Das heisst also, ein Individuum einer solchen Art kann zehn in Bezug auf die individuellen Vererbungstendenzen verschiedene Arten von Eiern oder Samenzellen hervorbringen. Bei der Be- fruchtung eines solchen Eies durch die Samenzelle eines andern Individuums treten dann zwei fremde Idanten hinzu; da nun jeder Elter zehn verschiedene Arten von Keimzellen producirt, so können also so viele verschiedene Kinder aus der Verbin- dung eines Elternpaares hervorgehen, als Combinationen mög- lich sind zwischen den zehn Spermazellenarten des Vaters und den zehn Eizellenarten der Mutter, d. h. 10 x 10 = 100.
Bei acht Idanten erhält man ohne Verdoppelung siebzig Combinationen, mit Verdoppelung deren 266; bei zwölf Idanten ohne Verdoppelung 924, mit solcher 8074 Combinationen; bei sechszehn Idanten ohne 12,870, mit Verdoppelung 258,570; bei zwanzig Idanten ohne Verdoppelung 184,756 Combinationen, mit Verdoppelung 8,533,660; bei zweiunddreissig Idanten würde man mit Verdoppelung etwa das 500fache an Combinationen erhalten wie ohne Verdoppelung.
Da nun bei der Befruchtung stets von beiden Seiten her die gleiche Zahl von Idanten zusammentrifft, und da jede der elterlichen Keimzellen nur eine der vielen möglichen Idanten- Combinationen enthält, so ergiebt sich, dass die Zahl der Keim- plasma-Variationen, welche ein Elternpaar möglicherweise zu liefern im Stande ist, eine ganz ungeheure sein muss, denn sie wird durch Multiplication der mütterlichen mit der väterlichen Combinationszahl erhalten. Für zwölf Idanten beträgt sie schon 8074 x 8074. Leider kennen wir die Ideantenzahl gerade bei derjenigen Art nicht, deren individuellen Unterschiede wir allein bis in die feinsten Einzelheiten zu erkennen im Stande sind, beim Menschen nämlich. Aber wir dürfen vermuten, dass sie grösser als vier sein wird. Betrüge sie z. B. zwölf, so brauchten wir uns nicht zu wundern, dass noch niemals zwei nach ein-
Das heisst also, ein Individuum einer solchen Art kann zehn in Bezug auf die individuellen Vererbungstendenzen verschiedene Arten von Eiern oder Samenzellen hervorbringen. Bei der Be- fruchtung eines solchen Eies durch die Samenzelle eines andern Individuums treten dann zwei fremde Idanten hinzu; da nun jeder Elter zehn verschiedene Arten von Keimzellen producirt, so können also so viele verschiedene Kinder aus der Verbin- dung eines Elternpaares hervorgehen, als Combinationen mög- lich sind zwischen den zehn Spermazellenarten des Vaters und den zehn Eizellenarten der Mutter, d. h. 10 × 10 = 100.
Bei acht Idanten erhält man ohne Verdoppelung siebzig Combinationen, mit Verdoppelung deren 266; bei zwölf Idanten ohne Verdoppelung 924, mit solcher 8074 Combinationen; bei sechszehn Idanten ohne 12,870, mit Verdoppelung 258,570; bei zwanzig Idanten ohne Verdoppelung 184,756 Combinationen, mit Verdoppelung 8,533,660; bei zweiunddreissig Idanten würde man mit Verdoppelung etwa das 500fache an Combinationen erhalten wie ohne Verdoppelung.
