Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693.

Bild:
<< vorherige Seite

len reiten legen wollen/ so giebt es
die Erfahrung/ daß sie mehren-
theils die Rede nicht nach den or-
dentlichen distinctionibus, sondern
nach ihren schwachen pulmonibus
eintheilen.

Jch besinne mich/ daß ich einmal ei-
ne Leichen-Abdanckung von dieser Art
gehöret habe. Und der geneigte Leser
mag an den
distinctionibus selber se-
hen/ wie die
pronunciation hätte sollen
eingerichtet seyn; aber an den unter-
schiedenen Zeilen/ wie der Redner sei-
nen Athem geholet hat. Will er sich ei-
nen ziemlichen
unisonum einbilden/ so
wird er nicht irren.

Edle und hochgeneigte Herren/ Frauen |
und Jungfrauen. Der gelehrte
Plinius |
spricht an einem Orte/ da er einen |
wolgerathenen Jüngling beklagen und |
betrauren will:
In flore primo |
tantae indolis juvenis extinctus |
est, summa consecuturus, si virtutes |
ejus maturuissent.
Das heist so viel auf |
unsere deutsche Sprache/ in der ersten |

Blüte

len reiten legen wollen/ ſo giebt es
die Erfahrung/ daß ſie mehren-
theils die Rede nicht nach den or-
dentlichen diſtinctionibus, ſondern
nach ihren ſchwachen pulmonibus
eintheilen.

Jch beſinne mich/ daß ich einmal ei-
ne Leichen-Abdanckung von dieſer Art
gehoͤret habe. Und der geneigte Leſer
mag an den
diſtinctionibus ſelber ſe-
hen/ wie die
pronunciation haͤtte ſollen
eingerichtet ſeyn; aber an den unter-
ſchiedenen Zeilen/ wie der Redner ſei-
nen Athem geholet hat. Will er ſich ei-
nen ziemlichen
uniſonum einbilden/ ſo
wird er nicht irren.

Edle uñ hochgeneigte Herren/ Frauen |
uñ Jungfrauen. Der gelehrte
Plinius |
ſpricht an einem Orte/ da er einen |
wolgerathenen Juͤngling beklagen uñ |
betrauren will:
In flore primo |
tantæ indolis juvenis extinctus |
eſt, ſumma conſecuturus, ſi virtutes |
ejus maturuiſſent.
Das heiſt ſo viel auf |
unſere deutſche Sprache/ in der erſten |

Bluͤte
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0052"/>
len reiten legen wollen/ &#x017F;o giebt es<lb/>
die Erfahrung/ daß &#x017F;ie mehren-<lb/>
theils die Rede nicht nach den or-<lb/>
dentlichen <hi rendition="#aq">di&#x017F;tinctionibus,</hi> &#x017F;ondern<lb/>
nach ihren &#x017F;chwachen <hi rendition="#aq">pulmonibus</hi><lb/>
eintheilen.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Jch be&#x017F;inne mich/ daß ich einmal ei-<lb/>
ne Leichen-Abdanckung von die&#x017F;er Art<lb/>
geho&#x0364;ret habe. Und der geneigte Le&#x017F;er<lb/>
mag an den</hi> <hi rendition="#aq">di&#x017F;tinctionibus</hi> <hi rendition="#fr">&#x017F;elber &#x017F;e-<lb/>
hen/ wie die</hi> <hi rendition="#aq">pronunciation</hi> <hi rendition="#fr">ha&#x0364;tte &#x017F;ollen<lb/>
eingerichtet &#x017F;eyn; aber an den unter-<lb/>
&#x017F;chiedenen Zeilen/ wie der Redner &#x017F;ei-<lb/>
nen Athem geholet hat. Will er &#x017F;ich ei-<lb/>
nen ziemlichen</hi> <hi rendition="#aq">uni&#x017F;onum</hi> <hi rendition="#fr">einbilden/ &#x017F;o<lb/>
wird er nicht irren.</hi> </hi> </p><lb/>
          <p> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Edle un&#x0303; hochgeneigte Herren/ Frauen |<lb/>
un&#x0303; Jungfrauen. Der gelehrte</hi> <hi rendition="#aq">Plinius</hi> <hi rendition="#fr">|<lb/>
&#x017F;pricht an einem Orte/ da er einen |<lb/>
wolgerathenen Ju&#x0364;ngling beklagen un&#x0303; |<lb/>
betrauren will:</hi> <hi rendition="#aq">In flore primo |<lb/>
tantæ indolis juvenis extinctus |<lb/>
e&#x017F;t, &#x017F;umma con&#x017F;ecuturus, &#x017F;i virtutes |<lb/>
ejus maturui&#x017F;&#x017F;ent.</hi> <hi rendition="#fr">Das hei&#x017F;t &#x017F;o viel auf |<lb/>
un&#x017F;ere deut&#x017F;che Sprache/ in der er&#x017F;ten |</hi><lb/>
              <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Blu&#x0364;te</hi> </fw><lb/>
            </hi> </p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0052] len reiten legen wollen/ ſo giebt es die Erfahrung/ daß ſie mehren- theils die Rede nicht nach den or- dentlichen diſtinctionibus, ſondern nach ihren ſchwachen pulmonibus eintheilen. Jch beſinne mich/ daß ich einmal ei- ne Leichen-Abdanckung von dieſer Art gehoͤret habe. Und der geneigte Leſer mag an den diſtinctionibus ſelber ſe- hen/ wie die pronunciation haͤtte ſollen eingerichtet ſeyn; aber an den unter- ſchiedenen Zeilen/ wie der Redner ſei- nen Athem geholet hat. Will er ſich ei- nen ziemlichen uniſonum einbilden/ ſo wird er nicht irren. Edle uñ hochgeneigte Herren/ Frauen | uñ Jungfrauen. Der gelehrte Plinius | ſpricht an einem Orte/ da er einen | wolgerathenen Juͤngling beklagen uñ | betrauren will: In flore primo | tantæ indolis juvenis extinctus | eſt, ſumma conſecuturus, ſi virtutes | ejus maturuiſſent. Das heiſt ſo viel auf | unſere deutſche Sprache/ in der erſten | Bluͤte

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693/52
Zitationshilfe: Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693/52>, abgerufen am 18.05.2024.