Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.Der beschützten Unschuld Cam. Wo Leonore in der finsternüß bleibet/ muß Camillo in den tod gehn. Leon. Ach Camillo/ warum werde ich aufgehalten? Cam. Ach Leonore/ warum wird der eyd unserer liebe so weit hindan gesetzt? Leon. Camillo ist loß gesprochen. Leonore sol vor den meineyd büssen. Cam. Ja Leonore sol vor den meineyd büssen/ aber in meinen armen. Leon. Ach betrübe mich nicht. Cam. Der himmel sey zeuge/ wer unter uns beyden ursach zum betrübniß giebt. Leon. Was sol ich denn thun? Cam. Sie sol den eyd ihrer liebe halten/ und den Camillo glückselig machen. Leon. Ach Camillo/ warum braucht er solche ge- walt gegen ein schwaches weibesbild? Cam. Jhre grausamkeit giebt mir anlaß darzu. Leon. Jch muß gegen mich grausam seyn. Cam. Jch aber erfordere mein recht. Leon. Edler Camillo/ weil er mir die straffe im schatten mißgönnet/ und mich viel lieber vor aller welt wil zu schanden machen/ so sey es also. Jch folge ge- horsam. Cam. Süsseste Leonore/ sie folge mir. Alle welt sol von unser freude und glückseligkeit sagen. Leon. Jch wil mich gerne vor seine dienerin ge- brauchen lassen/ biß er seine rache erfüllt/ und mir den weg an diesen ort verstatten wird. Cam. Camillo liebt Leonoren/ wil Leonore ihre zu- sage brechen/ so sol der himmel richter seyn/ daß Bor- gia über ihr gemüthe mehr gewalt hat als Camillo. Leon.
Der beſchuͤtzten Unſchuld Cam. Wo Leonore in der finſternuͤß bleibet/ muß Camillo in den tod gehn. Leon. Ach Camillo/ warum werde ich aufgehaltẽ? Cam. Ach Leonore/ warum wird der eyd unſerer liebe ſo weit hindan geſetzt? Leon. Camillo iſt loß geſprochen. Leonore ſol vor den meineyd buͤſſen. Cam. Ja Leonore ſol vor den meineyd buͤſſen/ aber in meinen armen. Leon. Ach betruͤbe mich nicht. Cam. Der himmel ſey zeuge/ wer unter uns beyden urſach zum betruͤbniß giebt. Leon. Was ſol ich denn thun? Cam. Sie ſol den eyd ihrer liebe halten/ und den Camillo gluͤckſelig machen. Leon. Ach Camillo/ warum braucht er ſolche ge- walt gegen ein ſchwaches weibesbild? Cam. Jhre grauſamkeit giebt mir anlaß darzu. Leon. Jch muß gegen mich grauſam ſeyn. Cam. Jch aber erfordere mein recht. Leon. Edler Camillo/ weil er mir die ſtraffe im ſchatten mißgoͤnnet/ und mich viel lieber vor aller welt wil zu ſchanden machen/ ſo ſey es alſo. Jch folge ge- horſam. Cam. Suͤſſeſte Leonore/ ſie folge mir. Alle welt ſol von unſer freude und gluͤckſeligkeit ſagen. Leon. Jch wil mich gerne vor ſeine dienerin ge- brauchen laſſen/ biß er ſeine rache erfuͤllt/ und mir den weg an dieſen ort verſtatten wird. Cam. Camillo liebt Leonoren/ wil Leonore ihre zu- ſage brechen/ ſo ſol der himmel richter ſeyn/ daß Bor- gia uͤber ihr gemuͤthe mehr gewalt hat als Camillo. Leon.
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Der beſchuͤtzten Unſchuld
Cam. Wo Leonore in der finſternuͤß bleibet/ muß
Camillo in den tod gehn.
Leon. Ach Camillo/ warum werde ich aufgehaltẽ?
Cam. Ach Leonore/ warum wird der eyd unſerer
liebe ſo weit hindan geſetzt?
Leon. Camillo iſt loß geſprochen. Leonore ſol vor
den meineyd buͤſſen.
Cam. Ja Leonore ſol vor den meineyd buͤſſen/ aber
in meinen armen.
Leon. Ach betruͤbe mich nicht.
Cam. Der himmel ſey zeuge/ wer unter uns beyden
urſach zum betruͤbniß giebt.
Leon. Was ſol ich denn thun?
Cam. Sie ſol den eyd ihrer liebe halten/ und den
Camillo gluͤckſelig machen.
Leon. Ach Camillo/ warum braucht er ſolche ge-
walt gegen ein ſchwaches weibesbild?
Cam. Jhre grauſamkeit giebt mir anlaß darzu.
Leon. Jch muß gegen mich grauſam ſeyn.
Cam. Jch aber erfordere mein recht.
Leon. Edler Camillo/ weil er mir die ſtraffe im
ſchatten mißgoͤnnet/ und mich viel lieber vor aller welt
wil zu ſchanden machen/ ſo ſey es alſo. Jch folge ge-
horſam.
Cam. Suͤſſeſte Leonore/ ſie folge mir. Alle welt
ſol von unſer freude und gluͤckſeligkeit ſagen.
Leon. Jch wil mich gerne vor ſeine dienerin ge-
brauchen laſſen/ biß er ſeine rache erfuͤllt/ und mir den
weg an dieſen ort verſtatten wird.
Cam. Camillo liebt Leonoren/ wil Leonore ihre zu-
ſage brechen/ ſo ſol der himmel richter ſeyn/ daß Bor-
gia uͤber ihr gemuͤthe mehr gewalt hat als Camillo.
Leon.
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Zitationshilfe: | Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 572. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/588>, abgerufen am 17.06.2024. |