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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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Determinanten gegenüber hinreicht, diese Determinantengruppe
zur Herrschaft gelangen, und der Rückschlag eintreten.

Dass diese Erklärung im Princip richtig sein muss, geht
aus Versuchen hervor, welche mit solchen abnormerweise pelo-
rischen Blumen in Bezug auf die Vererbung des Charakters an-
gestellt worden sind. Darwin befruchtete die pelorische Form
des Löwenmauls (Antirhinum majus) mit seinem eigenen Pollen
und erhielt aus dem Samen sechszehn Pflanzen, die alle "ebenso
vollkommen pelorisch waren, wie die Elternpflanze". Dass sich
der Pelorismus vererbte, kann nicht Wunder nehmen, denn im
Keimplasma der Eltern waren ja beiderseits die "pelorischen"
Determinanten in der Mehrheit, dass aber gerade die sechszehn
aufgezogenen Pflanzen sämmtlich sich pelorisch erwiesen, möchte
wohl ein Zufall sein. Wäre eine grössere Zahl von Nachkommen
aufgezogen worden, so wären sicherlich auch solche darunter
gewesen mit asymmetrischen Blumen, denn die Reductionstheilung
wird die "pelorischen" Determinanten meist ungleich auf die
beiden aus der Halbirung hervorgehenden Keimzellen vertheilen,
und es werden also bei der Befruchtung auch zwei Keimzellen
zusammentreffen können mit keinen oder nur einer Minorität
von "pelorischen" Determinanten. Dann aber muss Rückschlag
auf die gewöhnliche Blumenform die Folge sein.

Besonders interessant aber ist das Resultat des Darwin-
schen Gegenversuchs. Die "pelorische" Form wurde mit der
gewöhnlichen Form gekreuzt, und "zwei grosse Beete von Säm-
lingen" aus dieser Verbindung erzogen. "Nicht einer derselben
war pelorisch, und bei neunzig genau untersuchten Pflanzen
war Nichts von Pelorie zu finden, als dass in einigen wenigen
Fällen das kleine Rudiment des fünften Staubfadens, welches
stets vorhanden ist, etwas mehr oder selbst vollständig ent-
wickelt" war. Darwin sucht dies durch die Annahme zu er-

Determinanten gegenüber hinreicht, diese Determinantengruppe
zur Herrschaft gelangen, und der Rückschlag eintreten.

Dass diese Erklärung im Princip richtig sein muss, geht
aus Versuchen hervor, welche mit solchen abnormerweise pelo-
rischen Blumen in Bezug auf die Vererbung des Charakters an-
gestellt worden sind. Darwin befruchtete die pelorische Form
des Löwenmauls (Antirhinum majus) mit seinem eigenen Pollen
und erhielt aus dem Samen sechszehn Pflanzen, die alle „ebenso
vollkommen pelorisch waren, wie die Elternpflanze“. Dass sich
der Pelorismus vererbte, kann nicht Wunder nehmen, denn im
Keimplasma der Eltern waren ja beiderseits die „pelorischen“
Determinanten in der Mehrheit, dass aber gerade die sechszehn
aufgezogenen Pflanzen sämmtlich sich pelorisch erwiesen, möchte
wohl ein Zufall sein. Wäre eine grössere Zahl von Nachkommen
aufgezogen worden, so wären sicherlich auch solche darunter
gewesen mit asymmetrischen Blumen, denn die Reductionstheilung
wird die „pelorischen“ Determinanten meist ungleich auf die
beiden aus der Halbirung hervorgehenden Keimzellen vertheilen,
und es werden also bei der Befruchtung auch zwei Keimzellen
zusammentreffen können mit keinen oder nur einer Minorität
von „pelorischen“ Determinanten. Dann aber muss Rückschlag
auf die gewöhnliche Blumenform die Folge sein.

Besonders interessant aber ist das Resultat des Darwin-
schen Gegenversuchs. Die „pelorische“ Form wurde mit der
gewöhnlichen Form gekreuzt, und „zwei grosse Beete von Säm-
lingen“ aus dieser Verbindung erzogen. „Nicht einer derselben
war pelorisch, und bei neunzig genau untersuchten Pflanzen
war Nichts von Pelorie zu finden, als dass in einigen wenigen
Fällen das kleine Rudiment des fünften Staubfadens, welches
stets vorhanden ist, etwas mehr oder selbst vollständig ent-
wickelt“ war. Darwin sucht dies durch die Annahme zu er-

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[434/0458] Determinanten gegenüber hinreicht, diese Determinantengruppe zur Herrschaft gelangen, und der Rückschlag eintreten. Dass diese Erklärung im Princip richtig sein muss, geht aus Versuchen hervor, welche mit solchen abnormerweise pelo- rischen Blumen in Bezug auf die Vererbung des Charakters an- gestellt worden sind. Darwin befruchtete die pelorische Form des Löwenmauls (Antirhinum majus) mit seinem eigenen Pollen und erhielt aus dem Samen sechszehn Pflanzen, die alle „ebenso vollkommen pelorisch waren, wie die Elternpflanze“. Dass sich der Pelorismus vererbte, kann nicht Wunder nehmen, denn im Keimplasma der Eltern waren ja beiderseits die „pelorischen“ Determinanten in der Mehrheit, dass aber gerade die sechszehn aufgezogenen Pflanzen sämmtlich sich pelorisch erwiesen, möchte wohl ein Zufall sein. Wäre eine grössere Zahl von Nachkommen aufgezogen worden, so wären sicherlich auch solche darunter gewesen mit asymmetrischen Blumen, denn die Reductionstheilung wird die „pelorischen“ Determinanten meist ungleich auf die beiden aus der Halbirung hervorgehenden Keimzellen vertheilen, und es werden also bei der Befruchtung auch zwei Keimzellen zusammentreffen können mit keinen oder nur einer Minorität von „pelorischen“ Determinanten. Dann aber muss Rückschlag auf die gewöhnliche Blumenform die Folge sein. Besonders interessant aber ist das Resultat des Darwin- schen Gegenversuchs. Die „pelorische“ Form wurde mit der gewöhnlichen Form gekreuzt, und „zwei grosse Beete von Säm- lingen“ aus dieser Verbindung erzogen. „Nicht einer derselben war pelorisch, und bei neunzig genau untersuchten Pflanzen war Nichts von Pelorie zu finden, als dass in einigen wenigen Fällen das kleine Rudiment des fünften Staubfadens, welches stets vorhanden ist, etwas mehr oder selbst vollständig ent- wickelt“ war. Darwin sucht dies durch die Annahme zu er-

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 434. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/458>, abgerufen am 22.11.2024.