Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite

heit nachweisen, und man könnte deshalb geneigt sein, in den
Chromosomen überhaupt keine durchweg gleichwerthigen Ge-
bilde zu sehen, und sie theils für Einzel-Ide, theils für Reihen
von Iden zu halten. Stützen liesse sich diese Vermuthung da-
durch, dass eine ziemlich verschiedene Zahl von Chromosomen
bei nahe verwandten Arten vorkommt, bei welchen doch zu
erwarten wäre, dass die Vererbungsvorgänge in nahezu der-
selben Weise verlaufen. So sind für Ascaris lumbricoides 12
Kernstäbchen die Norm, für Ascaris megalocephala aber 2 oder 4;
bei anderen Würmern aus derselben Ordnung finden sich 8, 12
und 16 Stäbchen als Normalzahl. Ich möchte indessen diese
Differenzen für nicht gross genug halten, um daraus auf eine
verschiedene Werthigkeit der Stäbchen zu schliessen und werde
in dieser Ansicht befestigt durch die von Boveri und O. Hert-
wig
gemachte Beobachtung, dass selbst bei ein und derselben
Art (Ascaris megalocephala) zwei Varietäten vorkommen, von
denen die eine nur zwei Kernstäbchen besitzt, die andere da-
gegen deren vier. In diesem Falle ist die Zahl der Mikrosomen
bei der einen Varietät ebenfalls die doppelte von der der anderen,
und bei den übrigen Nematoden treten zwar die Mikrosomen
nicht immer mit völliger Klarheit uns entgegen, aber die Gestalt
der Stäbchen lässt auf ihr Vorhandensein schliessen. Aus diesen
Gründen möchte ich in dem einzelnen Mikrosom das Id
sehen, in den Kernstäbchen aber Id-Gruppen
, die ich
als solche mit dem Namen der Idanten bezeichne.

Die Zahl der Ide des einzelnen Idanten und die Zahl der
Idanten selbst ist eine für jede Art fest normirte, schwankt
aber bei verschiedenen Arten zwischen ziemlich weiten Grenzen.
Jedes Id eines bestimmten Keimplasma's könnte, wenn es allein
in genügender Zahl vorhanden wäre, die gesammte Ontogenese
leiten, d. h. jedes Id enthält die sämmtlichen Determinanten zu
einem Individuum, aber die Ide, welche die Idanten einer ge-

heit nachweisen, und man könnte deshalb geneigt sein, in den
Chromosomen überhaupt keine durchweg gleichwerthigen Ge-
bilde zu sehen, und sie theils für Einzel-Ide, theils für Reihen
von Iden zu halten. Stützen liesse sich diese Vermuthung da-
durch, dass eine ziemlich verschiedene Zahl von Chromosomen
bei nahe verwandten Arten vorkommt, bei welchen doch zu
erwarten wäre, dass die Vererbungsvorgänge in nahezu der-
selben Weise verlaufen. So sind für Ascaris lumbricoides 12
Kernstäbchen die Norm, für Ascaris megalocephala aber 2 oder 4;
bei anderen Würmern aus derselben Ordnung finden sich 8, 12
und 16 Stäbchen als Normalzahl. Ich möchte indessen diese
Differenzen für nicht gross genug halten, um daraus auf eine
verschiedene Werthigkeit der Stäbchen zu schliessen und werde
in dieser Ansicht befestigt durch die von Boveri und O. Hert-
wig
gemachte Beobachtung, dass selbst bei ein und derselben
Art (Ascaris megalocephala) zwei Varietäten vorkommen, von
denen die eine nur zwei Kernstäbchen besitzt, die andere da-
gegen deren vier. In diesem Falle ist die Zahl der Mikrosomen
bei der einen Varietät ebenfalls die doppelte von der der anderen,
und bei den übrigen Nematoden treten zwar die Mikrosomen
nicht immer mit völliger Klarheit uns entgegen, aber die Gestalt
der Stäbchen lässt auf ihr Vorhandensein schliessen. Aus diesen
Gründen möchte ich in dem einzelnen Mikrosom das Id
sehen, in den Kernstäbchen aber Id-Gruppen
, die ich
als solche mit dem Namen der Idanten bezeichne.

Die Zahl der Ide des einzelnen Idanten und die Zahl der
Idanten selbst ist eine für jede Art fest normirte, schwankt
aber bei verschiedenen Arten zwischen ziemlich weiten Grenzen.
Jedes Id eines bestimmten Keimplasma’s könnte, wenn es allein
in genügender Zahl vorhanden wäre, die gesammte Ontogenese
leiten, d. h. jedes Id enthält die sämmtlichen Determinanten zu
einem Individuum, aber die Ide, welche die Idanten einer ge-

