Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693. Am. Das weiß ich wol/ daß Gott an mei- nem Blute keinen Gefallen hat. Neb. Und das weiß ich wol/ daß ich nichts gethan habe. Thir. Jch gedachte an mein Braut-Bet- te: Doch itzund wollen wir die Federn zu Steinen werden. Am. Ach warum bin ich gebohren worden/ da ich mein Leben nicht länger behalten soll? Neb. Jch bin noch nicht kranck und soll sterben. Thir. Ach! ist iemand/ der sich meiner er- barmen will? (alle zusammen ruffen) Nein/ nein/ wo die Gerechtigkeit lebet/ da ist die Barmhertzigkeit gestorben. Thir. Ja wol ist die Barmhertzigkeit ge- storben/ und die Unschuld soll ihr nach- folgen. Ach mein geliebter Amri (küs- set ihn) und mein allerliebster Nebat (küsset ihn) wir müssen doch die böse viertel Stunde erdulden. Zu tausend guter Nacht. Ach! warum sage ich zu guter Nacht? Wir sollen mit ein- ander sterben/ daß wir in jener Welt mit einander leben können. Neb.
Am. Das weiß ich wol/ daß Gott an mei- nem Blute keinen Gefallen hat. Neb. Und das weiß ich wol/ daß ich nichts gethan habe. Thir. Jch gedachte an mein Braut-Bet- te: Doch itzund wollen wir die Federn zu Steinen werden. Am. Ach warum bin ich gebohren worden/ da ich mein Leben nicht laͤnger behalten ſoll? Neb. Jch bin noch nicht kranck und ſoll ſterben. Thir. Ach! iſt iemand/ der ſich meiner er- barmen will? (alle zuſam̃en ruffen) Nein/ nein/ wo die Gerechtigkeit lebet/ da iſt die Barmhertzigkeit geſtorben. Thir. Ja wol iſt die Barmhertzigkeit ge- ſtorben/ und die Unſchuld ſoll ihr nach- folgen. Ach mein geliebter Amri (kuͤſ- ſet ihn) und mein allerliebſter Nebat (kuͤſſet ihn) wir muͤſſen doch die boͤſe viertel Stunde erdulden. Zu tauſend guter Nacht. Ach! warum ſage ich zu guter Nacht? Wir ſollen mit ein- ander ſterben/ daß wir in jener Welt mit einander leben koͤnnen. Neb.
<TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0346" n="182"/> <sp who="#AMR"> <speaker>Am.</speaker> <p>Das weiß ich wol/ daß Gott an mei-<lb/> nem Blute keinen Gefallen hat.</p> </sp><lb/> <sp who="#NEB"> <speaker>Neb.</speaker> <p>Und das weiß ich wol/ daß ich nichts<lb/> gethan habe.</p> </sp><lb/> <sp who="#THI"> <speaker>Thir.</speaker> <p>Jch gedachte an mein Braut-Bet-<lb/> te: Doch itzund wollen wir die Federn<lb/> zu Steinen werden.</p> </sp><lb/> <sp who="#AMR"> <speaker>Am.</speaker> <p>Ach warum bin ich gebohren worden/<lb/> da ich mein Leben nicht laͤnger behalten<lb/> ſoll?</p> </sp><lb/> <sp who="#NEB"> <speaker>Neb.</speaker> <p>Jch bin noch nicht kranck und ſoll<lb/> ſterben.</p> </sp><lb/> <sp who="#THI"> <speaker>Thir.</speaker> <p>Ach! iſt iemand/ der ſich meiner er-<lb/> barmen will? <stage>(alle zuſam̃en ruffen)</stage><lb/> Nein/ nein/ wo die Gerechtigkeit lebet/<lb/> da iſt die Barmhertzigkeit geſtorben.</p> </sp><lb/> <sp who="#THI"> <speaker>Thir.</speaker> <p>Ja wol iſt die Barmhertzigkeit ge-<lb/> ſtorben/ und die Unſchuld ſoll ihr nach-<lb/> folgen. Ach mein geliebter <hi rendition="#aq">Amri</hi> <stage>(kuͤſ-<lb/> ſet ihn)</stage> und mein allerliebſter <hi rendition="#aq">Nebat</hi><lb/><stage>(kuͤſſet ihn)</stage> wir muͤſſen doch die boͤſe<lb/> viertel Stunde erdulden. Zu tauſend<lb/> guter Nacht. Ach! warum ſage ich<lb/> zu guter Nacht? Wir ſollen mit ein-<lb/> ander ſterben/ daß wir in jener Welt<lb/> mit einander leben koͤnnen.</p><lb/> <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#aq">Neb.</hi> </fw> </sp><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [182/0346]
Am. Das weiß ich wol/ daß Gott an mei-
nem Blute keinen Gefallen hat.
Neb. Und das weiß ich wol/ daß ich nichts
gethan habe.
Thir. Jch gedachte an mein Braut-Bet-
te: Doch itzund wollen wir die Federn
zu Steinen werden.
Am. Ach warum bin ich gebohren worden/
da ich mein Leben nicht laͤnger behalten
ſoll?
Neb. Jch bin noch nicht kranck und ſoll
ſterben.
Thir. Ach! iſt iemand/ der ſich meiner er-
barmen will? (alle zuſam̃en ruffen)
Nein/ nein/ wo die Gerechtigkeit lebet/
da iſt die Barmhertzigkeit geſtorben.
Thir. Ja wol iſt die Barmhertzigkeit ge-
ſtorben/ und die Unſchuld ſoll ihr nach-
folgen. Ach mein geliebter Amri (kuͤſ-
ſet ihn) und mein allerliebſter Nebat
(kuͤſſet ihn) wir muͤſſen doch die boͤſe
viertel Stunde erdulden. Zu tauſend
guter Nacht. Ach! warum ſage ich
zu guter Nacht? Wir ſollen mit ein-
ander ſterben/ daß wir in jener Welt
mit einander leben koͤnnen.
Neb.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools
|
URL zu diesem Werk: | https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693 |
URL zu dieser Seite: | https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693/346 |
Zitationshilfe: | Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693, S. 182. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693/346>, abgerufen am 22.07.2024. |