unhaltbar geworden. So wird es nicht vorschnell sein, wenn man auch die wenigen Beobachtungen, welche für ungleiche Wirkung der männlichen und der weiblichen Keimzellen zu sprechen scheinen, als nicht beweisend betrachtet, auch wenn sie zur Stunde sich noch nicht völlig erklären lassen. Dahin gehören jene seltenen und vielleicht nicht einmal ganz sicher beobachteten Ausnahmsfälle von der Regel, dass Bastarde zwischen zwei Arten gleich ausfallen, mag nun die Art A oder die Art B als Vater oder als Mutter mitgewirkt haben.
Wenn wir nun sowohl die Annahme einer ungleichen Wirkung der Keimzellen, als die einer inneren Umwandlungs- kraft verwerfen müssen, so bleibt nichts übrig, als die erbliche individuelle Variabilität auf ungleiche äussere Einflüsse zu be- ziehen, und es fragt sich nur, wieso derartige Einflüsse erb- liche Verschiedenheiten hervorbringen können, wenn soma- togene Abänderungen nicht vererbbar sind, denn äussere Ein- flüsse wirken zunächst, und viele von ihnen sogar ausschliess- lich auf den Körper und nicht auf die Keimzellen.
Ich habe nun schon in einer früheren Schrift zu zeigen versucht, dass zwar nicht die letzte Wurzel der individuellen Variabilität, wohl aber ihre Erhaltung und stete Umgestaltung zu den für Selection erforderlichen Mischungen durch Amphi- mixis geschehe, ja dass die Durchführung der geschlechtlichen Fortpflanzung in beinahe der gesammten bekannten Organismen- welt eben auf der Nothwendigkeit der Erhaltung und steten Neugestaltung der erblichen individuellen Variabilität beruhe. Meiner Überzeugung nach hat Amphimixis in ihren beiden Formen der Conjugation der Einzelligen und der ge- schlechtlichen Fortpflanzung der Vielzelligen die Be- deutung einer Variationsquelle; sie liefert eine unerschöpf- liche Fülle immer neuer Combinationen individueller Va- riationen, wie sie für die Selectionsprocesse unerlässlich ist.
unhaltbar geworden. So wird es nicht vorschnell sein, wenn man auch die wenigen Beobachtungen, welche für ungleiche Wirkung der männlichen und der weiblichen Keimzellen zu sprechen scheinen, als nicht beweisend betrachtet, auch wenn sie zur Stunde sich noch nicht völlig erklären lassen. Dahin gehören jene seltenen und vielleicht nicht einmal ganz sicher beobachteten Ausnahmsfälle von der Regel, dass Bastarde zwischen zwei Arten gleich ausfallen, mag nun die Art A oder die Art B als Vater oder als Mutter mitgewirkt haben.
Wenn wir nun sowohl die Annahme einer ungleichen Wirkung der Keimzellen, als die einer inneren Umwandlungs- kraft verwerfen müssen, so bleibt nichts übrig, als die erbliche individuelle Variabilität auf ungleiche äussere Einflüsse zu be- ziehen, und es fragt sich nur, wieso derartige Einflüsse erb- liche Verschiedenheiten hervorbringen können, wenn soma- togene Abänderungen nicht vererbbar sind, denn äussere Ein- flüsse wirken zunächst, und viele von ihnen sogar ausschliess- lich auf den Körper und nicht auf die Keimzellen.
Ich habe nun schon in einer früheren Schrift zu zeigen versucht, dass zwar nicht die letzte Wurzel der individuellen Variabilität, wohl aber ihre Erhaltung und stete Umgestaltung zu den für Selection erforderlichen Mischungen durch Amphi- mixis geschehe, ja dass die Durchführung der geschlechtlichen Fortpflanzung in beinahe der gesammten bekannten Organismen- welt eben auf der Nothwendigkeit der Erhaltung und steten Neugestaltung der erblichen individuellen Variabilität beruhe. Meiner Überzeugung nach hat Amphimixis in ihren beiden Formen der Conjugation der Einzelligen und der ge- schlechtlichen Fortpflanzung der Vielzelligen die Be- deutung einer Variationsquelle; sie liefert eine unerschöpf- liche Fülle immer neuer Combinationen individueller Va- riationen, wie sie für die Selectionsprocesse unerlässlich ist.
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unhaltbar geworden. So wird es nicht vorschnell sein, wenn
man auch die wenigen Beobachtungen, welche für ungleiche
Wirkung der männlichen und der weiblichen Keimzellen zu
sprechen scheinen, als nicht beweisend betrachtet, auch wenn
sie zur Stunde sich noch nicht völlig erklären lassen. Dahin
gehören jene seltenen und vielleicht nicht einmal ganz sicher
beobachteten Ausnahmsfälle von der Regel, dass Bastarde zwischen
zwei Arten gleich ausfallen, mag nun die Art A oder die
Art B als Vater oder als Mutter mitgewirkt haben.
Wenn wir nun sowohl die Annahme einer ungleichen
Wirkung der Keimzellen, als die einer inneren Umwandlungs-
kraft verwerfen müssen, so bleibt nichts übrig, als die erbliche
individuelle Variabilität auf ungleiche äussere Einflüsse zu be-
ziehen, und es fragt sich nur, wieso derartige Einflüsse erb-
liche Verschiedenheiten hervorbringen können, wenn soma-
togene Abänderungen nicht vererbbar sind, denn äussere Ein-
flüsse wirken zunächst, und viele von ihnen sogar ausschliess-
lich auf den Körper und nicht auf die Keimzellen.
Ich habe nun schon in einer früheren Schrift zu zeigen
versucht, dass zwar nicht die letzte Wurzel der individuellen
Variabilität, wohl aber ihre Erhaltung und stete Umgestaltung zu
den für Selection erforderlichen Mischungen durch Amphi-
mixis geschehe, ja dass die Durchführung der geschlechtlichen
Fortpflanzung in beinahe der gesammten bekannten Organismen-
welt eben auf der Nothwendigkeit der Erhaltung und steten
Neugestaltung der erblichen individuellen Variabilität beruhe.
Meiner Überzeugung nach hat Amphimixis in ihren beiden
Formen der Conjugation der Einzelligen und der ge-
schlechtlichen Fortpflanzung der Vielzelligen die Be-
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 541. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/565>, abgerufen am 22.11.2024.
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