Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701.

Bild:
<< vorherige Seite
Andere Handlung.
trauligkeit neben einander auff/ daß sich gleichsam ein
sinn und ein hertze in zwey leibern befand. Jch gebot
ihm/ er gehorchte mir: Er bat mich/ ich war ihm nicht
zuwider. Jn summa wir liebten einander/ und wu-
sten nicht was liebe war. Endlich als ich in etwas zu
meinem verstande kam/ schien es nicht rathsam? sol-
chen kinderpossen ferner nach zuhängen/
Soph. Was sagte Camillo darzu?
Leon. Jch bat ihn höfflich/ er möchte sich der dinge
enthalten/ die uns künfftiger zeit übel anstehn würden/
doch nahm er solches mit einem schwitzenden gesichte
an/ biß er sich verlauten ließ/ er sehe wol/ bißher hätten
wir von der liebe viel geredt und wenig gedacht: Nun
wollen wir viel gedencken und desto weniger reden.
Soph. Jhre Gn. sind vielleicht mit dieser Resolu-
tion wohl zufrieden gewesen.
Leon. Was meynestu Sophie/ solte ein frauen-
zimmer so unverschämt seyn? Zwar ich erfreute mich
heimlich über seiner standhafftigkeit/ doch hatte er sich
wenig zu erfreuen/ denn ich bat ihn/ aus dem hause zu
bleiben/ und wofern er mir einen dienst zu guter letzt
leisten wolte/ möchte er mich mit seinen besuchungen
verschonen/ sonst würde ich gezwungen werden mit
ihm umzugehen/ als mit einem menschen/ der mir [in]
allem verdrießlich seyn wolte.
Soph. Das war zu grausam.
Leon. Ein weibesbild soll nicht allein das liederli-
che wesen/ sondern auch dessen verdacht meiden.
Soph. War aber Camillo gehorsam.
Leon. Was wolte er thun? er stellte sich als wäre
ihm der befehl gar angenehm. Denn/ sagte er/ meine
gebieterin hat hierinn erwiesen/ daß sie die macht zu be-
fehlen
H h 5
Andere Handlung.
trauligkeit neben einander auff/ daß ſich gleichſam ein
ſinn und ein hertze in zwey leibern befand. Jch gebot
ihm/ er gehorchte mir: Er bat mich/ ich war ihm nicht
zuwider. Jn ſumma wir liebten einander/ und wu-
ſten nicht was liebe war. Endlich als ich in etwas zu
meinem verſtande kam/ ſchien es nicht rathſam? ſol-
chen kinderpoſſen ferner nach zuhaͤngen/
Soph. Was ſagte Camillo darzu?
Leon. Jch bat ihn hoͤfflich/ er moͤchte ſich der dinge
enthalten/ die uns kuͤnfftiger zeit uͤbel anſtehn wuͤrden/
doch nahm er ſolches mit einem ſchwitzenden geſichte
an/ biß er ſich verlauten ließ/ er ſehe wol/ bißher haͤtten
wir von der liebe viel geredt und wenig gedacht: Nun
wollen wir viel gedencken und deſto weniger reden.
Soph. Jhre Gn. ſind vielleicht mit dieſer Reſolu-
tion wohl zufrieden geweſen.
Leon. Was meyneſtu Sophie/ ſolte ein frauen-
zimmer ſo unverſchaͤmt ſeyn? Zwar ich erfreute mich
heimlich uͤber ſeiner ſtandhafftigkeit/ doch hatte er ſich
wenig zu erfreuen/ denn ich bat ihn/ aus dem hauſe zu
bleiben/ und wofern er mir einen dienſt zu guter letzt
leiſten wolte/ moͤchte er mich mit ſeinen beſuchungen
verſchonen/ ſonſt wuͤrde ich gezwungen werden mit
ihm umzugehen/ als mit einem menſchen/ der mir [in]
allem verdrießlich ſeyn wolte.
Soph. Das war zu grauſam.
Leon. Ein weibesbild ſoll nicht allein das liederli-
che weſen/ ſondern auch deſſen verdacht meiden.
Soph. War aber Camillo gehorſam.
Leon. Was wolte er thun? er ſtellte ſich als waͤre
ihm der befehl gar angenehm. Denn/ ſagte er/ meine
gebieterin hat hierinn erwieſen/ daß ſie die macht zu be-
fehlen
H h 5
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <sp>
            <p><pb facs="#f0505" n="489"/><fw place="top" type="header">Andere Handlung.</fw><lb/>
trauligkeit neben einander auff/ daß &#x017F;ich gleich&#x017F;am ein<lb/>
&#x017F;inn und ein hertze in zwey leibern befand. Jch gebot<lb/>
ihm/ er gehorchte mir: Er bat mich/ ich war ihm nicht<lb/>
zuwider. Jn &#x017F;umma wir liebten einander/ und wu-<lb/>
&#x017F;ten nicht was liebe war. Endlich als ich in etwas zu<lb/>
meinem ver&#x017F;tande kam/ &#x017F;chien es nicht rath&#x017F;am? &#x017F;ol-<lb/>
chen kinderpo&#x017F;&#x017F;en ferner nach zuha&#x0364;ngen/</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker>Soph.</speaker>
            <p>Was &#x017F;agte Camillo darzu?</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker>Leon.</speaker>
            <p>Jch bat ihn ho&#x0364;fflich/ er mo&#x0364;chte &#x017F;ich der dinge<lb/>
enthalten/ die uns ku&#x0364;nfftiger zeit u&#x0364;bel an&#x017F;tehn wu&#x0364;rden/<lb/>
