deutenden Abweichungen vom Bau der gewöhnlichen Männchen vor. Hier würden wir also vier für einander vicariirende Deter- minanten haben, von denen immer nur eine aktiv ist.
Wir kennen aber nicht nur einen örtlichen, sondern auch einen zeitlichen Dimorphismus. Beim Saison-Dimorphismus, der besonders von Schmetterlingen bekannt geworden ist, sind die Individuen ein und derselben, auch zur selben Zeit aus- schlüpfenden Generation gleich, aber die Sommergeneration ist verschieden von der Frühjahrsgeneration.
Bei unserer europäischen Vanessa Levana-Prorsa ist die Frühjahrsgeneration gelb und schwarz gezeichnet auf der Ober- seite der Flügel, die Sommerform (Prorsa) dagegen hat schwarze Flügel, über die eine breite weisse Binde quer hinzieht; feine gelbe Linien laufen parallell dem Flügelrand. Die Zeichnung der beiden Formen lässt sich nicht aufeinander in der Weise zurückführen, dass die Stellen, welche bei Prorsa schwarz sind, bei Levana gelb wären, oder dass die weisse Binde von Prorsa bei Levana gelb oder schwarz wäre. Diese Binde ist vielmehr bei Levana gar nicht vorhanden, ein Theil derselben ist durch Gelb, ein anderer durch Schwarz vertreten.
Idioplasmatisch werden diese Fälle von Dimorphismus -- soweit ich sehe -- auch nur durch die Annahme von Doppel- determinanten erklärt werden können, welche sich aber hier nur auf die Flügelschuppen, und auch wesentlich nur auf die der Oberseite der Flügel beziehen, denn die Unterseite derselben ist zwar nicht ganz gleich, aber doch viel weniger verschieden. Wenn wir die Hälften der Doppeldeterminanten als "Winter"- und "Sommer"-Determinanten bezeichnen, so werden wir uns vorstellen können, dass durch Temperatur-Einflüsse, welche im Beginn der Puppenperiode auf sie einwirken, die Entscheidung darüber gegeben wird, welche der beiden Hälften den Sieg über die andere davontragen wird. Vor beinahe zwei Decennien
deutenden Abweichungen vom Bau der gewöhnlichen Männchen vor. Hier würden wir also vier für einander vicariirende Deter- minanten haben, von denen immer nur eine aktiv ist.
Wir kennen aber nicht nur einen örtlichen, sondern auch einen zeitlichen Dimorphismus. Beim Saison-Dimorphismus, der besonders von Schmetterlingen bekannt geworden ist, sind die Individuen ein und derselben, auch zur selben Zeit aus- schlüpfenden Generation gleich, aber die Sommergeneration ist verschieden von der Frühjahrsgeneration.
Bei unserer europäischen Vanessa Levana-Prorsa ist die Frühjahrsgeneration gelb und schwarz gezeichnet auf der Ober- seite der Flügel, die Sommerform (Prorsa) dagegen hat schwarze Flügel, über die eine breite weisse Binde quer hinzieht; feine gelbe Linien laufen parallell dem Flügelrand. Die Zeichnung der beiden Formen lässt sich nicht aufeinander in der Weise zurückführen, dass die Stellen, welche bei Prorsa schwarz sind, bei Levana gelb wären, oder dass die weisse Binde von Prorsa bei Levana gelb oder schwarz wäre. Diese Binde ist vielmehr bei Levana gar nicht vorhanden, ein Theil derselben ist durch Gelb, ein anderer durch Schwarz vertreten.
