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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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wie Spross und Wurzel. Fügt man die Theilmagnete mit
glatter Querschnittsfläche mit den ungleichnamigen Polen mög-
lichst innig wieder zusammen, so erhält man wieder den ganzen
Magneten ohne Folgepunkte. Zerlegt man eine Pappelwurzel
in zwei Hälften, so erzeugt jede an den entsprechenden Polen
Knospen und Wurzeln; verbindet man dagegen die Stücke nach
der Durchschneidung an den ungleichnamigen Enden in geeig-
neter Weise wieder, so erhält man durch Verwachsung wieder
das ursprüngliche Stück mit seinen zwei Polen."

Ich habe diese bedeutenden Ergebnisse, zu welchen Vöch-
ting
durch seine Transplantationsversuche gelangt ist, hierher
gesetzt, weil sie sich direkt auch auf die eben besprochenen
Regenerationserscheinungen der Thiere anwenden lassen. Eine
Hydra verhält sich ähnlich der Pappelwurzel. Schneidet man
sie in der Mitte quer durch, so treibt das Vorderstück an der
Hinterfläche einen neuen Fuss, das Hinterstück aber an seiner
Vorderfläche einen neuen "Mund"! Wir könnten also hier
statt von Wurzel- und Sprosspolen von Fuss- und Mundpolen
reden. In der That, schneidet man ein ringförmiges Stück
aus der Mitte der Hydra heraus, so erzeugt die Vorderfläche,
der Mundpol, einen neuen Mund, die Hinterfläche, der Fusspol,
einen neuen Fuss. Einem geschickten Experimentator würde
es vielleicht auch nicht unmöglich sein, den herausgeschnittenen
Ring, bevor er sich zum Thier ergänzt hat, etwa mittelst durch-
gesteckter Borsten mit den beiden Endstücken wieder zu ver-
einigen und dann dieselben zur Verwachsung zu bringen, wie
bei der Pappelwurzel.

Es wäre nun offenbar ein Trugschluss, wollte man aus der
Polarisirung der Pappelwurzel allein schon die Thatsache ab-
leiten, dass der eine Pol derselben Sprosse, der andere Wurzeln
treiben müsse; beinahe ebenso gut könnte man dies aus der
Polarisirung eines wirklichen Magneten ableiten. Es muss noch

wie Spross und Wurzel. Fügt man die Theilmagnete mit
glatter Querschnittsfläche mit den ungleichnamigen Polen mög-
lichst innig wieder zusammen, so erhält man wieder den ganzen
Magneten ohne Folgepunkte. Zerlegt man eine Pappelwurzel
in zwei Hälften, so erzeugt jede an den entsprechenden Polen
Knospen und Wurzeln; verbindet man dagegen die Stücke nach
der Durchschneidung an den ungleichnamigen Enden in geeig-
neter Weise wieder, so erhält man durch Verwachsung wieder
das ursprüngliche Stück mit seinen zwei Polen.“

Ich habe diese bedeutenden Ergebnisse, zu welchen Vöch-
ting
durch seine Transplantationsversuche gelangt ist, hierher
gesetzt, weil sie sich direkt auch auf die eben besprochenen
Regenerationserscheinungen der Thiere anwenden lassen. Eine
Hydra verhält sich ähnlich der Pappelwurzel. Schneidet man
sie in der Mitte quer durch, so treibt das Vorderstück an der
Hinterfläche einen neuen Fuss, das Hinterstück aber an seiner
Vorderfläche einen neuen „Mund“! Wir könnten also hier
statt von Wurzel- und Sprosspolen von Fuss- und Mundpolen
reden. In der That, schneidet man ein ringförmiges Stück
aus der Mitte der Hydra heraus, so erzeugt die Vorderfläche,
der Mundpol, einen neuen Mund, die Hinterfläche, der Fusspol,
einen neuen Fuss. Einem geschickten Experimentator würde
es vielleicht auch nicht unmöglich sein, den herausgeschnittenen
Ring, bevor er sich zum Thier ergänzt hat, etwa mittelst durch-
gesteckter Borsten mit den beiden Endstücken wieder zu ver-
einigen und dann dieselben zur Verwachsung zu bringen, wie
bei der Pappelwurzel.

Es wäre nun offenbar ein Trugschluss, wollte man aus der
Polarisirung der Pappelwurzel allein schon die Thatsache ab-
leiten, dass der eine Pol derselben Sprosse, der andere Wurzeln
treiben müsse; beinahe ebenso gut könnte man dies aus der
Polarisirung eines wirklichen Magneten ableiten. Es muss noch

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[174/0198] wie Spross und Wurzel. Fügt man die Theilmagnete mit glatter Querschnittsfläche mit den ungleichnamigen Polen mög- lichst innig wieder zusammen, so erhält man wieder den ganzen Magneten ohne Folgepunkte. Zerlegt man eine Pappelwurzel in zwei Hälften, so erzeugt jede an den entsprechenden Polen Knospen und Wurzeln; verbindet man dagegen die Stücke nach der Durchschneidung an den ungleichnamigen Enden in geeig- neter Weise wieder, so erhält man durch Verwachsung wieder das ursprüngliche Stück mit seinen zwei Polen.“ Ich habe diese bedeutenden Ergebnisse, zu welchen Vöch- ting durch seine Transplantationsversuche gelangt ist, hierher gesetzt, weil sie sich direkt auch auf die eben besprochenen Regenerationserscheinungen der Thiere anwenden lassen. Eine Hydra verhält sich ähnlich der Pappelwurzel. Schneidet man sie in der Mitte quer durch, so treibt das Vorderstück an der Hinterfläche einen neuen Fuss, das Hinterstück aber an seiner Vorderfläche einen neuen „Mund“! Wir könnten also hier statt von Wurzel- und Sprosspolen von Fuss- und Mundpolen reden. In der That, schneidet man ein ringförmiges Stück aus der Mitte der Hydra heraus, so erzeugt die Vorderfläche, der Mundpol, einen neuen Mund, die Hinterfläche, der Fusspol, einen neuen Fuss. Einem geschickten Experimentator würde es vielleicht auch nicht unmöglich sein, den herausgeschnittenen Ring, bevor er sich zum Thier ergänzt hat, etwa mittelst durch- gesteckter Borsten mit den beiden Endstücken wieder zu ver- einigen und dann dieselben zur Verwachsung zu bringen, wie bei der Pappelwurzel. Es wäre nun offenbar ein Trugschluss, wollte man aus der Polarisirung der Pappelwurzel allein schon die Thatsache ab- leiten, dass der eine Pol derselben Sprosse, der andere Wurzeln treiben müsse; beinahe ebenso gut könnte man dies aus der Polarisirung eines wirklichen Magneten ableiten. Es muss noch

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 174. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/198>, abgerufen am 27.04.2024.