oben schon gezeigt, dass auch die Verdoppelung einer Determi- nante des Keimplasma's auf Ernährungseinflüsse bezogen werden kann, und es wird somit die Anwendung der oben entwickelten Principien auf die Vermehrung der Determinanten keiner Schwierigkeit begegnen. Die bedeutenderen Abänderungen der Arten, alle Vergrösserung von Theilen, alle Höher-Differen- zirung von Organen muss damit verbunden sein, und die Sum- mirung verdoppelter Determinanten einzelner Ide wird ebenso wie die blos qualitative Abänderung derselben durch Reductions- theilung und Amphimixis so lange summirt werden können, bis die Abänderung sichtbar wird, und Naturzüchtung ein- greifen kann.
Ganz etwas Anderes dagegen ist es mit der "Steigerung" einer Eigenschaft, welche blos durch Verbindung zweier Eltern entsteht, die sie in "geringerem" Grade besassen. Eine Ver- schmelzung der Anlagen einer "Eigenschaft" beider Eltern, und dadurch eine Steigerung der Anlage dieser Eigenschaft, wie man sich dies bisher vorgestellt hat, giebt es offenbar nicht, sie wider- spricht der einfachsten Erfahrung; denn könnten sich die Anlagen der Eltern in diesem Sinne summiren, so müssten ja alle Theile des Kindes doppelt so gross, oder doch grösser ausfallen, als die der Eltern, was doch nicht der Fall ist. Wenn man aber etwa antworten wollte, es sei nur die Differenz der Anlagen, welche in Betracht käme, und das Kind erhielte die Summe des Charakters der beiden Eltern durch zwei dividirt, so möchte dies zwar der Wahrheit in manchen Fällen nahe kommen, aber es bliebe dann wieder unerklärt, wieso eine Steigerung eines Merkmals eintreten kann, und diese kann doch eintreten und wird von den Züchtern künstlich herbeigeführt, indem sie Thiere miteinander paaren, die beide schon einen gewissen Anfangs- betrag der gewünschten Steigerung besitzen. Wenn aber zwei Thiere, welche den Charakter a in der Steigerung 2 a besitzen,
oben schon gezeigt, dass auch die Verdoppelung einer Determi- nante des Keimplasma’s auf Ernährungseinflüsse bezogen werden kann, und es wird somit die Anwendung der oben entwickelten Principien auf die Vermehrung der Determinanten keiner Schwierigkeit begegnen. Die bedeutenderen Abänderungen der Arten, alle Vergrösserung von Theilen, alle Höher-Differen- zirung von Organen muss damit verbunden sein, und die Sum- mirung verdoppelter Determinanten einzelner Ide wird ebenso wie die blos qualitative Abänderung derselben durch Reductions- theilung und Amphimixis so lange summirt werden können, bis die Abänderung sichtbar wird, und Naturzüchtung ein- greifen kann.
Ganz etwas Anderes dagegen ist es mit der „Steigerung“ einer Eigenschaft, welche blos durch Verbindung zweier Eltern entsteht, die sie in „geringerem“ Grade besassen. Eine Ver- schmelzung der Anlagen einer „Eigenschaft“ beider Eltern, und dadurch eine Steigerung der Anlage dieser Eigenschaft, wie man sich dies bisher vorgestellt hat, giebt es offenbar nicht, sie wider- spricht der einfachsten Erfahrung; denn könnten sich die Anlagen der Eltern in diesem Sinne summiren, so müssten ja alle Theile des Kindes doppelt so gross, oder doch grösser ausfallen, als die der Eltern, was doch nicht der Fall ist. Wenn man aber etwa antworten wollte, es sei nur die Differenz der Anlagen, welche in Betracht käme, und das Kind erhielte die Summe des Charakters der beiden Eltern durch zwei dividirt, so möchte dies zwar der Wahrheit in manchen Fällen nahe kommen, aber es bliebe dann wieder unerklärt, wieso eine Steigerung eines Merkmals eintreten kann, und diese kann doch eintreten und wird von den Züchtern künstlich herbeigeführt, indem sie Thiere miteinander paaren, die beide schon einen gewissen Anfangs- betrag der gewünschten Steigerung besitzen. Wenn aber zwei Thiere, welche den Charakter a in der Steigerung 2 a besitzen,
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oben schon gezeigt, dass auch die Verdoppelung einer Determi-
nante des Keimplasma’s auf Ernährungseinflüsse bezogen werden
kann, und es wird somit die Anwendung der oben entwickelten
Principien auf die Vermehrung der Determinanten keiner
Schwierigkeit begegnen. Die bedeutenderen Abänderungen der
Arten, alle Vergrösserung von Theilen, alle Höher-Differen-
zirung von Organen muss damit verbunden sein, und die Sum-
mirung verdoppelter Determinanten einzelner Ide wird ebenso
wie die blos qualitative Abänderung derselben durch Reductions-
theilung und Amphimixis so lange summirt werden können,
bis die Abänderung sichtbar wird, und Naturzüchtung ein-
greifen kann.
Ganz etwas Anderes dagegen ist es mit der „Steigerung“
einer Eigenschaft, welche blos durch Verbindung zweier Eltern
entsteht, die sie in „geringerem“ Grade besassen. Eine Ver-
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dadurch eine Steigerung der Anlage dieser Eigenschaft, wie man
sich dies bisher vorgestellt hat, giebt es offenbar nicht, sie wider-
spricht der einfachsten Erfahrung; denn könnten sich die Anlagen
der Eltern in diesem Sinne summiren, so müssten ja alle Theile
des Kindes doppelt so gross, oder doch grösser ausfallen, als
die der Eltern, was doch nicht der Fall ist. Wenn man aber
etwa antworten wollte, es sei nur die Differenz der Anlagen,
welche in Betracht käme, und das Kind erhielte die Summe
des Charakters der beiden Eltern durch zwei dividirt, so möchte
dies zwar der Wahrheit in manchen Fällen nahe kommen, aber
es bliebe dann wieder unerklärt, wieso eine Steigerung eines
Merkmals eintreten kann, und diese kann doch eintreten und
wird von den Züchtern künstlich herbeigeführt, indem sie Thiere
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betrag der gewünschten Steigerung besitzen. Wenn aber zwei
Thiere, welche den Charakter a in der Steigerung 2 a besitzen,
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/580>, abgerufen am 22.11.2024.
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