Da nun bei der Befruchtung stets von beiden Seiten her die gleiche Zahl von Idanten zusammentrifft, und da jede der elterlichen Keimzellen nur eine der vielen möglichen Idanten- Combinationen enthält, so ergiebt sich, dass die Zahl der Keim- plasma-Variationen, welche ein Elternpaar möglicherweise zu liefern im Stande ist, eine ganz ungeheure sein muss, denn sie wird durch Multiplication der mütterlichen mit der väterlichen Combinationszahl erhalten. Für zwölf Idanten beträgt sie schon 8074 × 8074. Leider kennen wir die Ideantenzahl gerade bei derjenigen Art nicht, deren individuellen Unterschiede wir allein bis in die feinsten Einzelheiten zu erkennen im Stande sind, beim Menschen nämlich. Aber wir dürfen vermuten, dass sie grösser als vier sein wird. Betrüge sie z. B. zwölf, so brauchten wir uns nicht zu wundern, dass noch niemals zwei nach ein-
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><divn="3"><p><pbfacs="#f0350"n="326"/>
Das heisst also, ein Individuum einer solchen Art kann zehn<lb/>
in Bezug auf die individuellen Vererbungstendenzen verschiedene<lb/>
Arten von Eiern oder Samenzellen hervorbringen. Bei der Be-<lb/>
fruchtung eines solchen Eies durch die Samenzelle eines andern<lb/>
Individuums treten dann zwei fremde Idanten hinzu; da nun<lb/>
jeder Elter zehn verschiedene Arten von Keimzellen producirt,<lb/>
so können also so viele verschiedene Kinder aus der Verbin-<lb/>
dung eines Elternpaares hervorgehen, als Combinationen mög-<lb/>
lich sind zwischen den zehn Spermazellenarten des Vaters und<lb/>
den zehn Eizellenarten der Mutter, d. h. 10 × 10 = 100.</p><lb/><p>Bei acht Idanten erhält man ohne Verdoppelung siebzig<lb/>
Combinationen, mit Verdoppelung deren 266; bei zwölf Idanten<lb/>
ohne Verdoppelung 924, mit solcher 8074 Combinationen; bei<lb/>
sechszehn Idanten ohne 12,870, mit Verdoppelung 258,570; bei<lb/>
zwanzig Idanten ohne Verdoppelung 184,756 Combinationen,<lb/>
mit Verdoppelung 8,533,660; bei zweiunddreissig Idanten würde<lb/>
man mit Verdoppelung etwa das 500fache an Combinationen<lb/>
erhalten wie ohne Verdoppelung.</p><lb/><p>Da nun bei der Befruchtung stets von beiden Seiten her<lb/>
die gleiche Zahl von Idanten zusammentrifft, und da jede der<lb/>
elterlichen Keimzellen nur <hirendition="#g">eine</hi> der vielen möglichen Idanten-<lb/>
Combinationen enthält, so ergiebt sich, dass die Zahl der Keim-<lb/>
plasma-Variationen, welche <hirendition="#g">ein</hi> Elternpaar möglicherweise zu<lb/>
liefern im Stande ist, eine ganz ungeheure sein muss, denn sie<lb/>
wird durch Multiplication der mütterlichen mit der väterlichen<lb/>
Combinationszahl erhalten. Für zwölf Idanten beträgt sie schon<lb/>
8074 × 8074. Leider kennen wir die Ideantenzahl gerade bei<lb/>
derjenigen Art nicht, deren individuellen Unterschiede wir allein<lb/>
bis in die feinsten Einzelheiten zu erkennen im Stande sind,<lb/>
beim Menschen nämlich. Aber wir dürfen vermuten, dass sie<lb/>
grösser als vier sein wird. Betrüge sie z. B. zwölf, so brauchten<lb/>
wir uns nicht zu wundern, dass noch niemals zwei nach ein-<lb/></p></div></div></div></body></text></TEI>
[326/0350]
Das heisst also, ein Individuum einer solchen Art kann zehn
in Bezug auf die individuellen Vererbungstendenzen verschiedene
Arten von Eiern oder Samenzellen hervorbringen. Bei der Be-
fruchtung eines solchen Eies durch die Samenzelle eines andern
Individuums treten dann zwei fremde Idanten hinzu; da nun
jeder Elter zehn verschiedene Arten von Keimzellen producirt,
so können also so viele verschiedene Kinder aus der Verbin-
dung eines Elternpaares hervorgehen, als Combinationen mög-
lich sind zwischen den zehn Spermazellenarten des Vaters und
den zehn Eizellenarten der Mutter, d. h. 10 × 10 = 100.
Bei acht Idanten erhält man ohne Verdoppelung siebzig
Combinationen, mit Verdoppelung deren 266; bei zwölf Idanten
ohne Verdoppelung 924, mit solcher 8074 Combinationen; bei
sechszehn Idanten ohne 12,870, mit Verdoppelung 258,570; bei
zwanzig Idanten ohne Verdoppelung 184,756 Combinationen,
mit Verdoppelung 8,533,660; bei zweiunddreissig Idanten würde
man mit Verdoppelung etwa das 500fache an Combinationen
erhalten wie ohne Verdoppelung.
Da nun bei der Befruchtung stets von beiden Seiten her
die gleiche Zahl von Idanten zusammentrifft, und da jede der
elterlichen Keimzellen nur eine der vielen möglichen Idanten-
Combinationen enthält, so ergiebt sich, dass die Zahl der Keim-
plasma-Variationen, welche ein Elternpaar möglicherweise zu
liefern im Stande ist, eine ganz ungeheure sein muss, denn sie
wird durch Multiplication der mütterlichen mit der väterlichen
Combinationszahl erhalten. Für zwölf Idanten beträgt sie schon
8074 × 8074. Leider kennen wir die Ideantenzahl gerade bei
derjenigen Art nicht, deren individuellen Unterschiede wir allein
bis in die feinsten Einzelheiten zu erkennen im Stande sind,
beim Menschen nämlich. Aber wir dürfen vermuten, dass sie
grösser als vier sein wird. Betrüge sie z. B. zwölf, so brauchten
wir uns nicht zu wundern, dass noch niemals zwei nach ein-
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 326. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/350>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.