stehe1). Verhielte sich dies wirklich überall so, so wäre das zwar immer noch kein zwingender Grund für die bezeichnete Auf- fassung, aber doch eine Stütze. Bei näherem Zusehen ist dem aber nicht so. Wohl besitzen höchste thierische Organismen niemals ein so weit gehendes Regenerationsvermögen, wie es bei niederen vorkommt, und dies muss seinen Grund haben, allein auf derselben Organisationshöhe kommen sehr verschiedene Grade der Regenerationskraft vor, ja Thiere von höherer Organisation können eine weit grössere Regenerationskraft besitzen als niedere. So vermögen Fische die abgeschnittene Brust- oder Bauchflosse nicht wieder zu regeneriren, während die viel höher organisirten Salamander das Bein bis sechsmal hintereinander zu regeneriren im Stande sind (Spallanzani).
Auch innerhalb derselben Thiergruppe ist die Re- generationskraft oft recht verschieden stark. Bei Triton und Salamandra wächst das abgeschnittene Bein vollständig wieder nach, bei Proteus scheint dies nicht vorzukommen, ich wenig- stens habe es nicht erzielen können. Auch der Schwanz er- setzt sich bei Proteus nur langsam und unvollkommen, während er von den Salamandern sehr leicht wieder ersetzt wird. Im Jahre 1878 erhielt ich einen lebenden Siren lacertina, dem das eine Vorderbein abgerissen worden war, er besass davon nur noch einen Stummel des Oberarms, aber innerhalb der zehn Jahre,
1) Vergleiche z. B. Herbert Spencer a. a. O. p. 190, der sich übrigens sehr vorsichtig ausdrückt, wie es der Sachlage entspricht. Es heisst dort: "Somit ist also das Wiederherstellungsvermögen verlorener Theile am grössten, wo die Organisation am niedrigsten steht, und es verschwindet beinahe vollständig, wo die Organisation am höchsten ist. Und obgleich wir nicht behaupten können, dass innerhalb dieser Extreme ein constantes umgekehrtes Verhältniss zwischen dem Wiederherstellungs- vermögen und dem Organisationsgrad besteht, so kann man doch sagen, dass wenigstens eine gewisse Annäherung an eine solche Relation vor- handen sei."
stehe1). Verhielte sich dies wirklich überall so, so wäre das zwar immer noch kein zwingender Grund für die bezeichnete Auf- fassung, aber doch eine Stütze. Bei näherem Zusehen ist dem aber nicht so. Wohl besitzen höchste thierische Organismen niemals ein so weit gehendes Regenerationsvermögen, wie es bei niederen vorkommt, und dies muss seinen Grund haben, allein auf derselben Organisationshöhe kommen sehr verschiedene Grade der Regenerationskraft vor, ja Thiere von höherer Organisation können eine weit grössere Regenerationskraft besitzen als niedere. So vermögen Fische die abgeschnittene Brust- oder Bauchflosse nicht wieder zu regeneriren, während die viel höher organisirten Salamander das Bein bis sechsmal hintereinander zu regeneriren im Stande sind (Spallanzani).
Auch innerhalb derselben Thiergruppe ist die Re- generationskraft oft recht verschieden stark. Bei Triton und Salamandra wächst das abgeschnittene Bein vollständig wieder nach, bei Proteus scheint dies nicht vorzukommen, ich wenig- stens habe es nicht erzielen können. Auch der Schwanz er- setzt sich bei Proteus nur langsam und unvollkommen, während er von den Salamandern sehr leicht wieder ersetzt wird. Im Jahre 1878 erhielt ich einen lebenden Siren lacertina, dem das eine Vorderbein abgerissen worden war, er besass davon nur noch einen Stummel des Oberarms, aber innerhalb der zehn Jahre,
1) Vergleiche z. B. Herbert Spencer a. a. O. p. 190, der sich übrigens sehr vorsichtig ausdrückt, wie es der Sachlage entspricht. Es heisst dort: „Somit ist also das Wiederherstellungsvermögen verlorener Theile am grössten, wo die Organisation am niedrigsten steht, und es verschwindet beinahe vollständig, wo die Organisation am höchsten ist. Und obgleich wir nicht behaupten können, dass innerhalb dieser Extreme ein constantes umgekehrtes Verhältniss zwischen dem Wiederherstellungs- vermögen und dem Organisationsgrad besteht, so kann man doch sagen, dass wenigstens eine gewisse Annäherung an eine solche Relation vor- handen sei.“
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stehe 1). Verhielte sich dies wirklich überall so, so wäre das zwar
immer noch kein zwingender Grund für die bezeichnete Auf-
fassung, aber doch eine Stütze. Bei näherem Zusehen ist dem
aber nicht so. Wohl besitzen höchste thierische Organismen
niemals ein so weit gehendes Regenerationsvermögen, wie es bei
niederen vorkommt, und dies muss seinen Grund haben, allein
auf derselben Organisationshöhe kommen sehr verschiedene Grade
der Regenerationskraft vor, ja Thiere von höherer Organisation
können eine weit grössere Regenerationskraft besitzen als
niedere. So vermögen Fische die abgeschnittene Brust- oder
Bauchflosse nicht wieder zu regeneriren, während die viel höher
organisirten Salamander das Bein bis sechsmal hintereinander
zu regeneriren im Stande sind (Spallanzani).
Auch innerhalb derselben Thiergruppe ist die Re-
generationskraft oft recht verschieden stark. Bei Triton und
Salamandra wächst das abgeschnittene Bein vollständig wieder
nach, bei Proteus scheint dies nicht vorzukommen, ich wenig-
stens habe es nicht erzielen können. Auch der Schwanz er-
setzt sich bei Proteus nur langsam und unvollkommen, während
er von den Salamandern sehr leicht wieder ersetzt wird. Im
Jahre 1878 erhielt ich einen lebenden Siren lacertina, dem das
eine Vorderbein abgerissen worden war, er besass davon nur
noch einen Stummel des Oberarms, aber innerhalb der zehn Jahre,
1) Vergleiche z. B. Herbert Spencer a. a. O. p. 190, der sich
übrigens sehr vorsichtig ausdrückt, wie es der Sachlage entspricht. Es
heisst dort: „Somit ist also das Wiederherstellungsvermögen verlorener
Theile am grössten, wo die Organisation am niedrigsten steht, und es
verschwindet beinahe vollständig, wo die Organisation am höchsten ist.
Und obgleich wir nicht behaupten können, dass innerhalb dieser Extreme
ein constantes umgekehrtes Verhältniss zwischen dem Wiederherstellungs-
vermögen und dem Organisationsgrad besteht, so kann man doch sagen,
dass wenigstens eine gewisse Annäherung an eine solche Relation vor-
handen sei.“
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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 153. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/177>, abgerufen am 23.11.2024.
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