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Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893.

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selben Art. Wir verdanken Forel eine ganze Liste genauer
Angaben über diese Verhältnisse. So besitzt z. B. das
Männchen von Formica pratensis ungefähr 1200 Facetten
an jedem Auge, das Weibchen derselben Art nur 830, die
Arbeiterin aber deren nur nahezu 600; bei der gewöhn-
lichen Rasenameise Solenopsis fugax hat das Männchen mehr
als 400 Facetten, das Weibchen etwa 200 und die Arbeiterin
nur 6--9.

Dass die Männchen die am höchsten entwickelten Augen
besitzen, kann den nicht überraschen, der weiss, dass das-
selbe bei sehr vielen Insecten der Fall ist; gibt es doch
unter den Ephemeriden Arten (Potamanthus), bei welchen
das Männchen ausser den gewöhnlichen Netzaugen noch
ganz besondere grosse, turbanförmige Augen oben auf dem
Kopfe trägt, die ihm ein ganz sonderbares Aussehen geben.
Es sind aber die Männchen, welche die Weibchen aufsuchen,
und denen deshalb bessere Sehwerkzeuge beim Flug hoch
in der Luft von Vortheil sind. Aber auch die Weibchen
der Ameisen bedürfen der Augen beim Hochzeitsflug, und
nur die Arbeiter, die stets am Boden und viel sogar im
Dunkeln leben und arbeiten, können nur einen beschränkten
Gebrauch von ihrem Gesichtsorgan machen.

Aber man wird vielleicht zweifeln, ob hier in der That
eine Rückbildung bei den Arbeiterinnen, und nicht vielleicht
einfach nur eine Steigerung in der Entwickelung der Netz-
augen bei den Weibchen und Männchen vorliege. Ich
halte es auch sehr wohl für möglich, dass in manchen
Fällen die Netzaugen der Weibchen und Männchen sich seit
der Feststellung eines Arbeitertypus noch vergrössert haben,
allein nicht nur der Schwund der Punktaugen (Ocellen) bei
vielen Arten beweist, dass dennoch zugleich eine Re-

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selben Art. Wir verdanken Forel eine ganze Liste genauer
Angaben über diese Verhältnisse. So besitzt z. B. das
Männchen von Formica pratensis ungefähr 1200 Facetten
an jedem Auge, das Weibchen derselben Art nur 830, die
Arbeiterin aber deren nur nahezu 600; bei der gewöhn-
lichen Rasenameise Solenopsis fugax hat das Männchen mehr
als 400 Facetten, das Weibchen etwa 200 und die Arbeiterin
nur 6—9.

Dass die Männchen die am höchsten entwickelten Augen
besitzen, kann den nicht überraschen, der weiss, dass das-
selbe bei sehr vielen Insecten der Fall ist; gibt es doch
unter den Ephemeriden Arten (Potamanthus), bei welchen
das Männchen ausser den gewöhnlichen Netzaugen noch
ganz besondere grosse, turbanförmige Augen oben auf dem
Kopfe trägt, die ihm ein ganz sonderbares Aussehen geben.
Es sind aber die Männchen, welche die Weibchen aufsuchen,
und denen deshalb bessere Sehwerkzeuge beim Flug hoch
in der Luft von Vortheil sind. Aber auch die Weibchen
der Ameisen bedürfen der Augen beim Hochzeitsflug, und
nur die Arbeiter, die stets am Boden und viel sogar im
Dunkeln leben und arbeiten, können nur einen beschränkten
Gebrauch von ihrem Gesichtsorgan machen.

Aber man wird vielleicht zweifeln, ob hier in der That
eine Rückbildung bei den Arbeiterinnen, und nicht vielleicht
einfach nur eine Steigerung in der Entwickelung der Netz-
augen bei den Weibchen und Männchen vorliege. Ich
halte es auch sehr wohl für möglich, dass in manchen
Fällen die Netzaugen der Weibchen und Männchen sich seit
der Feststellung eines Arbeitertypus noch vergrössert haben,
allein nicht nur der Schwund der Punktaugen (Ocellen) bei
vielen Arten beweist, dass dennoch zugleich eine Re-

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[19/0031] selben Art. Wir verdanken Forel eine ganze Liste genauer Angaben über diese Verhältnisse. So besitzt z. B. das Männchen von Formica pratensis ungefähr 1200 Facetten an jedem Auge, das Weibchen derselben Art nur 830, die Arbeiterin aber deren nur nahezu 600; bei der gewöhn- lichen Rasenameise Solenopsis fugax hat das Männchen mehr als 400 Facetten, das Weibchen etwa 200 und die Arbeiterin nur 6—9. Dass die Männchen die am höchsten entwickelten Augen besitzen, kann den nicht überraschen, der weiss, dass das- selbe bei sehr vielen Insecten der Fall ist; gibt es doch unter den Ephemeriden Arten (Potamanthus), bei welchen das Männchen ausser den gewöhnlichen Netzaugen noch ganz besondere grosse, turbanförmige Augen oben auf dem Kopfe trägt, die ihm ein ganz sonderbares Aussehen geben. Es sind aber die Männchen, welche die Weibchen aufsuchen, und denen deshalb bessere Sehwerkzeuge beim Flug hoch in der Luft von Vortheil sind. Aber auch die Weibchen der Ameisen bedürfen der Augen beim Hochzeitsflug, und nur die Arbeiter, die stets am Boden und viel sogar im Dunkeln leben und arbeiten, können nur einen beschränkten Gebrauch von ihrem Gesichtsorgan machen. Aber man wird vielleicht zweifeln, ob hier in der That eine Rückbildung bei den Arbeiterinnen, und nicht vielleicht einfach nur eine Steigerung in der Entwickelung der Netz- augen bei den Weibchen und Männchen vorliege. Ich halte es auch sehr wohl für möglich, dass in manchen Fällen die Netzaugen der Weibchen und Männchen sich seit der Feststellung eines Arbeitertypus noch vergrössert haben, allein nicht nur der Schwund der Punktaugen (Ocellen) bei vielen Arten beweist, dass dennoch zugleich eine Re- 2*

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Zitationshilfe: Weismann, August: Die Allmacht der Naturzüchtung. Eine Erwiderung an Herbert Spencer. Jena, 1893, S. 19. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_naturzuechtung_1893/31>, abgerufen am 19.04.2024.