gelb, die andere purpurn, so dass die eine Hälfte des Haupt- kronenblattes gelb und von bedeutender Grösse, die andere Hälfte purpurn und kleiner war. Bei einer andern Blüthe war die ganze Corolle hellgelb, aber genau die Hälfte des Kelches war purpurn. Bei einer andern hatte eines der schmutzig- rothen (also gemischten) Flügelkronenblätter einen schmalen hellgelben Streif und endlich war in einer andern Blüthe einer der Staubfäden halb gelb und halb purpurn."
Offenbar kann bei Cytisus Adami der Ausschlag beim Kampf der elterlichen Idanten nicht wie bei den individuellen Merkmalen des Menschen darauf beruhen, dass je nach dem Theil, um welchen es sich handelt, die Zahl der homodynamen Determinanten im elterlichen Idioplasma wechselt, denn wäre dies so, so könnten nicht dieselben Blüthentheile bald gelb, bald roth sein, es müsste vielmehr bei allen Blüthen dieselbe Zu- sammensetzung aus elterlichen Erbstücken zu Tage treten, wenn auch mit schwachen Schwankungen, wie sie die Ungleichheit der Ernährungsbedingungen hervorruft. Es müssten die Blüthen mindestens wie bei den oben erwähnten Oxalis-Bastarden eine bestimmte, bei ein und derselben Pflanze übereinstimmende Mischung der Eltern-Merkmale aufweisen. Dass dem nicht so ist, spricht mir mit Bestimmtheit dafür, dass Cytisus Adami wirklich, wie sein Schöpfer, der Handelsgärtner Adam es an- giebt, ein echter Pfropfbastard und kein gewöhnlicher Samenbastard ist. Ich halte die Streitfrage, ob es solche Pfropfbastarde überhaupt gebe, dadurch für entschieden und er- kläre mir die Vererbungserscheinungen in folgender Weise.
Cytisus Adami ist dadurch entstanden, dass eine neue Knospe sich auf einem Stück Rinde von Cytisus purpureus bildete, welches auf den Stamm von C. Laburnum einokulirt worden war. Diese Knospe wuchs zu einem Trieb aus, der die Charaktere der Eltern in inniger Mischung enthielt. Erst später, als der betreffende Trieb
gelb, die andere purpurn, so dass die eine Hälfte des Haupt- kronenblattes gelb und von bedeutender Grösse, die andere Hälfte purpurn und kleiner war. Bei einer andern Blüthe war die ganze Corolle hellgelb, aber genau die Hälfte des Kelches war purpurn. Bei einer andern hatte eines der schmutzig- rothen (also gemischten) Flügelkronenblätter einen schmalen hellgelben Streif und endlich war in einer andern Blüthe einer der Staubfäden halb gelb und halb purpurn.“
Offenbar kann bei Cytisus Adami der Ausschlag beim Kampf der elterlichen Idanten nicht wie bei den individuellen Merkmalen des Menschen darauf beruhen, dass je nach dem Theil, um welchen es sich handelt, die Zahl der homodynamen Determinanten im elterlichen Idioplasma wechselt, denn wäre dies so, so könnten nicht dieselben Blüthentheile bald gelb, bald roth sein, es müsste vielmehr bei allen Blüthen dieselbe Zu- sammensetzung aus elterlichen Erbstücken zu Tage treten, wenn auch mit schwachen Schwankungen, wie sie die Ungleichheit der Ernährungsbedingungen hervorruft. Es müssten die Blüthen mindestens wie bei den oben erwähnten Oxalis-Bastarden eine bestimmte, bei ein und derselben Pflanze übereinstimmende Mischung der Eltern-Merkmale aufweisen. Dass dem nicht so ist, spricht mir mit Bestimmtheit dafür, dass Cytisus Adami wirklich, wie sein Schöpfer, der Handelsgärtner Adam es an- giebt, ein echter Pfropfbastard und kein gewöhnlicher Samenbastard ist. Ich halte die Streitfrage, ob es solche Pfropfbastarde überhaupt gebe, dadurch für entschieden und er- kläre mir die Vererbungserscheinungen in folgender Weise.
Cytisus Adami ist dadurch entstanden, dass eine neue Knospe sich auf einem Stück Rinde von Cytisus purpureus bildete, welches auf den Stamm von C. Laburnum einokulirt worden war. Diese Knospe wuchs zu einem Trieb aus, der die Charaktere der Eltern in inniger Mischung enthielt. Erst später, als der betreffende Trieb
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gelb, die andere purpurn, so dass die eine Hälfte des Haupt-
kronenblattes gelb und von bedeutender Grösse, die andere
Hälfte purpurn und kleiner war. Bei einer andern Blüthe war
die ganze Corolle hellgelb, aber genau die Hälfte des Kelches
war purpurn. Bei einer andern hatte eines der schmutzig-
rothen (also gemischten) Flügelkronenblätter einen schmalen
hellgelben Streif und endlich war in einer andern Blüthe einer
der Staubfäden halb gelb und halb purpurn.“
Offenbar kann bei Cytisus Adami der Ausschlag beim
Kampf der elterlichen Idanten nicht wie bei den individuellen
Merkmalen des Menschen darauf beruhen, dass je nach dem
Theil, um welchen es sich handelt, die Zahl der homodynamen
Determinanten im elterlichen Idioplasma wechselt, denn wäre
dies so, so könnten nicht dieselben Blüthentheile bald gelb, bald
roth sein, es müsste vielmehr bei allen Blüthen dieselbe Zu-
sammensetzung aus elterlichen Erbstücken zu Tage treten, wenn
auch mit schwachen Schwankungen, wie sie die Ungleichheit
der Ernährungsbedingungen hervorruft. Es müssten die Blüthen
mindestens wie bei den oben erwähnten Oxalis-Bastarden eine
bestimmte, bei ein und derselben Pflanze übereinstimmende
Mischung der Eltern-Merkmale aufweisen. Dass dem nicht so
ist, spricht mir mit Bestimmtheit dafür, dass Cytisus Adami
wirklich, wie sein Schöpfer, der Handelsgärtner Adam es an-
giebt, ein echter Pfropfbastard und kein gewöhnlicher
Samenbastard ist. Ich halte die Streitfrage, ob es solche
Pfropfbastarde überhaupt gebe, dadurch für entschieden und er-
kläre mir die Vererbungserscheinungen in folgender Weise.
Cytisus Adami ist dadurch entstanden, dass eine neue Knospe
sich auf einem Stück Rinde von Cytisus purpureus bildete, welches
auf den Stamm von C. Laburnum einokulirt worden war. Diese
Knospe wuchs zu einem Trieb aus, der die Charaktere der Eltern in
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 446. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/470>, abgerufen am 22.11.2024.
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