körpers und die der Kernsubstanz gänzlich verschieden sei. Das Verhalten gegen Farbstoffe ist in der That verschieden, wie schon die Bezeichnung Chromosomen und Chromatin andeuten. Wenn aber auch daraus auf Verschiedenheiten der chemischen Zusammensetzung geschlossen werden dürfte, so läge darin doch noch kein entscheidender Beweis gegen die Auswanderungs- hypothese. Denn es ist bekannt, dass die Färbbarkeit der Chromosomen zu verschiedenen Perioden auffallenden Schwan- kungen unterliegt, welche darauf deuten, dass kleine für uns uncontrolirbare Veränderungen in der Constitution dieser Sub- stanz vorkommen, welche genügen, um gerade die auffallendste Reaction, die starke Anziehung der Farbstoffe vorübergehend verschwinden zu machen.1) Nun hat freilich auch die chemische Analyse der in den Kernen enthaltenen Stoffe daselbst das "Nuclein" nachgewiesen, allein wenn es auch nach der vortreff- lichen Arbeit Miescher's2) über den Lachssamen wahrscheinlich ist, dass das Nuclein aus den Kernen der Samenzellen stammt, so ist damit doch noch keineswegs entschieden, aus welchem Theil der Kerne es stammt und wenn man erwägt, dass über 48 % des trocknen Samens aus Nuclein bestehen, so muss be- zweifelt werden, dass die geringe Menge Chromatin, welche wir in Gestalt der Chromosomen in den Kernen sehen, der Träger des Nuclein's sei.
Hierher gehört noch eine Beobachtung der neuesten Zeit, welche wenigstens so viel beweist, dass überhaupt Stoff von den Chromosomen des Kernes gerade während des Aufbaues der
1) Vergl. z. B. die neueste Arbeit Rückert's über das Verhalten der Chromosomen im Keimbläschen eines Haies während der Reifung des Eies. "Anat. Anzeiger" vom 10. März 1892.
2)Miescher-Büsch: "Statist. und biolog. Beiträge zur Kenntniss vom Leben des Rheinsalms" 1880; Schweiz. Literatursamml. z. internat. Fischereiausstellung in Berlin.
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körpers und die der Kernsubstanz gänzlich verschieden sei. Das Verhalten gegen Farbstoffe ist in der That verschieden, wie schon die Bezeichnung Chromosomen und Chromatin andeuten. Wenn aber auch daraus auf Verschiedenheiten der chemischen Zusammensetzung geschlossen werden dürfte, so läge darin doch noch kein entscheidender Beweis gegen die Auswanderungs- hypothese. Denn es ist bekannt, dass die Färbbarkeit der Chromosomen zu verschiedenen Perioden auffallenden Schwan- kungen unterliegt, welche darauf deuten, dass kleine für uns uncontrolirbare Veränderungen in der Constitution dieser Sub- stanz vorkommen, welche genügen, um gerade die auffallendste Reaction, die starke Anziehung der Farbstoffe vorübergehend verschwinden zu machen.1) Nun hat freilich auch die chemische Analyse der in den Kernen enthaltenen Stoffe daselbst das „Nuclein“ nachgewiesen, allein wenn es auch nach der vortreff- lichen Arbeit Miescher’s2) über den Lachssamen wahrscheinlich ist, dass das Nuclein aus den Kernen der Samenzellen stammt, so ist damit doch noch keineswegs entschieden, aus welchem Theil der Kerne es stammt und wenn man erwägt, dass über 48 % des trocknen Samens aus Nuclein bestehen, so muss be- zweifelt werden, dass die geringe Menge Chromatin, welche wir in Gestalt der Chromosomen in den Kernen sehen, der Träger des Nuclein’s sei.
Hierher gehört noch eine Beobachtung der neuesten Zeit, welche wenigstens so viel beweist, dass überhaupt Stoff von den Chromosomen des Kernes gerade während des Aufbaues der
1) Vergl. z. B. die neueste Arbeit Rückert’s über das Verhalten der Chromosomen im Keimbläschen eines Haies während der Reifung des Eies. „Anat. Anzeiger“ vom 10. März 1892.
2)Miescher-Büsch: „Statist. und biolog. Beiträge zur Kenntniss vom Leben des Rheinsalms“ 1880; Schweiz. Literatursamml. z. internat. Fischereiausstellung in Berlin.
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körpers und die der Kernsubstanz gänzlich verschieden sei. Das
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schon die Bezeichnung Chromosomen und Chromatin andeuten.
Wenn aber auch daraus auf Verschiedenheiten der chemischen
Zusammensetzung geschlossen werden dürfte, so läge darin doch
noch kein entscheidender Beweis gegen die Auswanderungs-
hypothese. Denn es ist bekannt, dass die Färbbarkeit der
Chromosomen zu verschiedenen Perioden auffallenden Schwan-
kungen unterliegt, welche darauf deuten, dass kleine für uns
uncontrolirbare Veränderungen in der Constitution dieser Sub-
stanz vorkommen, welche genügen, um gerade die auffallendste
Reaction, die starke Anziehung der Farbstoffe vorübergehend
verschwinden zu machen. 1) Nun hat freilich auch die chemische
Analyse der in den Kernen enthaltenen Stoffe daselbst das
„Nuclein“ nachgewiesen, allein wenn es auch nach der vortreff-
lichen Arbeit Miescher’s 2) über den Lachssamen wahrscheinlich
ist, dass das Nuclein aus den Kernen der Samenzellen stammt,
so ist damit doch noch keineswegs entschieden, aus welchem
Theil der Kerne es stammt und wenn man erwägt, dass über
48 % des trocknen Samens aus Nuclein bestehen, so muss be-
zweifelt werden, dass die geringe Menge Chromatin, welche wir
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des Nuclein’s sei.
Hierher gehört noch eine Beobachtung der neuesten Zeit,
welche wenigstens so viel beweist, dass überhaupt Stoff von den
Chromosomen des Kernes gerade während des Aufbaues der
1) Vergl. z. B. die neueste Arbeit Rückert’s über das Verhalten
der Chromosomen im Keimbläschen eines Haies während der Reifung des
Eies. „Anat. Anzeiger“ vom 10. März 1892.
2) Miescher-Büsch: „Statist. und biolog. Beiträge zur Kenntniss
vom Leben des Rheinsalms“ 1880; Schweiz. Literatursamml. z. internat.
Fischereiausstellung in Berlin.
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 67. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/91>, abgerufen am 30.11.2024.
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