doch nahm er &#x017F;olches mit einem &#x017F;chwitzenden ge&#x017F;ichte<lb/>
an/ biß er &#x017F;ich verlauten ließ/ er &#x017F;ehe wol/ bißher ha&#x0364;tten<lb/>
wir von der liebe viel geredt und wenig gedacht: Nun<lb/>
wollen wir viel gedencken und de&#x017F;to weniger reden.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker>Soph.</speaker>
            <p>Jhre Gn. &#x017F;ind vielleicht mit die&#x017F;er Re&#x017F;olu-<lb/>
tion wohl zufrieden gewe&#x017F;en.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker>Leon.</speaker>
            <p>Was meyne&#x017F;tu Sophie/ &#x017F;olte ein frauen-<lb/>
zimmer &#x017F;o unver&#x017F;cha&#x0364;mt &#x017F;eyn? Zwar ich erfreute mich<lb/>
heimlich u&#x0364;ber &#x017F;einer &#x017F;tandhafftigkeit/ doch hatte er &#x017F;ich<lb/>
wenig zu erfreuen/ denn ich bat ihn/ aus dem hau&#x017F;e zu<lb/>
bleiben/ und wofern er mir einen dien&#x017F;t zu guter letzt<lb/>
lei&#x017F;ten wolte/ mo&#x0364;chte er mich mit &#x017F;einen be&#x017F;uchungen<lb/>
ver&#x017F;chonen/ &#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;rde ich gezwungen werden mit<lb/>
ihm umzugehen/ als mit einem men&#x017F;chen/ der mir <supplied>in</supplied><lb/>
allem verdrießlich &#x017F;eyn wolte.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker>Soph.</speaker>
            <p>Das war zu grau&#x017F;am.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker>Leon.</speaker>
            <p>Ein weibesbild &#x017F;oll nicht allein das liederli-<lb/>
che we&#x017F;en/ &#x017F;ondern auch de&#x017F;&#x017F;en verdacht meiden.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker>Soph.</speaker>
            <p>War aber Camillo gehor&#x017F;am.</p>
          </sp><lb/>
          <sp>
            <speaker>Leon.</speaker>
            <p>Was wolte er thun? er &#x017F;tellte &#x017F;ich als wa&#x0364;re<lb/>
ihm der befehl gar angenehm. <hi rendition="#fr">D</hi>enn/ &#x017F;agte er/ meine<lb/>
gebieterin hat hierinn erwie&#x017F;en/ daß &#x017F;ie die macht zu be-<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">H h 5</fw><fw place="bottom" type="catch">fehlen</fw><lb/></p>
          </sp>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[489/0505] Andere Handlung. trauligkeit neben einander auff/ daß ſich gleichſam ein ſinn und ein hertze in zwey leibern befand. Jch gebot ihm/ er gehorchte mir: Er bat mich/ ich war ihm nicht zuwider. Jn ſumma wir liebten einander/ und wu- ſten nicht was liebe war. Endlich als ich in etwas zu meinem verſtande kam/ ſchien es nicht rathſam? ſol- chen kinderpoſſen ferner nach zuhaͤngen/ Soph. Was ſagte Camillo darzu? Leon. Jch bat ihn hoͤfflich/ er moͤchte ſich der dinge enthalten/ die uns kuͤnfftiger zeit uͤbel anſtehn wuͤrden/ doch nahm er ſolches mit einem ſchwitzenden geſichte an/ biß er ſich verlauten ließ/ er ſehe wol/ bißher haͤtten wir von der liebe viel geredt und wenig gedacht: Nun wollen wir viel gedencken und deſto weniger reden. Soph. Jhre Gn. ſind vielleicht mit dieſer Reſolu- tion wohl zufrieden geweſen. Leon. Was meyneſtu Sophie/ ſolte ein frauen- zimmer ſo unverſchaͤmt ſeyn? Zwar ich erfreute mich heimlich uͤber ſeiner ſtandhafftigkeit/ doch hatte er ſich wenig zu erfreuen/ denn ich bat ihn/ aus dem hauſe zu bleiben/ und wofern er mir einen dienſt zu guter letzt leiſten wolte/ moͤchte er mich mit ſeinen beſuchungen verſchonen/ ſonſt wuͤrde ich gezwungen werden mit ihm umzugehen/ als mit einem menſchen/ der mir in allem verdrießlich ſeyn wolte. Soph. Das war zu grauſam. Leon. Ein weibesbild ſoll nicht allein das liederli- che weſen/ ſondern auch deſſen verdacht meiden. Soph. War aber Camillo gehorſam. Leon. Was wolte er thun? er ſtellte ſich als waͤre ihm der befehl gar angenehm. Denn/ ſagte er/ meine gebieterin hat hierinn erwieſen/ daß ſie die macht zu be- fehlen H h 5

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Die für das DTA ausgewählte Ausgabe von 1701 vere… [mehr]

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/505
Zitationshilfe: Weise, Christian: Überflüßige Gedancken Der grünenden jugend. Leipzig, 1701, S. 489. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/weise_jugend_1701/505>, abgerufen am 11.06.2024.