Weise, Christian: Zittauisches Theatrum. Zittau, 1683.Absurda net/ daß ich mir an der fördern Seite ein halbes Eh-ren-Kleid geschafft habe. Die andere Seite gegen dem Rücken zu/ die siehet noch aus wie ein Dach/ da die hintersten Ziegel fehlen. Weil ich nun mit mei- nem Mantel die Schande allemahl zudecken muß/ so last mich doch nur zu frieden: ich kan mein doppelt Wamst nicht ansehen/ ja/ ich kan meinen grauen Tuch-Fleck in den Hosen vor aller Welt nicht be- schimpffen lassen. Bon. Ey/ ey/ hätte ich so viel vor einer Viertel Stunde gewust/ so wären Hosen und Kappen ge- nung im Vorrathe gewesen. Doch nun ist es nicht zu ändern/ jhr müsset ein übriges thun. Melch. Aber ich wil euch nur ein Bißgen unter den Mantel gucken lassen/ seht doch/ ob der Anblick nicht haupt erbärmlich heraus kömt. Bon. Ja/ der Habit siehet einem hochzeitlichen Kleide nicht allerdings ähnlich. Melch. Bey mir geht es hin. Denn da hat mein Vorfahre die Mode auffgebracht/ daß sich der Can- tor im Mantel zu Tische setzt/ damit kan ich den Staat mit meinem halben Wamste führen/ und niemand darff mich außlachen. Bon. Die Zeit ist köstlich/ wir müssen wol rich- tig werden. Herr Amts-Bruder/ thut es dem gnädigsten Herrn immer zu Gefallen/ und legt den Mantel ab. Nur dieses nehmt in acht/ daß ihr al- lezeit den Rücken von den Leuten wegkehret/ so wis- sen sie viel/ was vor Zierath auff der andern Seite steckt. Melch.
Absurda net/ daß ich mir an der foͤrdern Seite ein halbes Eh-ren-Kleid geſchafft habe. Die andere Seite gegen dem Ruͤcken zu/ die ſiehet noch aus wie ein Dach/ da die hinterſten Ziegel fehlen. Weil ich nun mit mei- nem Mantel die Schande allemahl zudecken muß/ ſo laſt mich doch nur zu frieden: ich kan mein doppelt Wamſt nicht anſehen/ ja/ ich kan meinen grauen Tuch-Fleck in den Hoſen vor aller Welt nicht be- ſchimpffen laſſen. Bon. Ey/ ey/ haͤtte ich ſo viel vor einer Viertel Stunde gewuſt/ ſo waͤren Hoſen und Kappen ge- nung im Vorrathe geweſen. Doch nun iſt es nicht zu aͤndern/ jhr muͤſſet ein uͤbriges thun. Melch. Aber ich wil euch nur ein Bißgen unter den Mantel gucken laſſen/ ſeht doch/ ob der Anblick nicht haupt erbaͤrmlich heraus koͤmt. Bon. Ja/ der Habit ſiehet einem hochzeitlichen Kleide nicht allerdings aͤhnlich. Melch. Bey mir geht es hin. Denn da hat mein Vorfahre die Mode auffgebracht/ daß ſich der Can- tor im Mantel zu Tiſche ſetzt/ damit kan ich den Staat mit meinem halben Wamſte fuͤhren/ und niemand darff mich außlachen. Bon. Die Zeit iſt koͤſtlich/ wir muͤſſen wol rich- tig werden. Herr Amts-Bruder/ thut es dem gnaͤdigſten Herrn immer zu Gefallen/ und legt den Mantel ab. Nur dieſes nehmt in acht/ daß ihr al- lezeit den Ruͤcken von den Leuten wegkehret/ ſo wiſ- ſen ſie viel/ was vor Zierath auff der andern Seite ſteckt. Melch.
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Absurda
net/ daß ich mir an der foͤrdern Seite ein halbes Eh-
ren-Kleid geſchafft habe. Die andere Seite gegen
dem Ruͤcken zu/ die ſiehet noch aus wie ein Dach/ da
die hinterſten Ziegel fehlen. Weil ich nun mit mei-
nem Mantel die Schande allemahl zudecken muß/ ſo
laſt mich doch nur zu frieden: ich kan mein doppelt
Wamſt nicht anſehen/ ja/ ich kan meinen grauen
Tuch-Fleck in den Hoſen vor aller Welt nicht be-
ſchimpffen laſſen.
Bon. Ey/ ey/ haͤtte ich ſo viel vor einer Viertel
Stunde gewuſt/ ſo waͤren Hoſen und Kappen ge-
nung im Vorrathe geweſen. Doch nun iſt es nicht
zu aͤndern/ jhr muͤſſet ein uͤbriges thun.
Melch. Aber ich wil euch nur ein Bißgen unter den
Mantel gucken laſſen/ ſeht doch/ ob der Anblick nicht
haupt erbaͤrmlich heraus koͤmt.
Bon. Ja/ der Habit ſiehet einem hochzeitlichen
Kleide nicht allerdings aͤhnlich.
Melch. Bey mir geht es hin. Denn da hat mein
Vorfahre die Mode auffgebracht/ daß ſich der Can-
tor im Mantel zu Tiſche ſetzt/ damit kan ich den
Staat mit meinem halben Wamſte fuͤhren/ und
niemand darff mich außlachen.
Bon. Die Zeit iſt koͤſtlich/ wir muͤſſen wol rich-
tig werden. Herr Amts-Bruder/ thut es dem
gnaͤdigſten Herrn immer zu Gefallen/ und legt den
Mantel ab. Nur dieſes nehmt in acht/ daß ihr al-
lezeit den Ruͤcken von den Leuten wegkehret/ ſo wiſ-
ſen ſie viel/ was vor Zierath auff der andern Seite
ſteckt.
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Zittauisches Theatrum. Zittau, 1683, S. 292[290]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_theatrum_1683/631>, abgerufen am 30.07.2024. |