Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

Bild:
<< vorherige Seite

wie eine iegliche zeit ihre eigene ergötzligkeit
hat/ wie man auch nicht eher thut als ein
mann; als wenn der bart dem gesichte eine
saure mine abfordert: also würde sich die ju-
gend über dem zeitvertreib schlecht zu erfreuen
haben/ welche sich von ihrer inclination allzu-
weit absondern wolte.

Und wer kan leugnen/ daß dergleichen ü-
bungen so gar ohne nutzen verrichtet werden?
Jst es nothwendig/ daß ein junger mensch in
poetischen und oratorischen sachen auffge-
muntert/ und zur recommendation der an-
dern gelehrsamkeit an lustige und angeneh-
me Inventiones gewiesen wird; so will ich hof-
fen/ es solte nicht allein das junge volck hierinn
zu loben seyn/ sondern ein sorgfältiger infor-
mator
solte auch dahin trachten/ wie er seinen
untergebenen dergleichen überflüßige gedan-
cken einflössen möchte/ darüber sie andere ü-
berflüßige wercke/ als spielen/ sauffen/ müßig
gehen/ vergessen könten.

Jh halte auch nicht/ daß iemahls ein mann
durch liebliche worte berühmt worden/ der in
seiner jugend allen überfluß in solchem stücke
verachtet hat. Jnmassen die blossen schul-ma-
terien nicht genung sind/ ein stattliches Ingeni-
um
zu excitiren/ wenn es nicht aus eigenem
antrieb seinen fleiß etwas höher führen soll.
Legen doch die hüner viel lieber in das nest/ das
sie selbst erwählet haben/ als welches von einer

un-
A 3

wie eine iegliche zeit ihre eigene ergoͤtzligkeit
hat/ wie man auch nicht eher thut als ein
mann; als wenn der bart dem geſichte eine
ſaure mine abfordert: alſo wuͤrde ſich die ju-
gend uͤber dem zeitvertreib ſchlecht zu eꝛfreuen
haben/ welche ſich von ihrer inclination allzu-
weit abſondern wolte.

Und wer kan leugnen/ daß dergleichen uͤ-
bungen ſo gar ohne nutzen verrichtet werden?
Jſt es nothwendig/ daß ein junger menſch in
poetiſchen und oratoriſchen ſachen auffge-
muntert/ und zur recommendation der an-
dern gelehrſamkeit an luſtige und angeneh-
me Inventiones gewieſen wird; ſo will ich hof-
fen/ es ſolte nicht allein das junge volck hieꝛinn
zu loben ſeyn/ ſondern ein ſorgfaͤltiger infor-
mator
ſolte auch dahin trachten/ wie er ſeinen
untergebenen dergleichen uͤberfluͤßige gedan-
cken einfloͤſſen moͤchte/ daruͤber ſie andere uͤ-
berfluͤßige wercke/ als ſpielen/ ſauffen/ muͤßig
gehen/ vergeſſen koͤnten.

Jh halte auch nicht/ daß iemahls ein mann
durch liebliche worte beruͤhmt worden/ der in
ſeiner jugend allen uͤberfluß in ſolchem ſtuͤcke
verachtet hat. Jnmaſſen die bloſſen ſchul-ma-
terien nicht genung ſind/ ein ſtattliches Ingeni-
um
zu excitiren/ wenn es nicht aus eigenem
antrieb ſeinen fleiß etwas hoͤher fuͤhren ſoll.
Legen doch die huͤner viel lieber in das neſt/ das
ſie ſelbſt erwaͤhlet haben/ als welches von einer