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <p><pb facs="#f0340" n="316"/>
heit nachweisen, und man könnte deshalb geneigt sein, in den<lb/>
Chromosomen überhaupt keine durchweg gleichwerthigen Ge-<lb/>
bilde zu sehen, und sie theils für Einzel-Ide, theils für Reihen<lb/>
von Iden zu halten. Stützen liesse sich diese Vermuthung da-<lb/>
durch, dass eine ziemlich verschiedene Zahl von Chromosomen<lb/>
bei nahe verwandten Arten vorkommt, bei welchen doch zu<lb/>
erwarten wäre, dass die Vererbungsvorgänge in nahezu der-<lb/>
selben Weise verlaufen. So sind für Ascaris lumbricoides 12<lb/>
Kernstäbchen die Norm, für Ascaris megalocephala aber 2 oder 4;<lb/>
bei anderen Würmern aus derselben Ordnung finden sich 8, 12<lb/>
und 16 Stäbchen als Normalzahl. Ich möchte indessen diese<lb/>
Differenzen für nicht gross genug halten, um daraus auf eine<lb/>
verschiedene Werthigkeit der Stäbchen zu schliessen und werde<lb/>
in dieser Ansicht befestigt durch die von <hi rendition="#g">Boveri</hi> und O. <hi rendition="#g">Hert-<lb/>
wig</hi> gemachte Beobachtung, dass selbst bei ein und derselben<lb/>
Art (Ascaris megalocephala) zwei Varietäten vorkommen, von<lb/>
denen die eine nur zwei Kernstäbchen besitzt, die andere da-<lb/>
gegen deren vier. In diesem Falle ist die Zahl der Mikrosomen<lb/>
bei der einen Varietät ebenfalls die doppelte von der der anderen,<lb/>
und bei den übrigen Nematoden treten zwar die Mikrosomen<lb/>
nicht immer mit völliger Klarheit uns entgegen, aber die Gestalt<lb/>
der Stäbchen lässt auf ihr Vorhandensein schliessen. Aus diesen<lb/>
Gründen möchte ich <hi rendition="#g">in dem einzelnen Mikrosom das Id<lb/>
sehen, in den Kernstäbchen aber Id-Gruppen</hi>, die ich<lb/>
als solche mit dem Namen der <hi rendition="#g">Idanten</hi> bezeichne.</p><lb/>
            <p>Die <hi rendition="#g">Zahl</hi> der Ide des einzelnen Idanten und die Zahl der<lb/>
Idanten selbst ist eine für jede Art fest normirte, schwankt<lb/>
aber bei verschiedenen Arten zwischen ziemlich weiten Grenzen.<lb/>
Jedes Id eines bestimmten Keimplasma&#x2019;s könnte, wenn es allein<lb/>
in genügender Zahl vorhanden wäre, die gesammte Ontogenese<lb/>
leiten, d. h. jedes Id enthält die sämmtlichen Determinanten zu<lb/>
einem Individuum, aber die Ide, welche die Idanten einer ge-<lb/></p>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[316/0340] heit nachweisen, und man könnte deshalb geneigt sein, in den Chromosomen überhaupt keine durchweg gleichwerthigen Ge- bilde zu sehen, und sie theils für Einzel-Ide, theils für Reihen von Iden zu halten. Stützen liesse sich diese Vermuthung da- durch, dass eine ziemlich verschiedene Zahl von Chromosomen bei nahe verwandten Arten vorkommt, bei welchen doch zu erwarten wäre, dass die Vererbungsvorgänge in nahezu der- selben Weise verlaufen. So sind für Ascaris lumbricoides 12 Kernstäbchen die Norm, für Ascaris megalocephala aber 2 oder 4; bei anderen Würmern aus derselben Ordnung finden sich 8, 12 und 16 Stäbchen als Normalzahl. Ich möchte indessen diese Differenzen für nicht gross genug halten, um daraus auf eine verschiedene Werthigkeit der Stäbchen zu schliessen und werde in dieser Ansicht befestigt durch die von Boveri und O. Hert- wig gemachte Beobachtung, dass selbst bei ein und derselben Art (Ascaris megalocephala) zwei Varietäten vorkommen, von denen die eine nur zwei Kernstäbchen besitzt, die andere da- gegen deren vier. In diesem Falle ist die Zahl der Mikrosomen bei der einen Varietät ebenfalls die doppelte von der der anderen, und bei den übrigen Nematoden treten zwar die Mikrosomen nicht immer mit völliger Klarheit uns entgegen, aber die Gestalt der Stäbchen lässt auf ihr Vorhandensein schliessen. Aus diesen Gründen möchte ich in dem einzelnen Mikrosom das Id sehen, in den Kernstäbchen aber Id-Gruppen, die ich als solche mit dem Namen der Idanten bezeichne. Die Zahl der Ide des einzelnen Idanten und die Zahl der Idanten selbst ist eine für jede Art fest normirte, schwankt aber bei verschiedenen Arten zwischen ziemlich weiten Grenzen. Jedes Id eines bestimmten Keimplasma’s könnte, wenn es allein in genügender Zahl vorhanden wäre, die gesammte Ontogenese leiten, d. h. jedes Id enthält die sämmtlichen Determinanten zu einem Individuum, aber die Ide, welche die Idanten einer ge-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/340
Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 316. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/340>, abgerufen am 22.11.2024.