in nahezu jedem Idanten des einen oder des andern Elters enthalten sein müssen; denn sie sind Artcharaktere.
Der idioplasmatische Unterschied zwischen individuellen und Artcharakteren kann -- wie mir scheint -- nur darin gesucht werden, dass die Determinanten der Letzteren in der überwiegenden Majorität aller Ide jedes Idanten eines Keim- plasma's vorkommen müssen, während die Determinanten, welche der Bildung individueller Merkmale vorstehen, nur in einem Theil der das Keimplasma zusammensetzenden Idanten enthalten sein werden -- nämlich höchstens in sämmtlichen Idanten des einen Elters, d. h. also in der Hälfte sämmtlicher Idanten. Wie stark die Determinanten irgend eines individuellen Charakters hier vertreten sind, ob sie in vielen Iden enthalten sind, oder nur in einem kleinen Bruchtheil derselben, würde sich erst dann aus den Vererbungserscheinungen ablesen lassen, wenn wir wüssten, wovon das Hervortreten, gewissermassen der Sieg eines Charakters abhängt. Dies aber lässt sich nur aus Kreu- zungen zwischen Arten erschliessen, bei denen wir aus der hohen Constanz der Artcharaktere von vornherein annehmen dürfen, dass ihre Determinanten in allen Idanten der elterlichen Keim- zelle dominiren.
Es treten also bei der Amphimixis der Pflanzen-Bastarde väterliche und mütterliche Idanten zusammen, die wir, jede Gruppe unter sich, für gleich annehmen dürfen, und es fragt sich, wie nun die Vererbungserscheinungen ausfallen, und welche Rückschlüsse aus ihnen gezogen werden können.
Aus den ungemein zahlreichen Beobachtungen über Pflanzen- Mischlinge geht zunächst hervor, dass die Charaktere der Eltern in verschiedener Weise sich mischen können. Focke, der alle bis 1881 bekannten Fälle in seinem Buche1) zusammengestellt hat, kommt zu dem Ergebniss dreier Hauptrichtungen in der
1)Focke, "Die Pflanzen-Mischlinge". Berlin 1881.
in nahezu jedem Idanten des einen oder des andern Elters enthalten sein müssen; denn sie sind Artcharaktere.
Der idioplasmatische Unterschied zwischen individuellen und Artcharakteren kann — wie mir scheint — nur darin gesucht werden, dass die Determinanten der Letzteren in der überwiegenden Majorität aller Ide jedes Idanten eines Keim- plasma’s vorkommen müssen, während die Determinanten, welche der Bildung individueller Merkmale vorstehen, nur in einem Theil der das Keimplasma zusammensetzenden Idanten enthalten sein werden — nämlich höchstens in sämmtlichen Idanten des einen Elters, d. h. also in der Hälfte sämmtlicher Idanten. Wie stark die Determinanten irgend eines individuellen Charakters hier vertreten sind, ob sie in vielen Iden enthalten sind, oder nur in einem kleinen Bruchtheil derselben, würde sich erst dann aus den Vererbungserscheinungen ablesen lassen, wenn wir wüssten, wovon das Hervortreten, gewissermassen der Sieg eines Charakters abhängt. Dies aber lässt sich nur aus Kreu- zungen zwischen Arten erschliessen, bei denen wir aus der hohen Constanz der Artcharaktere von vornherein annehmen dürfen, dass ihre Determinanten in allen Idanten der elterlichen Keim- zelle dominiren.
Es treten also bei der Amphimixis der Pflanzen-Bastarde väterliche und mütterliche Idanten zusammen, die wir, jede Gruppe unter sich, für gleich annehmen dürfen, und es fragt sich, wie nun die Vererbungserscheinungen ausfallen, und welche Rückschlüsse aus ihnen gezogen werden können.
Aus den ungemein zahlreichen Beobachtungen über Pflanzen- Mischlinge geht zunächst hervor, dass die Charaktere der Eltern in verschiedener Weise sich mischen können. Focke, der alle bis 1881 bekannten Fälle in seinem Buche1) zusammengestellt hat, kommt zu dem Ergebniss dreier Hauptrichtungen in der
1)Focke, „Die Pflanzen-Mischlinge“. Berlin 1881.
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in nahezu jedem Idanten des einen oder des andern Elters
enthalten sein müssen; denn sie sind Artcharaktere.
Der idioplasmatische Unterschied zwischen individuellen
und Artcharakteren kann — wie mir scheint — nur darin
gesucht werden, dass die Determinanten der Letzteren in der
überwiegenden Majorität aller Ide jedes Idanten eines Keim-
plasma’s vorkommen müssen, während die Determinanten, welche
der Bildung individueller Merkmale vorstehen, nur in einem
Theil der das Keimplasma zusammensetzenden Idanten enthalten
sein werden — nämlich höchstens in sämmtlichen Idanten
des einen Elters, d. h. also in der Hälfte sämmtlicher Idanten.
Wie stark die Determinanten irgend eines individuellen Charakters
hier vertreten sind, ob sie in vielen Iden enthalten sind, oder
nur in einem kleinen Bruchtheil derselben, würde sich erst
dann aus den Vererbungserscheinungen ablesen lassen, wenn
wir wüssten, wovon das Hervortreten, gewissermassen der Sieg
eines Charakters abhängt. Dies aber lässt sich nur aus Kreu-
zungen zwischen Arten erschliessen, bei denen wir aus der hohen
Constanz der Artcharaktere von vornherein annehmen dürfen,
dass ihre Determinanten in allen Idanten der elterlichen Keim-
zelle dominiren.
Es treten also bei der Amphimixis der Pflanzen-Bastarde
väterliche und mütterliche Idanten zusammen, die wir, jede
Gruppe unter sich, für gleich annehmen dürfen, und es fragt
sich, wie nun die Vererbungserscheinungen ausfallen, und welche
Rückschlüsse aus ihnen gezogen werden können.
Aus den ungemein zahlreichen Beobachtungen über Pflanzen-
Mischlinge geht zunächst hervor, dass die Charaktere der Eltern
in verschiedener Weise sich mischen können. Focke, der alle
bis 1881 bekannten Fälle in seinem Buche 1) zusammengestellt
hat, kommt zu dem Ergebniss dreier Hauptrichtungen in der
1) Focke, „Die Pflanzen-Mischlinge“. Berlin 1881.
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 341. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/365>, abgerufen am 24.11.2024.
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