un-
A 3
<TEI>
  <text>
    <front>
      <div type="preface" n="1">
        <p><pb facs="#f0009"/>
wie eine iegliche zeit ihre eigene ergo&#x0364;tzligkeit<lb/>
hat/ wie man auch nicht eher thut als ein<lb/>
mann; als wenn der bart dem ge&#x017F;ichte eine<lb/>
&#x017F;aure mine abfordert: al&#x017F;o wu&#x0364;rde &#x017F;ich die ju-<lb/>
gend u&#x0364;ber dem zeitvertreib &#x017F;chlecht zu e&#xA75B;freuen<lb/>
haben/ welche &#x017F;ich von ihrer <hi rendition="#aq">inclination</hi> allzu-<lb/>
weit ab&#x017F;ondern wolte.</p><lb/>
        <p>Und wer kan leugnen/ daß dergleichen u&#x0364;-<lb/>
bungen &#x017F;o gar ohne nutzen verrichtet werden?<lb/>
J&#x017F;t es nothwendig/ daß ein junger men&#x017F;ch in<lb/>
poeti&#x017F;chen und <hi rendition="#aq">oratori</hi>&#x017F;chen &#x017F;achen auffge-<lb/>
muntert/ und zur <hi rendition="#aq">recommendation</hi> der an-<lb/>
dern gelehr&#x017F;amkeit an lu&#x017F;tige und angeneh-<lb/>
me <hi rendition="#aq">Inventiones</hi> gewie&#x017F;en wird; &#x017F;o will ich hof-<lb/>
fen/ es &#x017F;olte nicht allein das junge volck hie&#xA75B;inn<lb/>
zu loben &#x017F;eyn/ &#x017F;ondern ein &#x017F;orgfa&#x0364;ltiger <hi rendition="#aq">infor-<lb/>
mator</hi> &#x017F;olte auch dahin trachten/ wie er &#x017F;einen<lb/>
untergebenen dergleichen u&#x0364;berflu&#x0364;ßige gedan-<lb/>
cken einflo&#x0364;&#x017F;&#x017F;en mo&#x0364;chte/ daru&#x0364;ber &#x017F;ie andere u&#x0364;-<lb/>
berflu&#x0364;ßige wercke/ als &#x017F;pielen/ &#x017F;auffen/ mu&#x0364;ßig<lb/>
gehen/ verge&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nten.</p><lb/>
        <p>Jh halte auch nicht/ daß iemahls ein mann<lb/>
durch liebliche worte beru&#x0364;hmt worden/ der in<lb/>
&#x017F;einer jugend allen u&#x0364;berfluß in &#x017F;olchem &#x017F;tu&#x0364;cke<lb/>
verachtet hat. Jnma&#x017F;&#x017F;en die blo&#x017F;&#x017F;en &#x017F;chul-ma-<lb/>
terien nicht genung &#x017F;ind/ ein &#x017F;tattliches <hi rendition="#aq">Ingeni-<lb/>
um</hi> zu <hi rendition="#aq">exciti</hi>ren/ wenn es nicht aus eigenem<lb/>
antrieb &#x017F;einen fleiß etwas ho&#x0364;her fu&#x0364;hren &#x017F;oll.<lb/>
Legen doch die hu&#x0364;ner viel lieber in das ne&#x017F;t/ das<lb/>
&#x017F;ie &#x017F;elb&#x017F;t erwa&#x0364;hlet haben/ als welches von einer<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">A 3</fw><fw place="bottom" type="catch">un-</fw><lb/></p>
      </div>
    </front>
  </text>
</TEI>
[0009] wie eine iegliche zeit ihre eigene ergoͤtzligkeit hat/ wie man auch nicht eher thut als ein mann; als wenn der bart dem geſichte eine ſaure mine abfordert: alſo wuͤrde ſich die ju- gend uͤber dem zeitvertreib ſchlecht zu eꝛfreuen haben/ welche ſich von ihrer inclination allzu- weit abſondern wolte. Und wer kan leugnen/ daß dergleichen uͤ- bungen ſo gar ohne nutzen verrichtet werden? Jſt es nothwendig/ daß ein junger menſch in poetiſchen und oratoriſchen ſachen auffge- muntert/ und zur recommendation der an- dern gelehrſamkeit an luſtige und angeneh- me Inventiones gewieſen wird; ſo will ich hof- fen/ es ſolte nicht allein das junge volck hieꝛinn zu loben ſeyn/ ſondern ein ſorgfaͤltiger infor- mator ſolte auch dahin trachten/ wie er ſeinen untergebenen dergleichen uͤberfluͤßige gedan- cken einfloͤſſen moͤchte/ daruͤber ſie andere uͤ- berfluͤßige wercke/ als ſpielen/ ſauffen/ muͤßig gehen/ vergeſſen koͤnten. Jh halte auch nicht/ daß iemahls ein mann durch liebliche worte beruͤhmt worden/ der in ſeiner jugend allen uͤberfluß in ſolchem ſtuͤcke verachtet hat. Jnmaſſen die bloſſen ſchul-ma- terien nicht genung ſind/ ein ſtattliches Ingeni- um zu excitiren/ wenn es nicht aus eigenem antrieb ſeinen fleiß etwas hoͤher fuͤhren ſoll. Legen doch die huͤner viel lieber in das neſt/ das ſie ſelbſt erwaͤhlet haben/ als welches von einer un- A 3

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die für das DTA ausgewählte Ausgabe von 1701 vere… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/9
Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/9>, abgerufen am 21.11.2024.