ein wesentlicher Theil der Annahmen der Pangenesis nicht haltbar ist, doch ein anderer Theil übrig bleibt, der nicht nur heute, sondern, wie ich glaube, für alle Zukunft wenigstens im Princip als richtig und grundlegend beibehalten werden wird. Allerdings ist dies nur der allgemeinste Inhalt dieser Annahmen, nämlich die Existenz materieller Theilchen im Keim, welche die Eigenschaften des Lebendigen besitzen und von denen jedes als Anlage eines Theils des Organismus anzu- sehen ist. Ich gestehe offen, dass ich mich lange Zeit gegen diese Grundanschauung der Darwin'schen Lehre innerlich gewehrt habe. Es kam mir fast unmöglich vor, dass in dem Minimum von Substanz, welche wir, wie nachher gezeigt werden soll, als materiellen Träger der Vererbung zu betrachten haben, eine so überaus grosse Anzahl von Einzel-Anlagen ent- halten sein könne, wie wir sie nach Darwin's Vorstellung an- nehmen müssten. Ich versuchte in verschiedener Weise, zu einer befriedigenden epigenetischen Theorie zu gelangen1), welche von einer verhältnissmässig einfachen Structur der Keimsubstanz aus- ginge und durch gesetzmässige, mit Theilung verbundenen Ver- änderungen dieser primären Structur zu der so mannigfaltigen Differenzirung des Organismus hinführte. Je tiefer ich aber im Laufe der Jahre in das Problem eindrang, um so mehr musste ich mich überzeugen, dass eine solche Lösung nicht möglich ist, und in diesem Buche glaube ich den förmlichen Beweis dafür geben zu können, dass nur eine Evolutionstheorie im Sinne Darwin's, d. h. die Annahme kleinster Anlagen im Keim den Thatsachen gerecht zu werden vermag, und dass der Ein- wurf, der mich selbst lange Zeit gehindert hat, diese einfachste Annahme als der Wirklichkeit entsprechend anzunehmen, hin-
1) Die Andeutung einer solchen ist z. B. in der Schrift "Die Conti- nuität des Keimplasmas", Jena 1885, p. 38 und folgenden enthalten.
ein wesentlicher Theil der Annahmen der Pangenesis nicht haltbar ist, doch ein anderer Theil übrig bleibt, der nicht nur heute, sondern, wie ich glaube, für alle Zukunft wenigstens im Princip als richtig und grundlegend beibehalten werden wird. Allerdings ist dies nur der allgemeinste Inhalt dieser Annahmen, nämlich die Existenz materieller Theilchen im Keim, welche die Eigenschaften des Lebendigen besitzen und von denen jedes als Anlage eines Theils des Organismus anzu- sehen ist. Ich gestehe offen, dass ich mich lange Zeit gegen diese Grundanschauung der Darwin’schen Lehre innerlich gewehrt habe. Es kam mir fast unmöglich vor, dass in dem Minimum von Substanz, welche wir, wie nachher gezeigt werden soll, als materiellen Träger der Vererbung zu betrachten haben, eine so überaus grosse Anzahl von Einzel-Anlagen ent- halten sein könne, wie wir sie nach Darwin’s Vorstellung an- nehmen müssten. Ich versuchte in verschiedener Weise, zu einer befriedigenden epigenetischen Theorie zu gelangen1), welche von einer verhältnissmässig einfachen Structur der Keimsubstanz aus- ginge und durch gesetzmässige, mit Theilung verbundenen Ver- änderungen dieser primären Structur zu der so mannigfaltigen Differenzirung des Organismus hinführte. Je tiefer ich aber im Laufe der Jahre in das Problem eindrang, um so mehr musste ich mich überzeugen, dass eine solche Lösung nicht möglich ist, und in diesem Buche glaube ich den förmlichen Beweis dafür geben zu können, dass nur eine Evolutionstheorie im Sinne Darwin’s, d. h. die Annahme kleinster Anlagen im Keim den Thatsachen gerecht zu werden vermag, und dass der Ein- wurf, der mich selbst lange Zeit gehindert hat, diese einfachste Annahme als der Wirklichkeit entsprechend anzunehmen, hin-
1) Die Andeutung einer solchen ist z. B. in der Schrift „Die Conti- nuität des Keimplasmas“, Jena 1885, p. 38 und folgenden enthalten.
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ein wesentlicher Theil der Annahmen der Pangenesis nicht
haltbar ist, doch ein anderer Theil übrig bleibt, der nicht nur
heute, sondern, wie ich glaube, für alle Zukunft wenigstens
im Princip als richtig und grundlegend beibehalten werden
wird. Allerdings ist dies nur der allgemeinste Inhalt dieser
Annahmen, nämlich die Existenz materieller Theilchen im Keim,
welche die Eigenschaften des Lebendigen besitzen und von
denen jedes als Anlage eines Theils des Organismus anzu-
sehen ist. Ich gestehe offen, dass ich mich lange Zeit gegen
diese Grundanschauung der Darwin’schen Lehre innerlich
gewehrt habe. Es kam mir fast unmöglich vor, dass in dem
Minimum von Substanz, welche wir, wie nachher gezeigt
werden soll, als materiellen Träger der Vererbung zu betrachten
haben, eine so überaus grosse Anzahl von Einzel-Anlagen ent-
halten sein könne, wie wir sie nach Darwin’s Vorstellung an-
nehmen müssten. Ich versuchte in verschiedener Weise, zu einer
befriedigenden epigenetischen Theorie zu gelangen 1), welche von
einer verhältnissmässig einfachen Structur der Keimsubstanz aus-
ginge und durch gesetzmässige, mit Theilung verbundenen Ver-
änderungen dieser primären Structur zu der so mannigfaltigen
Differenzirung des Organismus hinführte. Je tiefer ich aber im
Laufe der Jahre in das Problem eindrang, um so mehr musste
ich mich überzeugen, dass eine solche Lösung nicht möglich
ist, und in diesem Buche glaube ich den förmlichen Beweis
dafür geben zu können, dass nur eine Evolutionstheorie im
Sinne Darwin’s, d. h. die Annahme kleinster Anlagen im Keim
den Thatsachen gerecht zu werden vermag, und dass der Ein-
wurf, der mich selbst lange Zeit gehindert hat, diese einfachste
Annahme als der Wirklichkeit entsprechend anzunehmen, hin-
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nuität des Keimplasmas“, Jena 1885, p. 38 und folgenden enthalten.
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 6. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/30>, abgerufen am 23.11.2024.
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