Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693.Erklärung des Kupffer-Blats: HJer hat ein kluger Platz zwey Spiegel auffge- stellt/ Jn einem bildet sich die curiöse Welt/ Die spielet allerseits mit Tritten und Figuren/ Mit schöner Eitelkeit/ mit stoltzen Posituren/ Und was man eusserlich gut oder böse macht/ Das wird gut oder böß im Spiegel beygebracht. Gesetzt/ wir wollen diß gar gerne besser sehen: So muß das Ebenbild in der Gestalt geschehen. Gleich wie ein Mahler thut: Der richtet allemal Die Kunst in der Copie nach dem Original. Der andre Spiegel führt uns tieffer ins Gewissen/ Daß wir die Fehler selbst an uns erkennen müssen. Weil er den Ubel-Stand an unserm Leibe zeigt/ Den mancher Feind verlacht/ den mancher Freund verschweigt. Jn jenem lernen wir fromm und gedultig werden/ Jn diesem bessern wir die Freyheit in Geberden. Man sieht/ was möglich ist/ man schickt sich in die Welt/ Man mercket an sich selst/ was andern wolgefällt. Und solches müssen wir von diesem Spiegel sprechen: Will iemand klüger seyn/ so mag er ihn zer- brechen. Ge- a 2
Erklaͤrung des Kupffer-Blats: HJer hat ein kluger Platz zwey Spiegel auffge- ſtellt/ Jn einem bildet ſich die curioͤſe Welt/ Die ſpielet allerſeits mit Tritten und Figuren/ Mit ſchoͤner Eitelkeit/ mit ſtoltzen Poſituren/ Und was man euſſerlich gut oder boͤſe macht/ Das wird gut oder boͤß im Spiegel beygebracht. Geſetzt/ wir wollen diß gar gerne beſſer ſehen: So muß das Ebenbild in der Geſtalt geſchehen. Gleich wie ein Mahler thut: Der richtet allemal Die Kunſt in der Copie nach dem Original. Der andre Spiegel fuͤhrt uns tieffer ins Gewiſſen/ Daß wir die Fehler ſelbſt an uns erkennen muͤſſen. Weil er den Ubel-Stand an unſerm Leibe zeigt/ Den mancher Feind verlacht/ den mancher Freund verſchweigt. Jn jenem lernen wir fromm und gedultig werden/ Jn dieſem beſſern wir die Freyheit in Geberden. Man ſieht/ was moͤglich iſt/ man ſchickt ſich in die Welt/ Man mercket an ſich ſelſt/ was andern wolgefaͤllt. Und ſolches muͤſſen wir von dieſem Spiegel ſprechen: Will iemand kluͤger ſeyn/ ſo mag er ihn zer- brechen. Ge- a 2
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Erklaͤrung
des Kupffer-Blats:
HJer hat ein kluger Platz zwey Spiegel auffge-
ſtellt/
Jn einem bildet ſich die curioͤſe Welt/
Die ſpielet allerſeits mit Tritten und Figuren/
Mit ſchoͤner Eitelkeit/ mit ſtoltzen Poſituren/
Und was man euſſerlich gut oder boͤſe macht/
Das wird gut oder boͤß im Spiegel beygebracht.
Geſetzt/ wir wollen diß gar gerne beſſer ſehen:
So muß das Ebenbild in der Geſtalt geſchehen.
Gleich wie ein Mahler thut: Der richtet allemal
Die Kunſt in der Copie nach dem Original.
Der andre Spiegel fuͤhrt uns tieffer ins Gewiſſen/
Daß wir die Fehler ſelbſt an uns erkennen muͤſſen.
Weil er den Ubel-Stand an unſerm Leibe zeigt/
Den mancher Feind verlacht/ den mancher Freund
verſchweigt.
Jn jenem lernen wir fromm und gedultig werden/
Jn dieſem beſſern wir die Freyheit in Geberden.
Man ſieht/ was moͤglich iſt/ man ſchickt ſich in die
Welt/
Man mercket an ſich ſelſt/ was andern wolgefaͤllt.
Und ſolches muͤſſen wir von dieſem Spiegel ſprechen:
Will iemand kluͤger ſeyn/ ſo mag er ihn zer-
brechen.
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