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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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zulesende Thatsache, dass bei einfacher Kreuzung die Jungen
sich ungefähr gleich verhalten in Bezug auf Rückschlag, lässt
sich theoretisch leicht verstehen. Denn im Keimplasma einer
gut fixirten Rasse wird ein bestimmter Procentsatz von Stammes-
Determinanten enthalten sein, und die verschiedenen Keimzellen
eines Individuums werden nur geringen Schwankungen nach
dieser Richtung hin unterliegen. Es müssen also bei der ein-
fachen Kreuzung bei jeder Befruchtung nahezu gleichviel
Stammes-Determinanten zusammentreffen, andererseits auch nahezu
gleichviel Rassen-Determinanten, und aus dem Kampf dieser ver-
schiedenen Determinanten-Arten muss auch stets annähernd das
gleiche Resultat hervorgehen. Dass die Übereinstimmung der
Jungen derselben Kreuzung eine vollkommene sei, ist nicht zu
erwarten, aber wenn kein Rückschlag bei dem einen eintritt,
so fehlt er auch bei den andern, und wenn er halb eintritt, so
findet sich irgend welcher Theil auch bei den andern zurück-
geschlagen. Ein Beispiel des ersten Falles ist in der oben an-
geführten Kreuzung von schwarzen Barb- mit weissen Pfauen-
tauben enthalten. Ein Beispiel der zweiten Art beschreibt
Darwin auf p. 220 des Band I der "Domestication". Er
kreuzte eine weisse Nonne mit einem rothen Purzler und er-
hielt fünf Junge, die alle irgend welche Andeutung von Rück-
schlag zeigten: No. I hatte einen blauen Schwanz, No. II und
No. III besassen auf einem blauen Schwanz sogar noch eine
Spur der schwarzen Binde, No. IV war bräunlich, hatte aber
eine Spur der Flügelbinde, No. V. war blassblau an Brust,
Rücken und Schwanz, aber am Hals und auf den Flügeln war
sie roth und die Flügelbinden waren ebenfalls roth angelegt.
Also bei allen fünf Jungen Rückschlag, bald stärker, bald
schwächer, bald an diesem, bald an jenem Theil. Die Ver-
schiedenheit der Jungen deutet darauf hin, was die Theorie
auch voraussetzen muss, dass die Zahl der Stammes-Determi-

zulesende Thatsache, dass bei einfacher Kreuzung die Jungen
sich ungefähr gleich verhalten in Bezug auf Rückschlag, lässt
sich theoretisch leicht verstehen. Denn im Keimplasma einer
gut fixirten Rasse wird ein bestimmter Procentsatz von Stammes-
Determinanten enthalten sein, und die verschiedenen Keimzellen
eines Individuums werden nur geringen Schwankungen nach
dieser Richtung hin unterliegen. Es müssen also bei der ein-
fachen Kreuzung bei jeder Befruchtung nahezu gleichviel
Stammes-Determinanten zusammentreffen, andererseits auch nahezu
gleichviel Rassen-Determinanten, und aus dem Kampf dieser ver-
schiedenen Determinanten-Arten muss auch stets annähernd das
gleiche Resultat hervorgehen. Dass die Übereinstimmung der
Jungen derselben Kreuzung eine vollkommene sei, ist nicht zu
erwarten, aber wenn kein Rückschlag bei dem einen eintritt,
so fehlt er auch bei den andern, und wenn er halb eintritt, so
findet sich irgend welcher Theil auch bei den andern zurück-
geschlagen. Ein Beispiel des ersten Falles ist in der oben an-
geführten Kreuzung von schwarzen Barb- mit weissen Pfauen-
tauben enthalten. Ein Beispiel der zweiten Art beschreibt
Darwin auf p. 220 des Band I der „Domestication“. Er
kreuzte eine weisse Nonne mit einem rothen Purzler und er-
hielt fünf Junge, die alle irgend welche Andeutung von Rück-
schlag zeigten: No. I hatte einen blauen Schwanz, No. II und
No. III besassen auf einem blauen Schwanz sogar noch eine
Spur der schwarzen Binde, No. IV war bräunlich, hatte aber
eine Spur der Flügelbinde, No. V. war blassblau an Brust,
Rücken und Schwanz, aber am Hals und auf den Flügeln war
sie roth und die Flügelbinden waren ebenfalls roth angelegt.
Also bei allen fünf Jungen Rückschlag, bald stärker, bald
schwächer, bald an diesem, bald an jenem Theil. Die Ver-
schiedenheit der Jungen deutet darauf hin, was die Theorie
auch voraussetzen muss, dass die Zahl der Stammes-Determi-

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[429/0453] zulesende Thatsache, dass bei einfacher Kreuzung die Jungen sich ungefähr gleich verhalten in Bezug auf Rückschlag, lässt sich theoretisch leicht verstehen. Denn im Keimplasma einer gut fixirten Rasse wird ein bestimmter Procentsatz von Stammes- Determinanten enthalten sein, und die verschiedenen Keimzellen eines Individuums werden nur geringen Schwankungen nach dieser Richtung hin unterliegen. Es müssen also bei der ein- fachen Kreuzung bei jeder Befruchtung nahezu gleichviel Stammes-Determinanten zusammentreffen, andererseits auch nahezu gleichviel Rassen-Determinanten, und aus dem Kampf dieser ver- schiedenen Determinanten-Arten muss auch stets annähernd das gleiche Resultat hervorgehen. Dass die Übereinstimmung der Jungen derselben Kreuzung eine vollkommene sei, ist nicht zu erwarten, aber wenn kein Rückschlag bei dem einen eintritt, so fehlt er auch bei den andern, und wenn er halb eintritt, so findet sich irgend welcher Theil auch bei den andern zurück- geschlagen. Ein Beispiel des ersten Falles ist in der oben an- geführten Kreuzung von schwarzen Barb- mit weissen Pfauen- tauben enthalten. Ein Beispiel der zweiten Art beschreibt Darwin auf p. 220 des Band I der „Domestication“. Er kreuzte eine weisse Nonne mit einem rothen Purzler und er- hielt fünf Junge, die alle irgend welche Andeutung von Rück- schlag zeigten: No. I hatte einen blauen Schwanz, No. II und No. III besassen auf einem blauen Schwanz sogar noch eine Spur der schwarzen Binde, No. IV war bräunlich, hatte aber eine Spur der Flügelbinde, No. V. war blassblau an Brust, Rücken und Schwanz, aber am Hals und auf den Flügeln war sie roth und die Flügelbinden waren ebenfalls roth angelegt. Also bei allen fünf Jungen Rückschlag, bald stärker, bald schwächer, bald an diesem, bald an jenem Theil. Die Ver- schiedenheit der Jungen deutet darauf hin, was die Theorie auch voraussetzen muss, dass die Zahl der Stammes-Determi-

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 429. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/453>, abgerufen am 22.11.2024.