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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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so wird sie auch ein wenig anders variiren beim Wachsthum,
falls sie von abändernden Einflüssen getroffen wird. Es kann
also z. B. die Determinante N im Id A unverändert bleiben, wenn
die Determinante N1 im Id B abändert. Umgekehrt könnte
aber sehr wohl auch der abändernde Einfluss, die Ernährung,
im Id A ein wenig verschieden sein von der im Id B, und könnte
die Determinante N zur Abänderung bringen, während die
Determinante N1 im Id B unverändert bliebe. So werden also
Momente genug vorliegen, welche ein Abändern einzelner oder
mehrerer homologer Determinanten nur in bestimmten, aber
nicht in allen Iden veranlassen können. In den einzigen sicher
beobachteten Fällen von blastogenen Variationen durch direkten
Einfluss äusserer Bedingungen, nämlich bei den Klima-Varia-
tionen jenes Schmetterlinges Polyommatus Phlaeas lässt sich
auch deutlich erkennen, dass die Wirkung der Wärme keine
ganz gleichmässige gewesen ist. Von den neapolitanischen
Phlaeas-Stücken sind manche dunkler, andere heller, obgleich
sie unter möglichst gleichen Bedingungen im Zimmer erzogen
wurden, und auch die im Freien in Neapel gefangenen Stücke
schwanken gerade in diesem durch das Klima veränderten Cha-
rakter der schwarzen Bestäubung recht erheblich. Gleiche Ein-
flüsse, auch wenn sie lange Generationsfolgen hindurch ein-
wirken, verändern also die Individuen einer Art nicht nothwendig
gleich stark, und ich erkläre mir diese Thatsache dadurch, dass
jedes Thier in seinen Iden verschiedene Varianten der betreffenden
durch die Wärme veränderbaren Determinanten N enthält, von
denen die eine dem Wärmeeinfluss zugänglicher ist, als die
andere. Je nachdem viele leichter oder schwerer veränderbare
vorhanden sind, wird das Keimplasma im Ganzen vollständiger
oder weniger vollständig verändert werden.

Es bleibt allerdings noch manches Räthselhafte dabei. So
erfolgt die durch Wärme entstandene Umwandlung vieler der

so wird sie auch ein wenig anders variiren beim Wachsthum,
falls sie von abändernden Einflüssen getroffen wird. Es kann
also z. B. die Determinante N im Id A unverändert bleiben, wenn
die Determinante N1 im Id B abändert. Umgekehrt könnte
aber sehr wohl auch der abändernde Einfluss, die Ernährung,
im Id A ein wenig verschieden sein von der im Id B, und könnte
die Determinante N zur Abänderung bringen, während die
Determinante N1 im Id B unverändert bliebe. So werden also
Momente genug vorliegen, welche ein Abändern einzelner oder
mehrerer homologer Determinanten nur in bestimmten, aber
nicht in allen Iden veranlassen können. In den einzigen sicher
beobachteten Fällen von blastogenen Variationen durch direkten
Einfluss äusserer Bedingungen, nämlich bei den Klima-Varia-
tionen jenes Schmetterlinges Polyommatus Phlaeas lässt sich
auch deutlich erkennen, dass die Wirkung der Wärme keine
ganz gleichmässige gewesen ist. Von den neapolitanischen
Phlaeas-Stücken sind manche dunkler, andere heller, obgleich
sie unter möglichst gleichen Bedingungen im Zimmer erzogen
wurden, und auch die im Freien in Neapel gefangenen Stücke
schwanken gerade in diesem durch das Klima veränderten Cha-
rakter der schwarzen Bestäubung recht erheblich. Gleiche Ein-
flüsse, auch wenn sie lange Generationsfolgen hindurch ein-
wirken, verändern also die Individuen einer Art nicht nothwendig
gleich stark, und ich erkläre mir diese Thatsache dadurch, dass
jedes Thier in seinen Iden verschiedene Varianten der betreffenden
durch die Wärme veränderbaren Determinanten N enthält, von
denen die eine dem Wärmeeinfluss zugänglicher ist, als die
andere. Je nachdem viele leichter oder schwerer veränderbare
vorhanden sind, wird das Keimplasma im Ganzen vollständiger
oder weniger vollständig verändert werden.

Es bleibt allerdings noch manches Räthselhafte dabei. So
erfolgt die durch Wärme entstandene Umwandlung vieler der

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[551/0575] so wird sie auch ein wenig anders variiren beim Wachsthum, falls sie von abändernden Einflüssen getroffen wird. Es kann also z. B. die Determinante N im Id A unverändert bleiben, wenn die Determinante N1 im Id B abändert. Umgekehrt könnte aber sehr wohl auch der abändernde Einfluss, die Ernährung, im Id A ein wenig verschieden sein von der im Id B, und könnte die Determinante N zur Abänderung bringen, während die Determinante N1 im Id B unverändert bliebe. So werden also Momente genug vorliegen, welche ein Abändern einzelner oder mehrerer homologer Determinanten nur in bestimmten, aber nicht in allen Iden veranlassen können. In den einzigen sicher beobachteten Fällen von blastogenen Variationen durch direkten Einfluss äusserer Bedingungen, nämlich bei den Klima-Varia- tionen jenes Schmetterlinges Polyommatus Phlaeas lässt sich auch deutlich erkennen, dass die Wirkung der Wärme keine ganz gleichmässige gewesen ist. Von den neapolitanischen Phlaeas-Stücken sind manche dunkler, andere heller, obgleich sie unter möglichst gleichen Bedingungen im Zimmer erzogen wurden, und auch die im Freien in Neapel gefangenen Stücke schwanken gerade in diesem durch das Klima veränderten Cha- rakter der schwarzen Bestäubung recht erheblich. Gleiche Ein- flüsse, auch wenn sie lange Generationsfolgen hindurch ein- wirken, verändern also die Individuen einer Art nicht nothwendig gleich stark, und ich erkläre mir diese Thatsache dadurch, dass jedes Thier in seinen Iden verschiedene Varianten der betreffenden durch die Wärme veränderbaren Determinanten N enthält, von denen die eine dem Wärmeeinfluss zugänglicher ist, als die andere. Je nachdem viele leichter oder schwerer veränderbare vorhanden sind, wird das Keimplasma im Ganzen vollständiger oder weniger vollständig verändert werden. Es bleibt allerdings noch manches Räthselhafte dabei. So erfolgt die durch Wärme entstandene Umwandlung vieler der

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 551. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/575>, abgerufen am 22.11.2024.