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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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und vermehren sich durch Theilung; auch hat die Id-Combination,
aus welcher sie bestehen, wohl längeren Bestand, wenn auch
keine bleibende Dauer.

Das "Keimplasma" oder die Vererbungssubstanz der
Metazoen und Metaphyten setzt sich also aus einer geringen
oder grösseren Anzahl von Idanten zusammen, die ihrerseits
wieder aus Iden bestehen; jedes Id hat eine feste und bestimmte
Architektur, indem es aus Determinanten aufgebaut ist, von
welchen jede ihren ganz bestimmten Platz im Bau einnimmt.

Die Entfaltung nun der im Keimplasma der Fortpflan-
zungszelle enthaltenen Anlagen geschieht im Laufe der Zell-
theilungen, welche die Ontogenese der Vielzelligen ausmachen,
und zwar derart, dass sämmtliche Ide sich dabei ganz gleich
verhalten. Jedes Id spaltet sich schon bei der ersten Zell-
theilung in zwei Hälften, von denen jede nur noch die Hälfte
der Gesammtzahl der Determinanten enthält, und bei jeder
folgenden Zelltheilung wiederholt sich dieser Zerlegungsprocess
der Ide, so dass die Ide der ontogenetischen Stadien von Stufe
zu Stufe ärmer an Verschiedenartigkeit ihrer Determinanten
werden, bis sie zuletzt nur noch eine einzige Art derselben
enthalten.

Jede Zelle jeglicher Stufe wird stets nur durch eine
Determinantenart bestimmt, die aber in vielen Exemplaren im
Id enthalten sein kann, und diese "Bestimmung" erfolgt dadurch,
dass sich die Determinante in ihre Biophoren auflöst, welche
nun die Kernmembran durchsetzen, in den Zellkörper eindringen
und dort unter starker Vermehrung auf Kosten der den Zell-
körper schon bildenden Biophoren und unter Anordnung nach
bestimmten, uns unbekannten Kräften und Gesetzen die histo-
logische Differenzirung der Zelle begründen. Jede Determi-
nantenart muss zu einem bestimmten Zeitpunkt oder auf einer
bestimmten Stufe der Gesammtentwickelung die "Reife" zu ihrer

und vermehren sich durch Theilung; auch hat die Id-Combination,
aus welcher sie bestehen, wohl längeren Bestand, wenn auch
keine bleibende Dauer.

Das „Keimplasma“ oder die Vererbungssubstanz der
Metazoen und Metaphyten setzt sich also aus einer geringen
oder grösseren Anzahl von Idanten zusammen, die ihrerseits
wieder aus Iden bestehen; jedes Id hat eine feste und bestimmte
Architektur, indem es aus Determinanten aufgebaut ist, von
welchen jede ihren ganz bestimmten Platz im Bau einnimmt.

Die Entfaltung nun der im Keimplasma der Fortpflan-
zungszelle enthaltenen Anlagen geschieht im Laufe der Zell-
theilungen, welche die Ontogenese der Vielzelligen ausmachen,
und zwar derart, dass sämmtliche Ide sich dabei ganz gleich
verhalten. Jedes Id spaltet sich schon bei der ersten Zell-
theilung in zwei Hälften, von denen jede nur noch die Hälfte
der Gesammtzahl der Determinanten enthält, und bei jeder
folgenden Zelltheilung wiederholt sich dieser Zerlegungsprocess
der Ide, so dass die Ide der ontogenetischen Stadien von Stufe
zu Stufe ärmer an Verschiedenartigkeit ihrer Determinanten
werden, bis sie zuletzt nur noch eine einzige Art derselben
enthalten.

Jede Zelle jeglicher Stufe wird stets nur durch eine
Determinantenart bestimmt, die aber in vielen Exemplaren im
Id enthalten sein kann, und diese „Bestimmung“ erfolgt dadurch,
dass sich die Determinante in ihre Biophoren auflöst, welche
nun die Kernmembran durchsetzen, in den Zellkörper eindringen
und dort unter starker Vermehrung auf Kosten der den Zell-
körper schon bildenden Biophoren und unter Anordnung nach
bestimmten, uns unbekannten Kräften und Gesetzen die histo-
logische Differenzirung der Zelle begründen. Jede Determi-
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[596/0620] und vermehren sich durch Theilung; auch hat die Id-Combination, aus welcher sie bestehen, wohl längeren Bestand, wenn auch keine bleibende Dauer. Das „Keimplasma“ oder die Vererbungssubstanz der Metazoen und Metaphyten setzt sich also aus einer geringen oder grösseren Anzahl von Idanten zusammen, die ihrerseits wieder aus Iden bestehen; jedes Id hat eine feste und bestimmte Architektur, indem es aus Determinanten aufgebaut ist, von welchen jede ihren ganz bestimmten Platz im Bau einnimmt. Die Entfaltung nun der im Keimplasma der Fortpflan- zungszelle enthaltenen Anlagen geschieht im Laufe der Zell- theilungen, welche die Ontogenese der Vielzelligen ausmachen, und zwar derart, dass sämmtliche Ide sich dabei ganz gleich verhalten. Jedes Id spaltet sich schon bei der ersten Zell- theilung in zwei Hälften, von denen jede nur noch die Hälfte der Gesammtzahl der Determinanten enthält, und bei jeder folgenden Zelltheilung wiederholt sich dieser Zerlegungsprocess der Ide, so dass die Ide der ontogenetischen Stadien von Stufe zu Stufe ärmer an Verschiedenartigkeit ihrer Determinanten werden, bis sie zuletzt nur noch eine einzige Art derselben enthalten. Jede Zelle jeglicher Stufe wird stets nur durch eine Determinantenart bestimmt, die aber in vielen Exemplaren im Id enthalten sein kann, und diese „Bestimmung“ erfolgt dadurch, dass sich die Determinante in ihre Biophoren auflöst, welche nun die Kernmembran durchsetzen, in den Zellkörper eindringen und dort unter starker Vermehrung auf Kosten der den Zell- körper schon bildenden Biophoren und unter Anordnung nach bestimmten, uns unbekannten Kräften und Gesetzen die histo- logische Differenzirung der Zelle begründen. Jede Determi- nantenart muss zu einem bestimmten Zeitpunkt oder auf einer bestimmten Stufe der Gesammtentwickelung die „Reife“ zu ihrer

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 596. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/620>, abgerufen am 19.05.2024.