Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693. Nab. So kan ich wohl damit verschonet bleiben. Jeh. Der Herr schonet seiner selber nicht: Was hat er mich darum anzusprechen? Er begegnet einem Manne/ der Profes- sion davon macht/ daß er die Warheit redet. Nab. Jch mache sonst Profession, daß ich einen ungestümen Freund ertragen kan: Allein ich nehme mir die Freyheit/ daß ich nach der Ursache forsche. Jeh. Das ist die Ursache/ daß ich ihm alle Freundschafft auffkündige. Hat er was Liebes von mir genossen/ so mag er meine simplicität entschuldigen/ die sich ins künfftige nicht wird betriegen las- sen. Nab. Mir soll die Freundschafft auffgekün- diget wetden? Jeh. Wer seinen Väterlichen Weinberg vergessen kan/ der wird sich auch um die Väterliche Freundschafft nicht viel be- kümmern. Nab. Es ist ein Jrrthum. Jeh. Ja wohl ist es ein häßlicher Jrr- thum/ wenn man das Seinige so lie- E
Nab. So kan ich wohl damit verſchonet bleiben. Jeh. Der Herr ſchonet ſeiner ſelber nicht: Was hat er mich darum anzuſprechen? Er begegnet einem Manne/ der Profeſ- ſion davon macht/ daß er die Warheit redet. Nab. Jch mache ſonſt Profeſſion, daß ich einen ungeſtuͤmen Freund ertragen kan: Allein ich nehme mir die Freyheit/ daß ich nach der Urſache forſche. Jeh. Das iſt die Urſache/ daß ich ihm alle Freundſchafft auffkuͤndige. Hat er was Liebes von mir genoſſen/ ſo mag er meine ſimplicitaͤt entſchuldigen/ die ſich ins kuͤnfftige nicht wird betriegen laſ- ſen. Nab. Mir ſoll die Freundſchafft auffgekuͤn- diget wetden? Jeh. Wer ſeinen Vaͤterlichen Weinberg vergeſſen kan/ der wird ſich auch um die Vaͤterliche Freundſchafft nicht viel be- kuͤmmern. Nab. Es iſt ein Jrrthum. Jeh. Ja wohl iſt es ein haͤßlicher Jrr- thum/ wenn man das Seinige ſo lie- E
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Nab. So kan ich wohl damit verſchonet
bleiben.
Jeh. Der Herr ſchonet ſeiner ſelber nicht:
Was hat er mich darum anzuſprechen?
Er begegnet einem Manne/ der Profeſ-
ſion davon macht/ daß er die Warheit
redet.
Nab. Jch mache ſonſt Profeſſion, daß ich
einen ungeſtuͤmen Freund ertragen
kan: Allein ich nehme mir die Freyheit/
daß ich nach der Urſache forſche.
Jeh. Das iſt die Urſache/ daß ich ihm alle
Freundſchafft auffkuͤndige. Hat er
was Liebes von mir genoſſen/ ſo mag er
meine ſimplicitaͤt entſchuldigen/ die ſich
ins kuͤnfftige nicht wird betriegen laſ-
ſen.
Nab. Mir ſoll die Freundſchafft auffgekuͤn-
diget wetden?
Jeh. Wer ſeinen Vaͤterlichen Weinberg
vergeſſen kan/ der wird ſich auch um die
Vaͤterliche Freundſchafft nicht viel be-
kuͤmmern.
Nab. Es iſt ein Jrrthum.
Jeh. Ja wohl iſt es ein haͤßlicher Jrr-
thum/ wenn man das Seinige ſo
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Der freymüthige und höfliche Redner. Leipzig, 1693, S. 97. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_redner_1693/261>, abgerufen am 16.02.2025. |