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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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einmal das wunderbar hoch entwickelte Auge des Menschen;
Alles ist nur möglichst vollkommen, so vollkommen, als es
mindestens sein musste, um zu leisten, was es leisten sollte.
So wird es auch mit dem Umwandlungs-Mechanismus der Arten,
sich verhalten, er ist gerade so vollkommen, als er sein muss,
um diese Umwandlung zu Stande zu bringen.

4. Variationen grösseren Betrags.
a. Ihre Entstehung.

Wir haben bisher vorwiegend die individuelle Variation,
wie sie sich überall darbietet, ins Auge gefasst, jene kleinen
erblichen Abweichungen, welche ein Individuum vom andern
trennen. Es ist aber nicht zu bezweifeln, dass gelegentlich und
meist ganz plötzlich Variationen grösseren Betrages auftreten,
auch nur an einzelnen Individuen und meist vererbbar. Zahlreiche
Beispiele dieser Art sind von Darwin gegeben worden. Wenn
auch der "schwarzschultrige" Pfau auf Rückschlag auf eine un-
bekannte Stammform beruhen sollte, so bleiben doch noch viele
wohlbezeugte Fälle übrig, in denen irgend ein Theil einer Art
sich plötzlich in beträchtlichem Maasse veränderte. Wie weit
solche Veränderungen bei der Entstehung neuer Arten mitspielen,
kommt hier nicht in Betracht, vielmehr nur die Ursachen und
der Modus ihrer Entstehung.

Besonders bei Pflanzen sind zahlreiche solche Fälle bekannt
geworden; sowohl Früchte, als Blätter, Blüthen und ganze
Sprossen
haben gelegentlich plötzlich in stärkerem Betrage
variirt. Dahin gehören manche Abarten von Früchten, wie
z. B. die als Nektarinen bezeichneten Pfirsiche, dahin die Moos-
rosen, die Blutbuchen, Bluthasel u. s. w., ferner die Abarten
der Buche, Hainbuche, Eiche, des Ahorns mit farnkrautartig
zerschlissenen Blättern und zahlreiche andere Abarten der in
unsern Gärten angepflanzten Gewächse.

einmal das wunderbar hoch entwickelte Auge des Menschen;
Alles ist nur möglichst vollkommen, so vollkommen, als es
mindestens sein musste, um zu leisten, was es leisten sollte.
So wird es auch mit dem Umwandlungs-Mechanismus der Arten,
sich verhalten, er ist gerade so vollkommen, als er sein muss,
um diese Umwandlung zu Stande zu bringen.

4. Variationen grösseren Betrags.
a. Ihre Entstehung.

Wir haben bisher vorwiegend die individuelle Variation,
wie sie sich überall darbietet, ins Auge gefasst, jene kleinen
erblichen Abweichungen, welche ein Individuum vom andern
trennen. Es ist aber nicht zu bezweifeln, dass gelegentlich und
meist ganz plötzlich Variationen grösseren Betrages auftreten,
auch nur an einzelnen Individuen und meist vererbbar. Zahlreiche
Beispiele dieser Art sind von Darwin gegeben worden. Wenn
auch der „schwarzschultrige“ Pfau auf Rückschlag auf eine un-
bekannte Stammform beruhen sollte, so bleiben doch noch viele
wohlbezeugte Fälle übrig, in denen irgend ein Theil einer Art
sich plötzlich in beträchtlichem Maasse veränderte. Wie weit
solche Veränderungen bei der Entstehung neuer Arten mitspielen,
kommt hier nicht in Betracht, vielmehr nur die Ursachen und
der Modus ihrer Entstehung.

Besonders bei Pflanzen sind zahlreiche solche Fälle bekannt
geworden; sowohl Früchte, als Blätter, Blüthen und ganze
Sprossen
haben gelegentlich plötzlich in stärkerem Betrage
variirt. Dahin gehören manche Abarten von Früchten, wie
z. B. die als Nektarinen bezeichneten Pfirsiche, dahin die Moos-
rosen, die Blutbuchen, Bluthasel u. s. w., ferner die Abarten
der Buche, Hainbuche, Eiche, des Ahorns mit farnkrautartig
zerschlissenen Blättern und zahlreiche andere Abarten der in
unsern Gärten angepflanzten Gewächse.

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[572/0596] einmal das wunderbar hoch entwickelte Auge des Menschen; Alles ist nur möglichst vollkommen, so vollkommen, als es mindestens sein musste, um zu leisten, was es leisten sollte. So wird es auch mit dem Umwandlungs-Mechanismus der Arten, sich verhalten, er ist gerade so vollkommen, als er sein muss, um diese Umwandlung zu Stande zu bringen. 4. Variationen grösseren Betrags. a. Ihre Entstehung. Wir haben bisher vorwiegend die individuelle Variation, wie sie sich überall darbietet, ins Auge gefasst, jene kleinen erblichen Abweichungen, welche ein Individuum vom andern trennen. Es ist aber nicht zu bezweifeln, dass gelegentlich und meist ganz plötzlich Variationen grösseren Betrages auftreten, auch nur an einzelnen Individuen und meist vererbbar. Zahlreiche Beispiele dieser Art sind von Darwin gegeben worden. Wenn auch der „schwarzschultrige“ Pfau auf Rückschlag auf eine un- bekannte Stammform beruhen sollte, so bleiben doch noch viele wohlbezeugte Fälle übrig, in denen irgend ein Theil einer Art sich plötzlich in beträchtlichem Maasse veränderte. Wie weit solche Veränderungen bei der Entstehung neuer Arten mitspielen, kommt hier nicht in Betracht, vielmehr nur die Ursachen und der Modus ihrer Entstehung. Besonders bei Pflanzen sind zahlreiche solche Fälle bekannt geworden; sowohl Früchte, als Blätter, Blüthen und ganze Sprossen haben gelegentlich plötzlich in stärkerem Betrage variirt. Dahin gehören manche Abarten von Früchten, wie z. B. die als Nektarinen bezeichneten Pfirsiche, dahin die Moos- rosen, die Blutbuchen, Bluthasel u. s. w., ferner die Abarten der Buche, Hainbuche, Eiche, des Ahorns mit farnkrautartig zerschlissenen Blättern und zahlreiche andere Abarten der in unsern Gärten angepflanzten Gewächse.

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/596>, abgerufen am 22.11.2024.