Idioplasmatisch werden diese Fälle von Dimorphismus — soweit ich sehe — auch nur durch die Annahme von Doppel- determinanten erklärt werden können, welche sich aber hier nur auf die Flügelschuppen, und auch wesentlich nur auf die der Oberseite der Flügel beziehen, denn die Unterseite derselben ist zwar nicht ganz gleich, aber doch viel weniger verschieden. Wenn wir die Hälften der Doppeldeterminanten als „Winter“- und „Sommer“-Determinanten bezeichnen, so werden wir uns vorstellen können, dass durch Temperatur-Einflüsse, welche im Beginn der Puppenperiode auf sie einwirken, die Entscheidung darüber gegeben wird, welche der beiden Hälften den Sieg über die andere davontragen wird. Vor beinahe zwei Decennien
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0522"n="498"/>
deutenden Abweichungen vom Bau der gewöhnlichen Männchen<lb/>
vor. Hier würden wir also <hirendition="#g">vier</hi> für einander vicariirende Deter-<lb/>
minanten haben, von denen immer nur <hirendition="#g">eine</hi> aktiv ist.</p><lb/><p>Wir kennen aber nicht nur einen örtlichen, sondern auch<lb/>
einen zeitlichen Dimorphismus. Beim <hirendition="#g">Saison-Dimorphismus</hi>,<lb/>
der besonders von Schmetterlingen bekannt geworden ist, sind<lb/>
die Individuen ein und derselben, auch zur selben Zeit aus-<lb/>
schlüpfenden Generation gleich, aber die Sommergeneration ist<lb/>
verschieden von der Frühjahrsgeneration.</p><lb/><p>Bei unserer europäischen Vanessa Levana-Prorsa ist die<lb/>
Frühjahrsgeneration gelb und schwarz gezeichnet auf der Ober-<lb/>
seite der Flügel, die Sommerform (Prorsa) dagegen hat schwarze<lb/>
Flügel, über die eine breite weisse Binde quer hinzieht; feine<lb/>
gelbe Linien laufen parallell dem Flügelrand. Die Zeichnung<lb/>
der beiden Formen lässt sich nicht aufeinander in der Weise<lb/>
zurückführen, dass die Stellen, welche bei Prorsa schwarz sind,<lb/>
bei Levana gelb wären, oder dass die weisse Binde von Prorsa<lb/>
bei Levana gelb oder schwarz wäre. Diese Binde ist vielmehr<lb/>
bei Levana gar nicht vorhanden, ein Theil derselben ist durch<lb/>
Gelb, ein anderer durch Schwarz vertreten.</p><lb/><p>Idioplasmatisch werden diese Fälle von Dimorphismus —<lb/>
soweit ich sehe — auch nur durch die Annahme von Doppel-<lb/>
determinanten erklärt werden können, welche sich aber hier<lb/>
nur auf die Flügelschuppen, und auch wesentlich nur auf die<lb/>
der Oberseite der Flügel beziehen, denn die Unterseite derselben<lb/>
ist zwar nicht ganz gleich, aber doch viel weniger verschieden.<lb/>
Wenn wir die Hälften der Doppeldeterminanten als „Winter“-<lb/>
und „Sommer“-Determinanten bezeichnen, so werden wir uns<lb/>
vorstellen können, dass durch Temperatur-Einflüsse, welche im<lb/>
Beginn der Puppenperiode auf sie einwirken, die Entscheidung<lb/>
darüber gegeben wird, welche der beiden Hälften den Sieg über<lb/>
die andere davontragen wird. Vor beinahe zwei Decennien<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[498/0522]
deutenden Abweichungen vom Bau der gewöhnlichen Männchen
vor. Hier würden wir also vier für einander vicariirende Deter-
minanten haben, von denen immer nur eine aktiv ist.
Wir kennen aber nicht nur einen örtlichen, sondern auch
einen zeitlichen Dimorphismus. Beim Saison-Dimorphismus,
der besonders von Schmetterlingen bekannt geworden ist, sind
die Individuen ein und derselben, auch zur selben Zeit aus-
schlüpfenden Generation gleich, aber die Sommergeneration ist
verschieden von der Frühjahrsgeneration.
Bei unserer europäischen Vanessa Levana-Prorsa ist die
Frühjahrsgeneration gelb und schwarz gezeichnet auf der Ober-
seite der Flügel, die Sommerform (Prorsa) dagegen hat schwarze
Flügel, über die eine breite weisse Binde quer hinzieht; feine
gelbe Linien laufen parallell dem Flügelrand. Die Zeichnung
der beiden Formen lässt sich nicht aufeinander in der Weise
zurückführen, dass die Stellen, welche bei Prorsa schwarz sind,
bei Levana gelb wären, oder dass die weisse Binde von Prorsa
bei Levana gelb oder schwarz wäre. Diese Binde ist vielmehr
bei Levana gar nicht vorhanden, ein Theil derselben ist durch
Gelb, ein anderer durch Schwarz vertreten.
Idioplasmatisch werden diese Fälle von Dimorphismus —
soweit ich sehe — auch nur durch die Annahme von Doppel-
determinanten erklärt werden können, welche sich aber hier
nur auf die Flügelschuppen, und auch wesentlich nur auf die
der Oberseite der Flügel beziehen, denn die Unterseite derselben
ist zwar nicht ganz gleich, aber doch viel weniger verschieden.
Wenn wir die Hälften der Doppeldeterminanten als „Winter“-
und „Sommer“-Determinanten bezeichnen, so werden wir uns
vorstellen können, dass durch Temperatur-Einflüsse, welche im
Beginn der Puppenperiode auf sie einwirken, die Entscheidung
darüber gegeben wird, welche der beiden Hälften den Sieg über
die andere davontragen wird. Vor beinahe zwei Decennien
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/522>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.