vermindert wird; theils, und vor-<lb/>
züglich, durch die gestörte
                Leitungs-Fähigkeit<lb/>
der Nerven, die Stickstoff aus dem Gehirn in<lb/>
die
                Muskelzellchen führen sollen, theils durch<lb/>
Schwächung des chemisch-organischen
                Pro-<lb/>
cesses in der Muskelzelle, wodurch Wasser-<lb/>
stoff und Kohlenstoff aus
                dieser entwickelt<lb/>
werden sollte. Diese Hypothese ist mit so<lb/>
vielem Scharfsinn
                ausgeführt, dass man ihr<lb/>
nicht widersprechen könnte, wenn scharfsin-<lb/>
nige
                Folgerungen einen ganz hypothetischen<lb/>
oder falschen Vordersatz wahr machen
                könn-<lb/>
ten. Die Existenz eigentlicher Muskelzellchen<lb/>
ist sehr
                unwahrscheinlich; wiewohl <hi rendition="#i">Stütz</hi> den<lb/>
Process in denselben
                chemisch-organisch nennt,<lb/></p>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[53/0063] sammenziehung der Muskeln im Krampf für einen Lebens-Akt hält. Mit dieser Hypothese kommt die von Stütz in so fern überein, als nach ihr ein Stoff in den Muskelzellchen abnorm angehäuft wird und diese ausdehnt. Dieser Stoff ist der vom un- verletzten Blutumlauf immer neu zugeführte Sauerstoff, während der Zufluss der andern Stoffe, durch deren beständige Verbindung mit dem Sauerstoff in den Muskelzellchen die un- merkliche Muskelbewegung (Oscillation in der Expansion) und bey grösserer Lebhaftigkeit des chemischen Processes, die sichtbare Muskel- Bewegung (Oscillation in der Contraction) vor sich geht, vermindert wird; theils, und vor- züglich, durch die gestörte Leitungs-Fähigkeit der Nerven, die Stickstoff aus dem Gehirn in die Muskelzellchen führen sollen, theils durch Schwächung des chemisch-organischen Pro- cesses in der Muskelzelle, wodurch Wasser- stoff und Kohlenstoff aus dieser entwickelt werden sollte. Diese Hypothese ist mit so vielem Scharfsinn ausgeführt, dass man ihr nicht widersprechen könnte, wenn scharfsin- nige Folgerungen einen ganz hypothetischen oder falschen Vordersatz wahr machen könn- ten. Die Existenz eigentlicher Muskelzellchen ist sehr unwahrscheinlich; wiewohl Stütz den Process in denselben chemisch-organisch nennt,

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Thomas Gloning, Hannah Sophia Glaum: Bereitstellung der Texttranskription und strukturellen Auszeichnung. (2013-05-03T12:17:31Z)
Bayerische StaatsBibliothek: Bereitstellung der Bilddigitalisate (2013-05-03T12:17:31Z)

Weitere Informationen:

Anmerkungen zur Transkription:

  • Silbentrennung wurde aufgehoben.



Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weiss_starrkrampf_1824
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weiss_starrkrampf_1824/63
Zitationshilfe: Weiss, Philipp Friedrich: Ueber den Starrkrampf. Stuttgart, 1824, S. 53. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weiss_starrkrampf_1824/63>, abgerufen am 06.05.2024.