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Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892.

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Zellorgane. Die panaschirten Varietäten unserer Zierpflanzen
zeigen dieselben Zellen wie ihre Stammformen, aber in vielen
derselben fehlt das Blattgrün; das Roth der Blätter bei der
Blutbuche und ähnlichen Varietäten beruht auf einer Roth-
färbung des Zellsaftes in einer gewissen Zellschicht, welche erb-
lich übertragbar ist, und die Musterkarte von Farben, welche
auf dem Flügel eines Schmetterlinges oder dem Gefieder eines
Vogels zu sehen ist hängt von zelligen Elementen ab, welche
bei weit entfernten Vorfahren wohl einmal alle gleich waren,
später aber nach und nach durch erbliche Variation einzelner
Zellbestandtheile oder Zellstructuren verschieden wurden. Wenn
auch keineswegs die ganze phyletische Umgestaltung der Arten
auf intracellulärer Variation beruht, so hat dieselbe doch un-
ausgesetzt die andern Veränderungen begleitet und nimmt einen
bald grösseren, bald kleineren Theil an der Artumwandlung.
Es kann also nicht bezweifelt werden, dass auch bei den Viel-
zelligen nicht blos die Zellen als Ganzes vom Keim aus bestimmt
werden, sondern auch ihre Theile.

So scheint es denn, als ob wir der ersterwähnten un-
geheuerlichen Annahme nicht entgehen könnten, dass jede der
Milliarden von Zellen des vielzelligen Organismus schon im
Keimplasma durch mehrere oder viele verschiedene Biophoren
vertreten sei. Aber es giebt einen einfachen und natürlichen
Ausweg aus diesem Dilemma, sobald man sich fragt, ob denn
überhaupt jede Zelle eines Thieres oder einer Pflanze selbst-
ständig veränderlich ist, somit durch besondere Theile im Keim-
plasma enthalten sein muss.

Ich will die Zellen oder Zellengruppen, welche selbstständig
vom Keim aus veränderlich sind, als "Vererbungsstücke"
oder "Determinaten" bezeichnen, die ihnen entsprechenden
und sie bestimmenden Theilchen des Keimplasma's aber als
"Bestimmungsstücke" oder "Determinanten".

Zellorgane. Die panaschirten Varietäten unserer Zierpflanzen
zeigen dieselben Zellen wie ihre Stammformen, aber in vielen
derselben fehlt das Blattgrün; das Roth der Blätter bei der
Blutbuche und ähnlichen Varietäten beruht auf einer Roth-
färbung des Zellsaftes in einer gewissen Zellschicht, welche erb-
lich übertragbar ist, und die Musterkarte von Farben, welche
auf dem Flügel eines Schmetterlinges oder dem Gefieder eines
Vogels zu sehen ist hängt von zelligen Elementen ab, welche
bei weit entfernten Vorfahren wohl einmal alle gleich waren,
später aber nach und nach durch erbliche Variation einzelner
Zellbestandtheile oder Zellstructuren verschieden wurden. Wenn
auch keineswegs die ganze phyletische Umgestaltung der Arten
auf intracellulärer Variation beruht, so hat dieselbe doch un-
ausgesetzt die andern Veränderungen begleitet und nimmt einen
bald grösseren, bald kleineren Theil an der Artumwandlung.
Es kann also nicht bezweifelt werden, dass auch bei den Viel-
zelligen nicht blos die Zellen als Ganzes vom Keim aus bestimmt
werden, sondern auch ihre Theile.

So scheint es denn, als ob wir der ersterwähnten un-
geheuerlichen Annahme nicht entgehen könnten, dass jede der
Milliarden von Zellen des vielzelligen Organismus schon im
Keimplasma durch mehrere oder viele verschiedene Biophoren
vertreten sei. Aber es giebt einen einfachen und natürlichen
Ausweg aus diesem Dilemma, sobald man sich fragt, ob denn
überhaupt jede Zelle eines Thieres oder einer Pflanze selbst-
ständig veränderlich ist, somit durch besondere Theile im Keim-
plasma enthalten sein muss.

Ich will die Zellen oder Zellengruppen, welche selbstständig
vom Keim aus veränderlich sind, als „Vererbungsstücke
oder „Determinaten“ bezeichnen, die ihnen entsprechenden
und sie bestimmenden Theilchen des Keimplasma’s aber als
Bestimmungsstücke“ oder „Determinanten“.

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[76/0100] Zellorgane. Die panaschirten Varietäten unserer Zierpflanzen zeigen dieselben Zellen wie ihre Stammformen, aber in vielen derselben fehlt das Blattgrün; das Roth der Blätter bei der Blutbuche und ähnlichen Varietäten beruht auf einer Roth- färbung des Zellsaftes in einer gewissen Zellschicht, welche erb- lich übertragbar ist, und die Musterkarte von Farben, welche auf dem Flügel eines Schmetterlinges oder dem Gefieder eines Vogels zu sehen ist hängt von zelligen Elementen ab, welche bei weit entfernten Vorfahren wohl einmal alle gleich waren, später aber nach und nach durch erbliche Variation einzelner Zellbestandtheile oder Zellstructuren verschieden wurden. Wenn auch keineswegs die ganze phyletische Umgestaltung der Arten auf intracellulärer Variation beruht, so hat dieselbe doch un- ausgesetzt die andern Veränderungen begleitet und nimmt einen bald grösseren, bald kleineren Theil an der Artumwandlung. Es kann also nicht bezweifelt werden, dass auch bei den Viel- zelligen nicht blos die Zellen als Ganzes vom Keim aus bestimmt werden, sondern auch ihre Theile. So scheint es denn, als ob wir der ersterwähnten un- geheuerlichen Annahme nicht entgehen könnten, dass jede der Milliarden von Zellen des vielzelligen Organismus schon im Keimplasma durch mehrere oder viele verschiedene Biophoren vertreten sei. Aber es giebt einen einfachen und natürlichen Ausweg aus diesem Dilemma, sobald man sich fragt, ob denn überhaupt jede Zelle eines Thieres oder einer Pflanze selbst- ständig veränderlich ist, somit durch besondere Theile im Keim- plasma enthalten sein muss. Ich will die Zellen oder Zellengruppen, welche selbstständig vom Keim aus veränderlich sind, als „Vererbungsstücke“ oder „Determinaten“ bezeichnen, die ihnen entsprechenden und sie bestimmenden Theilchen des Keimplasma’s aber als „Bestimmungsstücke“ oder „Determinanten“.

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Zitationshilfe: Weismann, August: Das Keimplasma. Eine Theorie der Vererbung. Jena, 1892, S. 76. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weismann_keimplasma_1892/100>, abgerufen am 22.11.2024.