Gesetzt, es handele sich um die Farbe der Augen; die Mutter habe blaue, der Vater braune Augen. Die Zahl der väterlichen und der mütterlichen Ide im Idioplasma der Pig- mentzellen der Regenbogenhaut sei zwar die gleiche, aber beim Vater seien neun Zehntel der Ide aus "braunen"1) Determinanten zusammengesetzt und nur ein Zehntel aus andersfarbigen, wäh- rend die Ide der Mutter zwei Drittel blaue und ein Drittel braune Determinanten enthielten. Im Kind wird dann höchst wahrscheinlich die Iris braun werden, da die neun Zehntel braune Determinanten des Vaters sich mit dem einen Drittel homodynamer Determinanten der Mutter zu einer Gesammt- wirkung verbinden werden. Der Sieg der braunen Determi- nanten würde aber auch dann noch sicher sein, wenn in den Iden der Mutter gar keine braunen Determinanten enthalten wären, sondern statt deren etwa grüne oder rothe -- an- genommen, es gäbe grüne oder rothe Pigmentzellen in der Iris des Menschen. Denn in diesem Falle würden neun Zehntel der väterlichen Determinanten verschiedenen kleinen Gruppen hetero- dynamer Determinanten der Mutter gegenüber stehen. Mög- licherweise könnten diese Letzteren das Braun, welches die väterliche Determinantengruppe allein hervorrufen würde, modi- ficiren, indem auch sie einen Theil des Zellkörpers bestimmten, aber es ist ebensowohl denkbar, dass sie gänzlich durch die väterlichen Determinanten überwunden und von der Bestimmung der Zelle ausgeschlossen würden. Wie sich da im einzelnen Falle der Kampf der Theile gestaltet, entzieht sich, wie gesagt,
1) Wenn ich hier von "braunen und blauen" Determinanten spreche, so geschieht dies nur der Kürze halber. Es ist mir nicht unbekannt, dass das Blau der Iris nicht auf blauem Pigment beruht. Der Ausdruck bedeutet, dass die Determinante der Iris eine Structur ertheilt, welche sie blau oder braun erscheinen lässt, einerlei, durch welche histologische Mittel dies geschieht. So auch bei allen späteren Anwendungen dieser Redeform.
Gesetzt, es handele sich um die Farbe der Augen; die Mutter habe blaue, der Vater braune Augen. Die Zahl der väterlichen und der mütterlichen Ide im Idioplasma der Pig- mentzellen der Regenbogenhaut sei zwar die gleiche, aber beim Vater seien neun Zehntel der Ide aus „braunen“1) Determinanten zusammengesetzt und nur ein Zehntel aus andersfarbigen, wäh- rend die Ide der Mutter zwei Drittel blaue und ein Drittel braune Determinanten enthielten. Im Kind wird dann höchst wahrscheinlich die Iris braun werden, da die neun Zehntel braune Determinanten des Vaters sich mit dem einen Drittel homodynamer Determinanten der Mutter zu einer Gesammt- wirkung verbinden werden. Der Sieg der braunen Determi- nanten würde aber auch dann noch sicher sein, wenn in den Iden der Mutter gar keine braunen Determinanten enthalten wären, sondern statt deren etwa grüne oder rothe — an- genommen, es gäbe grüne oder rothe Pigmentzellen in der Iris des Menschen. Denn in diesem Falle würden neun Zehntel der väterlichen Determinanten verschiedenen kleinen Gruppen hetero- dynamer Determinanten der Mutter gegenüber stehen. Mög- licherweise könnten diese Letzteren das Braun, welches die väterliche Determinantengruppe allein hervorrufen würde, modi- ficiren, indem auch sie einen Theil des Zellkörpers bestimmten, aber es ist ebensowohl denkbar, dass sie gänzlich durch die väterlichen Determinanten überwunden und von der Bestimmung der Zelle ausgeschlossen würden. Wie sich da im einzelnen Falle der Kampf der Theile gestaltet, entzieht sich, wie gesagt,
1) Wenn ich hier von „braunen und blauen“ Determinanten spreche, so geschieht dies nur der Kürze halber. Es ist mir nicht unbekannt, dass das Blau der Iris nicht auf blauem Pigment beruht. Der Ausdruck bedeutet, dass die Determinante der Iris eine Structur ertheilt, welche sie blau oder braun erscheinen lässt, einerlei, durch welche histologische Mittel dies geschieht. So auch bei allen späteren Anwendungen dieser Redeform.
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Gesetzt, es handele sich um die Farbe der Augen; die
Mutter habe blaue, der Vater braune Augen. Die Zahl der
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mentzellen der Regenbogenhaut sei zwar die gleiche, aber beim
Vater seien neun Zehntel der Ide aus „braunen“ 1) Determinanten
zusammengesetzt und nur ein Zehntel aus andersfarbigen, wäh-
rend die Ide der Mutter zwei Drittel blaue und ein Drittel
braune Determinanten enthielten. Im Kind wird dann höchst
wahrscheinlich die Iris braun werden, da die neun Zehntel
braune Determinanten des Vaters sich mit dem einen Drittel
homodynamer Determinanten der Mutter zu einer Gesammt-
wirkung verbinden werden. Der Sieg der braunen Determi-
nanten würde aber auch dann noch sicher sein, wenn in den
Iden der Mutter gar keine braunen Determinanten enthalten
wären, sondern statt deren etwa grüne oder rothe — an-
genommen, es gäbe grüne oder rothe Pigmentzellen in der Iris
des Menschen. Denn in diesem Falle würden neun Zehntel der
väterlichen Determinanten verschiedenen kleinen Gruppen hetero-
dynamer Determinanten der Mutter gegenüber stehen. Mög-
licherweise könnten diese Letzteren das Braun, welches die
väterliche Determinantengruppe allein hervorrufen würde, modi-
ficiren, indem auch sie einen Theil des Zellkörpers bestimmten,
aber es ist ebensowohl denkbar, dass sie gänzlich durch die
väterlichen Determinanten überwunden und von der Bestimmung
der Zelle ausgeschlossen würden. Wie sich da im einzelnen
Falle der Kampf der Theile gestaltet, entzieht sich, wie gesagt,
1) Wenn ich hier von „braunen und blauen“ Determinanten spreche,
so geschieht dies nur der Kürze halber. Es ist mir nicht unbekannt, dass
das Blau der Iris nicht auf blauem Pigment beruht. Der Ausdruck bedeutet,
dass die Determinante der Iris eine Structur ertheilt, welche sie blau
oder braun erscheinen lässt, einerlei, durch welche histologische Mittel
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 365. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/389>, abgerufen am 26.11.2024.
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